Emergenz

Der heutige Konsens hält den Dualismus Descartes für vollständig überholt. Demnach sind Körper und Geist eine Einheit, der Geist nur ein Epiphänomen neuronaler Strukturen. Somit wären Geist und Körper identisch. Der Materialismus hat Folgen, denn dem Geist wird keine eigenständige Macht zugeschrieben. Wenn man den Geist heilen will, behandelt man lediglich den Organismus. Diese Reduktion hat etwas Inhumanes und enorm Resignatives, ja etwas bedenklich Profanes. Der Mensch wird nicht mehr als Individuum mit eigener Lebensgeschichte und eigenen Erfahrungen betrachtet, sondern als Fall einer ohnehin fragwürdigen Diagnose. Also wird man dem Menschen an sich nicht gerecht und kann auch mentale Erkrankungen nicht heilen, denn dafür muss ich das persönliche und sehr individuelle Problem eines Menschen kennen. Das dürfte einleuchten.

Es ist bisher nicht bewiesen worden, dass der Mensch in einer Sphäre der Emergenz organische Bedingtheiten nicht überwinden kann, wie dies vermutlich aber bei Spontanheilungen geschieht. Wir hätten also nicht nur ein Empfinden von Freiheit und Energie, sondern das wäre dann eben die  innere Freiheit von Determinierungen und damit von allerlei Erkrankungen. Es geht hier um eine vertikale Orientierung der Transzendenz, die wir als Verbindung zu etwas Höherem bzw. Göttlichem wahrnehmen. Alle Religionen streben auf diesen Zustand der Emergenz hin. Er ist erreichbar durch eine Reihe von Maßnahmen, die jeder anwenden kann, allerdings unterscheiden die sich von Religion zu Religion oder Weltanschauung. Diese Form der höchsten Ordnung und auch der stoischen Reorganisation ist nicht dem Zufall zuzuschreiben, sondern eben bestimmter Methoden der Disziplinierung bzw. der Askese, weil ihr eine hohe  ordnende Energie zukommt gegen die Zerrüttungen durch unterschiedlichste Emotionen. Hier kennen sich vor allem Buddhisten gut aus. Die horizontalen Ärgernisse können durch eine vertikale Ausrichtung relativiert werden und selbst Traumata können überwunden werden: Es handelt sich um verletzende Prägungen, die das Gehirn in schwere Unruhen versetzen können.

Der Alltagsverstand ahnt meistens wenig von den Emergenzmöglichkeiten des Menschen. Deshalb brauchen wir Tage der Kontemplation, um diese Möglichkeit von Freiheit, Glück und Gesundheit zu erreichen. Emergenz kann also eine Homöostase bewirken, ist aber nicht die Folge einer Homöostase. Weil aber kranke Menschen diese Emergenz erfahren können, spricht sie gegen die These einer Identität von Geist und Körper. Es ist eine durchweg spirituelle Erfahrung höchster Energien, die auf den Organismus zurückwirken. Religion ist also nicht nur ein soziokulturelles Phänomen, sondern beinhaltet eine Heilungskraft, die wir als Selbstheilung bezeichnen. Dafür muss ich das horizontale Durcheinander verlassen können, mich herausnehmen aus den Dingen des verstörenden Alltags. Das ist der Grund, warum einige Menschen in Klöster eintreten. Sie wollen ihre Emergenz erhalten, so dass es zu einer Art Evolution des Bewusstseins kommt, durch das wir neue Erkenntnisse und Einsichten gewinnen, vor allem aber unsere Urteilskraft weiter entwickelt wird. Ich selbst habe es in der Hand, ob mein Geist organisch determiniert bleibt oder ob ich ihn sukzessive herauslöse und mich in dieser inneren Freiheit  als innere Burg mit Öffnung nach oben geborgen fühle und zu einem Urvertrauen zurückfinde, das im Laufe des hektischen und auch rücksichtslosen Lebens verloren geht.

Emergenz macht das Leben erträglicher und es finden sich oft gute Lösungen für alte Probleme. Wir bezeichnen diese Fähigkeit als Macht und Vollkommenheit Gottes. In diesem Zustand der völligen Emergenz mögen sich Jesus Christus und andere Heilige befunden haben. Wir können lernen, uns selbst in diesen Zustand zu versetzen, indem wir uns beschränken in Gier, Begierde und anderen Emotionen, die nicht selten zu Illusionen und sogar zu Halluzinationen führen (starke Aktivierung der rechten Gehirnhälfte). Wer aber die Wahrheit liebt, der bleibt skeptisch gegenüber den doch oft extremen Schwankungen des menschlichen Gemüts. Um Dinge verändern zu können, muss ich sie durchschaut haben bei einem gut funktionierenden Urteilsvermögen. Auch kann der Mensch sich selber ändern durch die hohe Transformationskraft in emergenten Zuständen der Komplexität. Über die vertikale Orientierung kann der Mensch sich selbst aus dem Sumpf ziehen, was nicht länger als ein unmögliches Münchhausen-Syndrom verschrien ist und sich hier der Mensch in Abhängigkeit zu anderen Menschen begeben müsste. Mit der vertikalen Bewegung ist auch zugleich ein Abstand zu den subjektiven Regungen gegeben. Ich bin so in der Lage, mich selbst zu objektivieren und kann hier über die Bewusstseinsarbeit an mein Innerstes herankommen und es verändern. Wer die Welt ändern will, ohne sich selbst zu ändern, der läuft gegen eine Wand und wird krank an den bestehenden Verhältnissen. Und die eigene hohe innere Beweglichkeit verändert auch immer äußere Bedingungen.

Der Skandal Psychiatrie

Der Fall Mollath hätte eigentlich zu einem Umdenken in psychiatrischen Kreisen führen müssen, aber nichts hat sich geändert. Die Psychiatrie verabreicht Menschen seltsame Diagnosen, die oft die Wahrheit des Betroffenen verfehlen. Wer psychisch erkrankt, ist Opfer geworden von Ungerechtigkeiten, Formen der Gewalt und von Stress. Man kann das gar nicht oft genug thematisieren. Eine mentale Krankheit entsteht nicht aus dem Nichts und schon gar nicht sind die Betroffenen selber schuld. Die Frage der Schuld und der Schuldigen muss aber beantwortet werden, um den Kern der Erkrankung zu ergründen. Was oberflächlich oft als Wahn bezeichnet wird, ist nicht selten der Versuch, Gerechtigkeit herzustellen und auf Vergehen anderer hinzuweisen wie auch auf das Verschulden einer Psychiatrie, die Menschen über Rechtsverletzungen zur Einnahme von Medikamenten zwingt, aber kein einziges Problem löst. Das reine Wegdrücken von Symptomen ist nicht deren Heilung.  Man sollte dringend darüber nachdenken, Menschen mit mentalen Erkrankungen zu Hause zu behandeln, da Einweisungen in Kliniken nur die Traumata verschlimmern und die schlechten Erfahrungen vermehren. Ein mental kranker Mensch hat das Vertrauen ins Leben verloren. Er gewinnt es durch erneute Gewalt gegen ihn nicht zurück. Menschliche Zuwendung des Verständnisses könnten ihn auf den gesunden Weg zurückbringen.

Mehr Sensibilität ist gefordert, anstatt Menschen zu stigmatisieren oder zu dämonisieren. Eine sogenannte Psychose ist der Versuch einer Heilung. Also muss man sich diese Symptome auch genauer ansehen, um diesen eher verdrehten Prozess eines Heilungsversuches in einen gesunden zu verwandeln. Die Eigenkräfte sollten mobilisiert  und nicht unterminiert werden. Das leistet die derzeitige Psychiatrie überhaupt nicht. Sie belastet die Betroffenen mit dubiosen Diagnosen, ohne sich dem Problem anzunähern. Inhalte werden als wirres Zeug abgetan, anstatt den Kern der Wahrheit hinter den Symptomen zu analysieren. Dieser Befreiungsimpuls wird regelrecht verweigert, man ignoriert alle Inhalte. Der Patient verlässt die Klinik dann mit allen alten ungelösten Problemen, die sich durch Einweisungen nur chronifizieren. Das Herausreißen aus dem Alltag verursacht ein neues Trauma, das Menschen auf Dauer schädigen kann, denn der Kranke erlebt diese Übergriffe nicht als gerecht oder angemessen. Sie sind es auch nicht, sondern schwere Verletzungen der Rechte und der Würde.

Es gibt nichts Zweifelhafteres als psychiatrische Gutachten, durch die sich Ärzte profilieren, aber dem Betroffenen nicht gerecht werden. Das Denken eines Menschen kann vorübergehend beeinträchtigt werden, wenn ein Problem auf Dauer weiter besteht und die Bearbeitung verweigert wird, weil der Geisteszustand angezweifelt wird. Aber jeder Mensch hat gesunde Anteile, an die appelliert werden kann und die befördert werden müssen, damit die Heilungsenergie wieder initiiert wird. Eine Strategie der Ermutigung, des Empowerments wird aber nur selten eingesetzt. Der Zusammenbruch des kompensierenden Denkens heißt nicht, dass dieser Mensch vollkommen alle Geisteskräfte verloren hätte. Sie sind überlagert von vorherrschenden Gedanken, die nicht mehr untergeordnet werden können. Die Ordnungsfunktion geht also verloren. Die ist aber reaktivierbar, wenn man sich denn auf den Patienten einlassen würde, anstatt ihn einfach mit Medikamenten zuzuschütten, so dass er nichts mehr von seiner Problematik spürt. Die arbeitet aber weiter in ihm und verschafft sich in der nächsten Krise wieder Gehör. Wann also wird eine Psychiatrie überflüssig oder humaner, so dass ein Patient mit mehr Wissen über sich selbst und über seine Problem entlassen wird? Dazu bedarf es hoher therapeutischer Kompetenz, den Kern des Problems ansprechen zu können, so dass das Bewusstsein für die Problematik nicht ständig verschwindet und virulent bleibt. Eine Psychiatrie wäre verpflichtet wie alle anderen Dienstleistungsinstitutionen auch, Erfolge zu liefern in Bezug auf die Klärung von Problemen und nicht wie bisher Probleme einfach zu überdecken und die Betroffenen durch diese Verweigerung zu stigmatisieren.

Die Psychiatrie ist der Gradmesser für die Humanität einer Gesellschaft. Damit ist es nicht weit her. Darin liegt auch der Grund, warum es mental kranke Menschen so schwer haben, wieder gesund zu werden. Eigentlich ist die Psychiatrie ein Fall von unterlassener Hilfeleistung. Die Antipsychiatriebewegung ist ein wichtiger Impuls gegen eine institutionalisierte Psychiatrie, die Krankheiten von Menschen sanktioniert, anstatt humane und affirmative Lösungen anzudenken und umzusetzen. Heilung ist in den westlichen Ländern eher selten, in anderen Kulturen aber häufiger, da man hier nicht mit Einweisungen und Medikamenten reagiert. Das sollte zu denken geben und endlich Menschen befähigen und ausbilden, die sich den Problemen wirklich annehmen möchten und können aus einer  tiefen Menschenliebe heraus. Die Menschenfeindlichkeit in der Psychiatrie ist mehr als offensichtlich und so reagiert eben auch die schlecht unterrichtete  Gesellschaft mit enormen Vorurteilen und mit archaischen Ablehnungen. Letztlich ist der sogenannte Wahn nur die auf die Spitze getriebene symbolische Vernunft. Mental kranke Menschen sind keine Psychopathen, sondern Menschen, die einen offenen Dialog brauchen, um ihre Dilemmata zu überwinden, was auch das erfolgreiche Modell aus Finnland umsetzt (Westlappland Open Dialogue Project) gegen den westlichen und gewalttätigen bzw. schädigenden Mainstream. Neuroleptika und damit verbundene Zwangseinweisungen sind übrigens eine deutsch-französische Erfindung, die im Begriff ist, die ganze Welt zu verseuchen.

Peter R. Breggin: Giftige Psychiatrie. Auer, Heidelberg 1996

http://www.offener-dialog.de/materialien/der-film-/index.html

Seikkula, Jaako / Alakare, Birgitta / Aaltonen, Jukka: „Offener Dialog in der Psychosebehandlung – Prinzipien und Forschungsergebnisse des West-Lapplandprojekts“, in: Volkmar Aderhold / Yrjö Alanen / Gernot Hess / Petra Hohn (Hg.): „Psychotherapie der Psychosen – Integrative Behandlungsansätze aus Skandinavien“, 2003, S. 89–102.

Freiheit

Dass es immer noch Leugner der Freiheit gibt auch im Bereich der Neurowissenschaften, ist eigentlich kaum verständlich, denn wir haben aus der Medizin immer wieder die Bestätigung, dass über willentliche Maßnahmen der Organismus verändert werden kann. In der Folge heißt das auch, dass selbst der Körper nicht durchgehend determiniert ist, obwohl er den Gesetzen der Kausalität unterliegt. Schon Kant wusste um die Kausalität aus Freiheit, die den Menschen zum Menschen macht, indem er sich entscheiden kann, zum Beispiel etwas für seine Gesundheit zu tun. Wir sind selbst in der Lage, über die Epigenetik Einfluss auf die Genexpression zu nehmen. Der innere Arzt ist also in uns angelegt und der Widerspruch zwischen res extensa und res cogitans ist nicht so groß, wie wir ständig denken. Der Organismus ist dann ein offenes System, wenn ich mir der Freiheit bewusst werde, auf ihn einwirken zu können und Vorgänge dadurch beeinflussen kann. Gesundheit ist also an dieses Geistbewusstsein von Freiheit gekoppelt. Und für dieses Bewusstsein kann ich täglich etwas tun, damit diese Einflussnahme weiter zunimmt. Ohne Freiheit wäre das kaum möglich. Und die Willenskräfte unterliegen auch dieser Übung, Freiheit als Aufgabe zu verstehen. Freiheit ist also mit unserem Denken, mit dem Geist  verschränkt, durch den ich die Macht der Freiheit erkenne und ausübe.

Aber das wäre nur die halbe Wahrheit. Auch unser Glücksempfinden hängt von einem Bewusstsein der Freiheit ab. Wer sich nur Zwängen ausgesetzt sieht, der verliert jedes Glücksgefühl.  Der Mensch braucht also einen inneren Raum der Freiheit, in den niemand eindringt, den niemand zerstören oder verletzen kann. Wer sich diesen inneren Raum sichern kann, der bleibt auch in schweren Zeiten gesund. Hier in Verbindung mit einer höheren Energie  zu sein schützt vor der Angst, nicht freiheitlich handeln zu können. Sicher, es gibt Pflichten, aber die dürfen nicht diese innere freiheitliche Verfassung tangieren. Dessen scheint sich die Politik nicht immer bewusst zu sein, wenn sie Zwänge auf Menschen ausüben will und Menschen unterstellt, sie würden sonst nichts mehr tun. Es gilt aber angesichts dieser freiheitlichen Verfassung,  den Menschen  zu respektieren und intrinsische Konzepte zu erarbeiten, die dem Einzelnen gerecht werden. Wer sich nicht mehr als frei empfindet, wird krank, kann seine Probleme nicht mehr kompensieren und verliert seine natürlichen Kräfte und auch Selbstheilungskräfte.  Freiheit und Energie hängen eng zusammen und müssen vor allem dort gestärkt werden, wo sie bezweifelt werden. Wer sich als unfrei erlebt, verliert in gewisser Weise sein gesundes Menschsein. Innere Freiheit ist an keinen konkreten Raum gebunden und kann auch Teil eines tiefen Glaubens sein, eben als Schöpfung frei zu sein und sich auch weiter befreien zu können von Belastungen aller Art, um zu höchster Energie der Transformation zu kommen und damit auch immer zu sich selbst. Ein Selbstsein, um mit anderen zu sein und für andere da zu sein: Ohne Ich kein Wir.

Es grenzt nicht an Wunder, wenn Menschen hohe Energien entwickeln und sich aus determinierenden Problemen wieder herausarbeiten. Auf ein Wunder haben wir keinen Einfluss, es unterliegt der Gnade. Wir möchten aber wissen, wie wir aus eigenem Vermögen der Schwerkraft entkommen können. Emergenz ist die Überwindung des determinierten Selbsts und für diese Emergenz brauchen wir die Freiheit. Viele Krankheiten könnten allein durch ein Bewusstsein dieser Freiheit wieder geheilt werden. Das kann kein anderer Mensch für uns leisten, das müssen wir selbst vollziehen. Deshalb ist es so wichtig, Freiheit als etwas zu erkennen, was Heilung ermöglicht. Wer dazu spirituelle Energie mobilisieren kann, hat es leichter, denn nichts steht zwischen Mensch und Gott bzw. dem Geist Gottes, der zu meinem Geist wird, wenn er sich als frei begreift. Diese göttliche Energie bedeutet Glückseligkeit, also die Erkenntnis von Sinn und Hoffnung gegen die vielen Irrtümer und gegen das Unvermögen von Menschen, die ihr Freiheitsbewusstsein verloren haben. Niemand kann mich also zwingen, etwas zu tun, was ich nicht mit meinem Gewissen vereinbaren kann. Dieses Gewissen braucht eine heilige Dimension und die findet der Mensch im spirituellen Denken, das sich seiner Freiheit ganz bewusst ist und dadurch genesen kann. Diese Freiheit erarbeiten wir uns täglich und auch immer wieder, wenn sie unterzugehen droht. So ist es einer der höchsten Wahrheiten zu sagen: Ich bin frei und ich kann mich jeder Zeit zu einem Neuanfang entscheiden, wenn das alte Korsett zu eng und zu beschwerlich geworden ist.  So kann man auch Fehler, die man als Mensch nun einmal macht, auch leichter verkraften. Sie verlieren ihre Virulenz angesichts der Freiheit durch Einsicht auch gegen dubiose Gefühle, die oft in die Irre führen, denn die sind eben sehr subjektiv. Freiheit ist auch die Fähigkeit zu objektivieren, verschiedene Perspektiven einzunehmen und die Beschränktheiten anderer nicht zum eigenen Problem werden zu lassen. Der freiheitliche Geist bewegt sich aus solchen Gefängnissen heraus und möchte initiieren und nicht in unerlöste und dunkle Gedankengebäude einsperren.

Der voll und ganz entfaltete Mensch lebt also mit einem erlösten Körper, dessen Bedürfnisse dem Geist keine Vorschriften mehr machen. Den Körper erlösen kann nur der Geist.

Thomas von Aquin: De beatitudine (Über das Glück). Hamburg 2012

Antistressverordnung

Der Psychoneuroimmunologe Christian Schubert hat den Zusammenhang von schweren Erkrankungen und Stress erforscht.  Er analysierte soziokulturelle Veränderungen und Ereignisse wie z.B. die Finanzkrise, die das Immunsystem von Menschen negativ beeinflussen können über sogenannte Top-down- und Bottom-up-Prozesse. Der systemtheoretische Ansatz bezeugt die Wirkung von komplexen Systemen auf weniger komplexe Systeme und umgekehrt. Wie Wahrnehmung auf unser Denken einwirkt, ist weiterhin ungeklärt. Die Tatsache, dass es eine Korrelation gibt, ist aber unbestritten. Bei Stress als mentalem Zustand spielt die Erfahrung der Ohnmacht eine große Rolle. Erlebe ich Prozesse und Entwicklungen als nicht beeinflussbar, entsteht existenzieller Stress, der Gehirn und Körper erheblich schädigt. Die Psychosomatik geht davon aus, dass Körper und Geist eine Einheit bilden und nicht zwei voneinander getrennte Entitäten sind, die aufeinander wirken. Den Dualismus hat man aufgegeben, weil man nur über die Quantentheorie erklären kann, wie der Geist auf den Körper wirken könnte. Das scheint vielen nicht auszureichen bzw. es wird bestritten, dass wir ein Quantengehirn hätten. Deshalb wurde der Dualismus angezweifelt. Sind Körper und Geist aber eine Einheit, ein wesensmäßiges Ganzes, dann kann man nicht erklären, wieso über Meditation, d.h. über eine freie und willentliche Maßnahme,  das Gehirn verändert werden kann. Ich muss also eine unabhängige Kraft voraussetzen, die auf den Körper einwirkt. Dass es so ist,  hat Richard Davidson weitgehend bewiesen. Damit steht die Identitätstheorie im Verdacht, etwas zu vereinfachen, was doch komplexer ist.

Ob nun eine Identität von Typen oder von Token (Identität der Vorkommnisse, wie Donald Davidson annimmt) ist dabei egal. Die Identitätstheorie hat ihre Mängel. Descartes hatte deswegen von unterschiedlichen Entitäten (res extensa und res cogitans) gesprochen, die aufeinander einwirken, aber eben auch eine  spezielle geistige Energie und ein Vermögen voraussetzt, das beeinflusst und verursacht, d.h. das nicht determiniert ist. Freiheit ist unter den Bedingungen der Identität kaum denkbar, denn der Körper ist weitgehend determiniert und kann nur durch den Geist initiiert werden, nicht aber wieder durch körperliche Ereignisse und Vorgänge. Meditation kann auf die Entzündungsprozesse durch Stress auf den Körper Einfluss nehmen wie auch alle Gefühle des (geistigen) Glücks, wie es sich  im Flow manifestiert, der bis in die Epigenetik hineinwirkt. Wir sind nur dann in der Lage, unseren Körper zu steuern, wenn wir dem Geist dafür die Macht geben und diese Mächtigkeit auch entsprechend befördern. Das gelingt nur unter Stresslosigkeit. So lässt sich Resilienz auch trainieren, ist also  keine angeborene Fähigkeit. Die Identitätstheorie lässt keinen Raum für den freien Willen, durch den wir Dinge realisieren und uns selbst und unsere Einstellungen verändern. Aber dieses Zusammenwirken ist eben anfällig und wird durch Stress außer Kraft gesetzt.

Die IG Metall wie auch die Linken und die Grünen wollen eine Umsetzung einer Antistressverordnung, weil zu viele Menschen durch Stress und vor allem durch existenziellen Stress zum Teil schwer erkranken. Diese Einwirkungen sind kaum zu steuern und können das gesamte organische und mentale System aushebeln. Der Mensch sollte intrinsisch motiviert sein gegen eine unverantwortliche Zulassung von Stressoren, die den Arbeitenden antreiben sollen, Höchstleistungen zu bringen. Will ich, dass Menschen gut und zuverlässig arbeiten, muss ich sie eigentlich nur entsprechend gut bezahlen und motivieren, anstatt ein Angstsystem zu etablieren, das Menschen an den Rand des Nervenzusammenbruchs bringt. Existenzieller Stress ist auch nicht durch Bewusstseinsarbeit reduzierbar, da hier eine Grenze überschritten wird. Die Grundlagen des Seins dürfen nie zur Disposition stehen und damit wäre dann auch ein rechtlicher Schutz vor Existenzbedrohungen eine Notwendigkeit.  Der Mensch kann sich gegen Stress nicht immunisieren. Darauf muss die Politik auch gegen wirtschaftliche Interessen endlich Rücksicht nehmen und Menschen vor schweren Schädigungen schützen, so dass Stressverursachung ein einklagbares Vergehen wird. Stress ist eine Form von struktureller Gewalt und muss deshalb in einer Gesellschaft als das zu Vermeidende begriffen werden, denn die Folgen wie Arbeitsunfähigkeit sind für den Betroffenen wie für die Gesellschaft schädlich. Fortschritt im sozioökonomischen Bewusstsein erlangen wir aber nur über Rechte, die den Einzelnen in seiner Gesundheit bestärken und schützen.

Christian Schubert, Madeleine Amberger: Was uns krank macht, was uns heilt. Aufbruch in eine neue Medizin. Münderfing 2016

Human-holistic-health-project – ganzheitliches Heilen

 

Die Gründung einer gemeinnützigen Organisation für ganzheitliches Heilen – human-holistic-health-project – richtet sich vor allem an Menschen, die unter mentalen Erkrankungen leiden und wenig Geld haben. Sicher, Geld ist manchmal auch eine Erleichterung, aber die Gründung einer Stiftung ist bisher nur angedacht. Zunächst sollen aber die Maßnahmen thematisiert werden, die jeder auch ohne Vermögen vornehmen kann, um seine gesundheitliche Lage zu verbessern und mehr Lebensqualität zu erreichen. Die Schulmedizin unternimmt in dieser Hinsicht so gut wie gar nichts und die derzeitige Politik hat wieder begonnen, Menschen mit mentalen Erkrankungen extrem zu stigmatisieren und zu diskriminieren. Hintergründe sind ein negatives Menschenbild und horrende Vorurteile, die wegen einer menschenfeindlichen Politik eher wieder zunehmen. Hier war  man in den 70er Jahren schon sehr viel weiter. Gegen Rückschritte hilft nur die Aufklärung und eine massive Gegenbewegung auch gegen die Vorherrschaft der Pharmaindustrie, die ein erhebliches Interesse daran hat, Menschen einseitig und schädigend zu behandeln. Medikamente können kurzfristig helfen, sind aber nicht die Lösung des Problems. Auch die Psychotherapie ist hier weitgehend negativ infiziert und nicht bereit, entstandene Probleme intensiv durchzuarbeiten. Betroffene werden schlichtweg oft nicht ernst genommen.

Das human-holistic-health-project soll helfen, wieder ein neues Selbstbewusstsein aufzubauen, ohne dass eine Überwindung dieser Krankheiten kaum möglich ist. Keiner der Betroffenen ist selbst schuld an seiner Erkrankung. Es sind Verletzungen, zu viel Stress, zu viel Gewalt in unserem Leben, auf das manche Menschen sensibel reagieren. Sie sind die Seismographen für Fehlentwicklungen in Politik und Gesellschaft. Wir können also viel von ihnen lernen, wohin sich eine Gesellschaft besser nicht entwickelt. Mental kranke Menschen werden durch rücksichtsloses Verhalten extrem chronifiziert und damit in gewisser Weise abgeschrieben. Wer sich gegen eine reine Einnahme von Medikamenten wehrt, gilt als unbelehrbar. Dabei hat jede Erkrankung einen Grund, der sehr virulent sein kann und der behoben werden muss. Dafür sollte der Betroffene primär diese Arbeit in die eigene Hand nehmen und sich nicht auf andere verlassen. Die Bewusstseinsarbeit kann mit anderen im Dialog oder auch alleine bewältigt werden, indem man sein Problem klar erkennt und in Worte fassen kann. Dies kann er also schriftlich tun oder auch im symmetrischen Gespräch. Was für den Einzelnen traumatisch gewesen ist, beruht auf einem subjektiven Erleben, das nach und nach objektiviert werden kann, wenn der Kern des Problems erfasst wurde. Dies kann jeder für sich leisten, denn er steht sich selbst am nächsten und besitzt dieses Wissen über sich. Dass solche Probleme nur in einer Therapie zur Sprache kommen können, ist ein Vorurteil.

Die Bewusstseinsarbeit ist ein Teil der Philosophie und der Psychologie, wobei auf Pathologisierungen weitgehend verzichtet werden sollte, denn eine Diagnose ist kein Existenzial, sondern eine zum Teil unannehmbare Simplifizierung komplexer Zusammenhänge, die analysiert werden müssen. Darum besteht die Empfehlung, täglich aufzuschreiben, was man gerade denkt. Auch expressives Schreiben kann hier zielführend sein. Sich selbst zu ergründen ist nicht Menschen vorbehalten, die vermeintlich gesund sind. Es gibt viele kranke Verhaltensweisen, die andere dann eben real krank machen, da sie zu Symptomträgern für kranke Verhältnisse geworden sind. Auch diese externen Verhältnisse müssen analysiert werden. Die Medizin und weitgehend auch noch die Psychologie  gehen davon aus, dass der kranke Mensch sein Problem nicht benennen kann oder dass das Unbewusste hier regiert. Bewusstseinsarbeit geht aber davon aus, dass es nichts Unbewusstes gibt, das nicht aufgedeckt werden könnte durch den Betroffenen selbst. Auch sogenannte oder vermeintliche Irrtümer führen zum Ziel, da es hier meistens um Symbole geht, die durch den Betroffenen selbst entschlüsselt werden können. Sicher, es ist ein anspruchsvolles Unternehmen, das aus der Philosophie stammt, die ja das Denken zum Inhalt hat und jedem zugänglich machen sollte. Jeder kann auch mit sich selbst in einen Dialog treten und erkennen, wie sein Problem aussieht. Nur dann kann er Maßnahmen ergreifen, die Veränderung bewirken. Mental kranke Menschen werden sehr in die Defensive gedrängt und zum Teil auch mundtot gemacht. Die Bewusstseinsarbeit ist eng an die Sprache gekoppelt und über dieses Instrument verfügt jeder.

Es geht also um einen Ansatz in der Heilung in Kombination mit anderen Bewusstseins- und Entspannungsmaßnahmen wie Meditation und Yoga. Da mentale Erkrankungen immer mit geistigen, seelischen und körperlichen Energieverlusten verbunden sind, ist es ratsam, auf alle Verhaltensweisen zu verzichten oder diese stark einzuschränken, die die Energie mindern. Deshalb wird zu einer asketischen Orientierung geraten, ohne dass das Genießen des Lebens dadurch zu kurz kommen würde. Geistige Energie und Klarheit stellt sich dann ein, wenn auf bewusstseinseinschränkendes Verhalten verzichtet wird. Das ist ein uraltes Wissen mit einer langen Tradition, die heute auch weitgehend bestritten wird, weil auch ein hohes Bewusstsein viele Selbstverständlichkeiten hinterfragt. Wie ein gutes und gelingende Leben bei hohem Bewusstsein aussieht, hängt von der individuellen Einsicht des Einzelnen ab.  Der kranke Mensch wurde in seiner Potenzialentfaltung oft tief gestört. Kann er diesen Faden wieder aufnehmen und zu seiner Ganzheit zurückfinden, hat er auch seine Krankheit überwunden. Mentale Krankheiten sind heilbar, aber wir haben das Wissen darum verloren oder nicht deutlich genug gewonnen. Und für Veränderungen jeder Art bedarf es enorm hoher Energien, die nicht verschleudert werden dürfen. Transformation gelingt dann, wenn alles klar und übersichtlich bleibt und vor allem die Hoffnung neu initiiert wird. Man begebe sich dann in die Nähe von Menschen, die Glaube, Liebe und Hoffnung wirklich leben und vermitteln können. Diese neue Zuversicht ist eine notwendige Bedingung für Heilung.

Internetseite:   http://mindethics.eu

Me Too und die Gewalt gegen Frauen

Wir Frauen dachten eigentlich, dass die Zeiten für uns besser geworden seien. Aber die Realität zeigt ein anderes Bild. Es geht nicht nur um physische Gewalt gegen Frauen, sondern auch um strukturelle und psychische Gewalt, deren Aufklärung oft schwierig und langwierig ist. Viele der betroffenen Frauen werden arbeitsunfähig und das ist das größte Problem, denn zu den traumatischen Gewalterfahrungen kommt die schwierige soziale Lage hinzu. Beides erfordert viel Kraft und Energie, um diese Hürden gegen ein gelungenes und emanzipiertes Leben zu beseitigen. Die Me Too Bewegung ist ein wichtiger Schritt hin zu mehr Offenheit, über Gewalterfahrungen zu sprechen und Täter auch öffentlich anzuklagen. Frauen suchen oft den schwierigen Weg einer Verständigung, um keine Fehler zu machen. Das ist aber nicht immer der klügste Weg, denn wenn Gewalterfahrungen schwerwiegende Folgen haben, dann kann es nicht nur bei einer Debatte bleiben und dem Wunsch nach Aufklärung. Wir sehen, dass selbst Richter des Supreme Courts offenbar schuldig und eben auch mit allen Wassern gewaschen sind, sich gegen berechtigte Vorwürfe zu wehren. Da werden Professorinnen als unglaubwürdig hingestellt und entsprechend zusätzlich gedemütigt.

Männliche Aggressionen sind allgegenwärtig und kommen immer wieder offen zum Ausbruch. Die damit verbundene Fassungslosigkeit in Zeiten angeblicher Gleichberechtigung und Selbstbestimmung darf Frauen aber nicht lähmen, nicht ohnmächtig machen. Auch Rechtsverletzungen gegen Grundrechte beinhalten Gewalt und Gewalterfahrung, die sich schädigend auf den gesamten Menschen auswirken kann, wenn die Aufarbeitung gezielt blockiert oder sogar unterminiert wird. Als Frau möchte man Klarheit und keine Unschuldigen verdächtigen oder anklagen. Sie sind aber zu defensiv und das wissen Männer. Die spekulieren auf die Aufgabe von Recherchen und investigativen Untersuchungen. Man sollte mal untersuchen, wie viele Karrieren von Frauen durch Männer ruiniert worden sind. Die haben aber durchaus kein schlechtes Gewissen, sondern beschuldigen die Frau als zu wenig karriereorientiert oder schlichtweg als unfähig oder noch schlimmer: Sie versuchen, den Spieß umzudrehen und so den Wunsch nach Aufklärung zu diskriminieren. Vertuschung hat viele Gesichter, ist aber in erster Linie männlich. Frauen gehen zu oft davon aus, dass Aufklärung ein gegenseitiges Bedürfnis ist. Sie wollen nicht wahrhaben, dass ihnen vormals vertraute Menschen so etwas angetan haben ohne jeden Grund, einfach um zu schädigen. Das sind Akte der Aggressionen, die vor allem dann in die Tat umgesetzt werden, wenn mit Gegenwehr kaum zu rechnen ist, weil auch der Durchblick in diesem Moment fehlt.

Das Bewusstsein von Frauen für Gerechtigkeit ist ausgeprägter als das des Mannes. Der leugnet im schlimmsten Fall alles und sucht sich dafür Mitstreiter. Das ist eine Frage des Machtmissbrauches, aber keine der Einsicht in die Notwendigkeit von Aufklärung und letztlich auch von Recht. Da werden dann auch Gesetze verabschiedet, die Menschen eindeutig zu schädigen beabsichtigen, obwohl es Alternativen gäbe. Auch das ist männliche Gewalt , die man überall in der herrschenden Politik finden kann. Daran konnte auch eine Frau als Bundeskanzlerin nichts ändern. Biografien von Frauen werden sich immer von denen der Männer unterscheiden. Und die Bürde der Mehrfachbelastungen werden sie wohl auch so schnell nicht los. Überall, wo nur männliche Maßstäbe angelegt werden, sollten Frauen aufbegehren und öffentlich auf diese Missstände hinweisen. Wer sich hier selbst zerfleischt, um es Männern recht zu machen, der hat den feministischen und emanzipatorischen Auftrag nicht verstanden. Im Zuge der Me Too Bewegung hat es aber auch einige Verhaftungen gegeben – ein kleiner Lichtblick in einem langen Tunnel der Gewalt gegen Frauen und deren Urteilsvermögen. Dieses kommt der Wahrheit nicht selten näher als alles männliche Ansinnen und Denken. Es gibt also keinen Grund, sich zu verstecken, sondern offensiv die Defizite zu nennen und sie auch anzuklagen, wo Ermittlungen gezielt behindert werden. Es geht nicht nur um Frieden, sondern um Aufklärung für mehr Gewaltlosigkeit in allen Bereichen unseres Seins. Aber eine dezidierte Sprache ist immer erlaubt und sogar notwendig, um etwas  zu bewegen.

Was bedeutet diese Bewegung aber für Mann und Frau? Ist es der Anfang eines Geschlechterkrieges oder der Anfang einer neuen Debatte über Grenzen und Einfühlungsvermögen. Männer müssen entschieden sensibler mit Frauen umgehen, denn deren gesamtes Leben ist den unterschiedlichsten Anforderungen ausgesetzt.  Aber auch Frauen sollten deutlicher Grenzen setzen und ihre Meinung deutlich äußern, wenn Männer sich an nichts halten. Deutliche Signale schützen auch manchmal vor Gewalt. Dafür bedarf es eben der Geistesgegenwärtigkeit, die man aber oft erst im Alter erreicht. Wir müssen also eine klarere Verständigung kultivieren und doch lernen, auf vieles gefasst zu sein. Ein generelles Misstrauen ist aber ebenso schädlich wie grenzenloses Vertrauen. Bleiben wir also auf dem Teppich und strengen uns trotzdem für mehr Gemeinsamkeit an.