Täglich sind wir mit Pauschalurteilen, Allgemeinplätzen und Propaganda konfrontiert. Die Geisteswissenschaften schaffen sich selber ab, wenn sie den Differenzierungsprozess unterlassen, der ein Teil einer freien Kultur ist
Kultur ist auch die Auseinandersetzung mit Andersdenken. Je höher der Differenzierungsprozess ist, je weniger wird falsch verstanden. Menschen wollen aber richtig verstanden werden, weil solche Auseinandersetzungen die Evolution möglich machen, die wir brauchen, um nicht von Maschinen dominiert zu werden und um Hass, Gleichgültigkeit und andere Aversionen zu vermeiden. Wo nicht differenziert wird, grassieren die Vorurteile und Falschinterpretationen. Es ist einfach nicht verständlich, dass von Geisteswissenschaften Repressionen ausgehen. Sie müssen den Wert der Meinungsfreiheit und der Erweiterung beschränkter Ansichten hoch halten, ansonsten werden sie weiter marginalisiert. Das kritische Bewusstsein darf nicht beschädigt werden, da von ihm Innovationen ausgehen, die die Entwicklung von Individuen ermöglichen. Die Kritik an dem Bewusstsein der Einzigartigkeit ist kein innewohnendes Isolierungsproblem, sondern eine Herausforderung allgemeiner und undifferenzierter Haltungen. Die moderne Kommunikation beschränkt sich auf den Smalltalk, vermeidet regelrecht tiefer gehende Gedanken, die aber für eine bessere Welt unerlässlich sind. Wir besitzen die Fähigkeit zur Differenzierung, setzen sie aber selten ein. Sie ist eine hohe Kunst des Denkens hinsichtlich der Ambivalenzen, Polaritäten und Widersprüche im Leben, die wir schlecht aushalten und die uns auch erkranken lassen.
Wir sind einzigartig
Es ist nicht nur die Meinungsfreiheit, sondern der Wunsch, höhere Einsichten zu gewinnen für ein Gelingen des Lebens. Gelungen ist das Leben, wenn der Sinn erkannt wird und eigene Ziele erreicht werden können. Darum ist es unerlässlich, den einzelnen Menschen anzuhören gegen das Errichten von Mauern durch Falsch- und Allgemeinurteile. Manche Menschen besitzen die Gabe zur Schau des Seelischen. Möglich wird dies durch genaue Beobachtung, die nicht von subjektiven Beschränkungen geleitet wird. Es gibt die Fähigkeit zur Objektivität. Wer nur das Eigene berücksichtigt, wird nicht erleuchtet durch die Erreichung hoher Zustände des Bewusstseins. Es gibt aber auch ein Interesse an der Verunmöglichung solcher hohen Einsichten, weil wir hier sehr kritisch werden in Bezug auf die vermeintlichen Sicherheiten, die wir für einen Konsens halten. Das Leben will aber immer neu bedacht werden und in den Wandel treten, der uns vor Erstarrung bewahrt. Differenzierungen schützen uns vor der gedanklichen Sackgasse. Sie sind in der Lage, auch den eigenen Standpunkt zu hinterfragen und von vielen Seiten zu beleuchten, um Parallelen zu erkennen, an die wir anknüpfen können. Wenn der Geisteswissenschaftler dazu nicht in der Lage ist, bleibt der Verdacht, dass das freie Denken eigentlich nicht gewollt ist, weil es so viel in Frage stellt, was wir als selbstverständlich betrachten. Viele Menschen leiden darunter, dass sie nicht verstanden werden und dass ihr Umfeld kein reflexives ist. Jeder wünscht sich den Denker, der sich hineinversetzen kann, um zu befreien. Die Lösung von Problemen gelingt aber auch durch eigenes Denken, das sich der Unzulänglichkeit anderer bewusst wird und sich entsprechend vorerst auf sich selbst verlässt gegen die Ausbremsung von Gegnern, die ihre Glaubenssätze nicht hinterfragen und lieber über Leichen gehen. Sie verachten, was selbständig denkt und handelt. Differenzierung achtet aber die Einzigartigkeit und will ihr gerecht werden.
Abschaffung einer Schädigungs-„kultur“
Differenzierungsprozesse sind langwierig, aber sie schaffen freie Räume für neue Einsichten, Kreativität und einen intensiveren Umgang miteinander. Diese freien Räume sollte sich jeder erarbeiten, um den faulen Kompromissen zu entkommen und mehr Fülle ins Leben zu bringen. Gerade angesichts der Technisierung unseres Lebens sind wir aufgefordert, unseren Horizont zu erweitern und nicht aufzugeben, eine humanere Welt zu erschaffen, die frei ist von Hass und Gewalt. Hier wurde der empathische Differenzierungsprozess ausgesetzt, den wir für eine offene und gesunde Gesellschaft benötigen. Jeder Mensch ist ein Unikat und muss sich die Vergesellschaftung auch selber aussuchen dürfen, ohne aber auszuschließen oder zu diffamieren. Kultur verbindet und schafft damit die Voraussetzung für ein Miteinander, das immer weniger schädigt, wenn es unterschiedliche Positionen gibt. Wer heilt hat recht und wer schädigt ist im Unrecht. Eine Schädigungs-„Kultur“ ist dumm und überhaupt nicht reflektiert. So werden wir das Negative nicht los. Sie setzt sich dann wie ein Geschwür gegen die Lebendigkeit durch und verdirbt das Leben. Wir sind alle auf Differenzierungen angewiesen, weil sie in der Lage sind, unser Wesen zu erfassen gegen alle schäbigen Vorurteile, die Menschen nur belasten. Differenzierung setzt auch immer Distanz zu sich selbst voraus. Nur hier werden wir auch anderen gerecht. Wer das nicht vermag, der will auch nichts erkennen, sondern in seiner Echokammer verharren. Was viele nicht wahrhaben wollen: Es kommt auf jeden Einzelnen an, der sein Umfeld dadurch transformiert, indem er differenziert und auch die Einzigartigkeit betrachtet und erfasst für eine bessere Welt. Wir werden krank, wenn dieser Prozess verhindert wird oder vielmehr verhindert werden soll. Eigentlich ist er aber nicht zerstörbar, wenn er sehr bewusst eingesetzt wird auch gegen vermeintliche Geisteswissenschaftler, die real nur über Leichen gehen, um ihren eingeschränkten Standpunkt verhärten zu können.

Eigentlich waren wir schon mal weiter im sozialen Miteinander, aber einige Menschen und die Politik setzen auf das Scheitern, um eine Gesellschaft in Schach zu halten.
Machen wir uns nichts vor: Wir sind weit entfernt von einer Hochkultur, die mit Komplexität angemessen umgehen kann und offen ist für die Korrekturen
Es bekämpfen sich die Rechts- und Linksintellektuellen und sind sich doch in der Kälte ihrer Schlussfolgerungen und Maßnahmen sehr ähnlich.
Schon in der Schule wird das eigene Denken kaum befördert. Das Tragische ist, dass es in der akademischen Philosophie und auch in anderen Bereichen so weitergeht. Vieles in der Ausbildung ist Dequalifiation
Modernes Priestertum ist möglich und wird praktiziert
Heute wird viel von Degrowth und Postwachstum im Materiellen geredet, obwohl seelisches Wachstum den Menschen befördert – psychisch und spirituell
Reine Vernunft führt nicht selten zu falschen Interpretationen und Analysen. Die Philosophie ist eine Männerdömäne und eine gehirnmäßig linkslastige Angelegenheit. Die Wahrheit verfehlt sie nicht selten und schafft auch Probleme, die eigentlich keine sind. Sie widerspricht oft der Ganzheitlichkeit des Menschen. Für die Wahrheit brauchen wir Gefühle, Intuition und Empathie der reinen Liebe. Wer in der Liebe lebt, macht weniger Fehler und verirrt sich nicht im Dschungel der Unwahrheit und fehlenden Wahrhaftigkeit. Reine Liebe ist keine Berechnung und keine Begierde. Hier können wir unseren Lebensmenschen finden, nach dem sich viele sehnen. Die Vernunft stellt oft falsche Zusammenhänge her, weil ihr die Erdung über die Liebe fehlt. Reine Liebe will die Wahrheit und nichts als die Wahrheit. Sie ermöglicht den Durchblick, den wir brauchen, auch um unheilvolle Gedanken zu korrigieren. Philosophen leben nicht selten in der Unwahrheit, in der Verfehlung der eigenen Gefühle. Authentizität und Identität erschließen sich nicht durch reines Denken. Die Liebe verleiht uns Selbstbewusstsein gegen den ewigen Zweifel der Vernunft. Auch Sokrates, der uns aufklärte über unsere Irrtümer und die Liebe zur Wahrheit thematisierte, musste sterben wegen Unfähigkeit von Menschen, seine Absicht zu erkennen, nichts einfach so hinzunehmen, sondern nachzudenken in der reinen Liebe zur Wahrheit. Hier bedarf es des ganzen Menschen, ohne etwas abzuspalten. Die Götter hat Sokrates ignoriert, er wollte das Menschsein befördern, das sich der Wahrheit annähert ohne Orthodoxie.
Die Einheit von Ost- und Westdeutschland wird seit 30 Jahren gefeiert, die Mauer der Ideologien ist verschwunden. Aber in den Köpfen des Volkes wurden neue Mauern errichtet und diese unsichtbaren Trennungen, die das Gemüt belasten, wirken weiter. Wer solche Mauern hochzieht, will sich nicht ändern, sich nicht entwickeln und reifen. Wir haben es wissenschaftlich weit gebracht, aber etwas ist auf der Strecke geblieben und löst tiefes Unbehagen aus, weil es nicht gelungen ist, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren und den humanen Fortschritt weiterzuführen für ein besseres Verständnis. Alles scheint politisch korrekt zu sein, aber das unfähige Aus- und Abgrenzen zieht sich fort in einem Beschuldigen für das Leiden, für das sich niemand entschieden hat. Dabei wäre es so leicht, einfach zuzuhören, was jemand zu sagen hat, worin sein Leiden eigentlich besteht und was dagegen unternommen werden kann. Nach dem Mauerfall traten nach kurzem Glück Misstrauen, Denunziation und Verleumdung bei entsprechender Kontrolle wieder auf. Beide Seiten vertrauen sich nicht mehr und befürchten weitere Verletzungen der Würde, der Nichtanerkennung des jeweils eigenen Lebens.