Der Planet der Dicken

Adipositas ist längst eine Volkskrankheit und leider auch eine des Bewusstseins. Fast jeder weiß, dass das viszerale Fett Diabetes, Arterienverkalkung, Bluthochdruck und sogar Demenz sowie andere schwere Erkrankungen wie Krebs verursachen  kann. Und dennoch wird mehr gegessen, als der Körper braucht. Dicke verlieren das gesunde Körpergefühl und halten ihr Übergewicht für normal. Aber hinter dem Dicksein stecken oft tiefe Probleme, die man durch Bewusstseinsarbeit klären könnte. Was will ich wirklich vom Leben  und welche Leute versuchen, mir Türen zu verschließen, anstatt Möglichkeiten zu eröffnen. Es gibt nicht nur Einsichtige da draußen, die zu Rücksicht fähig sind. Viele durchschauen die meisten Zusammenhänge auch nicht. Sie sind vielleicht gute Rationalisten, aber sie begreifen den Menschen nicht. Rationalismus hat Grenzen, der Homo oeconomicus ist Gott sei Dank eine Utopie. Im Grunde wollen und brauchen wir den homo empathicus, der den ganzen Menschen erkennt und all seine Facetten sieht, die ihn in seiner Einzigartigkeit ausmachen. Der Dicke hat aufgegeben, seine innersten Wünsche nach Anerkennung zu erinnern und danach zu handeln. Immer weniger Menschen finden also einen Kontakt zu sich selbst und scheitern dann im Umgang mit anderen.

Das Zuviel an Nahrung ist ein Tod auf Raten, wie wir heute wissen. Da tut sich jemand nichts Gutes, sondern schadet sich und seiner Gesundheit. Das zu wissen kann ein erster Schritt sein in Richtung Heilung. Hier ist es sinnvoll zu realisieren, dass Menschen auf dieser Welt an Hunger sterben. Der Dicke, der krank wird durch Nahrung, könnte sein Budget für Ernährung halbieren und die Hälfte an die Hungerhilfe spenden. So tut er in zweierlei Hinsicht etwas Gutes und ist vielleicht auch mal bereit, eine heilende Fastenkur einzulegen, um den Stoffwechsel zu normalisieren. Dünn wird man nicht im Schlaf, sondern nur durch Bewusstseinsarbeit, die Persönliches und Globales miteinander verbindet und zu einem neuen Denken führt. Die Welt kann wieder in ein Gleichgewicht kommen, wo Menschen beginnen, ihr Herz zu heilen, indem sie sich für die freundschaftliche Liebe öffnen und das Vertrauen wieder lernen, es dann aus eigener Kraft schaffen zu können. Und Yogaübungen führen wieder zu einem gesunden Körpergefühl der Energie und der Beweglichkeit mit dem seelischen Nebeneffekt der Gelassenheit.

Essen kann glücklich machen, wenn man es sehr reduziert und sich nicht jeden Tag alles gönnt. Der Dicke muss lernen, Bedürfnisse aufzuschieben, aber soll sich die nicht für immer versagen. Letztlich ist hier weniger mehr und Qualität entsteht durch den zeitweisen Verzicht. So wird die Kartoffel mit Kürbiskernöl zur Delikatesse. Der sogenannte Jojo-Effekt tritt nur dann ein, wenn keine Bewusstseinsänderung stattgefunden hat und der Betroffene nach einer Diät wieder viel zu viel isst und sich dann in Fitnesscentern abstrampeln muss. Dafür haben viele Menschen einfach keine Zeit und kein Interesse.  Wenn der Dicke also die grundlegenden Fragen seines Lebens nicht wirklich klärt, wird er dick bleiben. Wen die Bewusstseinsarbeit, der Dialoge einschließt, überfordert, der kann auch einen Therapeuten für die Selbsterkenntnis aufsuchen oder er schaut im Umfeld, wo ihm eine Hand gereicht wird für die Erreichung eines langen und gesunden Lebens und um alte und belastende Probleme aufzulösen in Liebe und Verständnis. Das Leben wird eher komplizierter und belastender auch angesichts globaler Probleme. Also schaffen wir uns nicht auch noch so unnötige wie Adipositas.

Vergebung und Versöhnung

Die Kirche spricht im Vaterunser täglich davon, wie wichtig Vergebung ist. Aber es ist da nur so dahingesagt, der Weg dorthin ist schwierig, denn zur Versöhnung gehören immer mindestens zwei Menschen. Verweigert der Eine den Dialog, bleibt der Andere ratlos und belastet. Meistens will derjenige, der die Antworten verweigert, denjenigen weiter verletzen, der ohnehin schon verletzt ist. Es scheint, dass der Unversöhnliche weiter belasten will und kein Interesse hat an Aufklärung und Verständigung. Man muss ihm die Möglichkeit geben, über seine eigenen Verletzungen zu sprechen. Manche Belastungen machen krank, verursachen Schmerzen, auch gerade weil man weiß, dass man bezüglich Vergebung den Anderen braucht. Versöhnung heißt nicht, dass ich alles ungeschehen machen will, sondern ich kann es aushalten, ertragen, was geschehen ist, weil ich weiß, dass versöhnliche Worte heilen, dass jahrzehntelange Auseinandersetzungen, wenn sie auch einseitig gewesen sind, zu einem friedvollen Ende kommen können und die Betroffenen sich wieder als die Menschen wahrnehmen, die sie sind gegen all die Unterstellungen, Missverständnisse, Verunstaltungen, falschen Einschätzungen, Beleidigungen und Vorurteile hinweg. Die quälen Menschen regelrecht und rauben einen wichtigen Teil der Energie, die man braucht, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen und sich weiter in Richtung Gesundheit zu entfalten. Wahres Wachstum ist erst nach Versöhnung möglich. Wenn zwei Menschen sich geschadet haben, kann kein Gott die Notwendigkeit ersetzen, dass sie sich versöhnen, um frei zu werden, auch wenn sie deswegen längst nicht in allem einer Meinung sind.  Alles schaukelt sich auf, wenn ein versöhnliches Ansinnen immer wieder abgelehnt wird und die Leidtragenden sich nicht an das ehemals freundschaftlich Gute erinnern, das sie verbunden hat. Rüdiger Dahlke meint, dass eine direkte Auseinandersetzung immer einer Therapie vorzuziehen ist. Aber dazu gehört ein hohes Vermögen und viel Wohlwollen.

Natürlich kann man sagen, ich habe mich in dem Anderen geirrt und er ist nicht das, was ich in ihm gesehen habe oder sehen wollte. Er ist nicht der kommunikative und offene Mensch, der sich verständigen will, von dem aus man vergeben könnte. Da geht es an das zutiefst Menschliche von uns allen, die Verletzung des  inneren Raums betreffend, in dem wir geachtet und geliebt werden wollen. Die Weiterbeschädigung des inneren Raumes durch anhaltendes und enges Verweigern von Versöhnung und Kommunikation, weil man heute vielleicht anderweitig gebunden ist, bedenkt nicht, dass diese Verletzungen und auch das Verletzen überall hineinwirken, tiefe Begegnungen sogar unmöglich machen, weil da jemand die Tür geschlossen hat durch seine Verweigerungen. Das ist kein Thema, das man allein mit einem Gott ausmachen oder glauben könnte, man sei von Gottes Gnaden erlöst. Die Kraft zur Vergebung kann von Gott kommen wie auch der Wille zur Versöhnung. Aber umsetzen müssen wir das schon selbst. Wir Menschen haben das Potenzial, uns zu heilen und uns die Kraft zurückzugeben, die wir brauchen für das tägliche Leben sowie auch für die Selbstheilungskräfte. Dass etwas scheitert im Leben ist nicht das Schlimmste, aber wenn man dieses Scheitern nicht in eine höhere Form der Begegnung und Auseinandersetzung transformieren kann, bleibt es virulent. Ignoranz ist kein wahrer Friede, sondern vielleicht sogar der verletzendste Affront.

Dieser sehnliche Wunsch nach Offenheit und Versöhnung in der Hoffnung, dass man wieder diese tiefe Ergriffenheit in manchen Situationen empfinden kann, in denen Gott sehr nahe ist und die gesamte Verunstaltung durch einen anderen Menschen aufgehoben ist. Aber das reicht nicht.  Keine Maxime, keine politische Haltung, keine Moral kann ein Hindernis darstellen für den Wunsch nach Versöhnung, der aufhört, dem Anderen Schlechtes anzudichten. Und hier sind Unversöhnliche sehr produktiv und scheuen nicht davor zurück, selbst Opfer zu beschuldigen.  Aber es hilft ihnen nicht bei der Bewältigung, sondern vergiftet sie selbst. Ist es so schwer, wieder sehenden Auges zu werden und wieder einen Menschen zu entdecken, der unter den Verkennungen und Fehleinschätzungen vielleicht zerbrochen ist, aber der noch immer in der Tiefe seines Herzens im Licht steht. Wenn wir dieses Licht im anderen sehen, erkennen wir den Frevel der Beleidigungen und der verletzenden Worte.

Es geht nicht darum, Entscheidungen, die jemand getroffen hat, revidieren zu wollen, sondern es geht darum zu erkennen, dass sich zwei Menschen (oder einer dem Anderen)  etwas angetan und die Realität völlig aus den Augen verloren haben. Versöhnung bringt die Realität zurück, so dass Achtsamkeit wieder Platz hat im Umgang miteinander und man das Unterscheidende ruhiger thematisieren kann. Daran hängt nicht mehr der ganze Mensch, es steht nicht immer alles auf dem Spiel, sondern ich kann differenzieren. Ich erinnere mich dann auch immer an den inneren Raum des Anderen, der nicht verletzt werden will und darf. Diese innerste Selbstgewissheit darf man  niemandem nehmen. Und wenn etwas unklar ist, dann bleibt man vorsichtig und respektvoll und versteht den Wunsch nach versöhnlicher Beendigung eines langen Kampfes um Verstehen und um Aufklärung von schwer verletzenden und schädigenden Begebenheiten, für die man dann einen Anwalt braucht, wenn unrechtes Handeln nicht als solches begriffen wird. Wer meint, sich schädigend in die Lebensführung anderer Menschen einmischen zu dürfen, dem sollte man deutlich die rote Karte zeigen. Das hat meistens auch eine gesellschaftspolitische Komponente, die unser Zusammenleben besser regeln muss. Hier geht es um Fortschritt im Humanen.

Es reicht durchaus nicht, zur Beichte zu gehen und zu glauben, damit sei nun alles erledigt. Das ist unglaublich naiv. Zur Vergebung gehören immer zwei Menschen, die sich nicht übergehen, sondern die sich annehmen als eine Herausforderung zu Wachstum und Einsicht. Es ist doch gottgewollt, dass Menschen sich aus ihren  gegenseitigen Gefängnissen befreien. Das Gefängnis der Verkennung ist eine schwere Belastung des Herzens. Dass ein Mensch, der einem mal etwas bedeutet hat, den Versuch einer Versöhnung immer wieder ausschlägt, verrät sein verhärtetes Herz und meistens auch seine Schuld. Da ist nichts mehr im Fluss. Der Mensch ist Mensch, weil er vergibt, vergeben will, aber dafür auf Entgegenkommen angewiesen ist. Alles andere ist wieder nur eine Verletzung oder eine Eintagsfliege, die nichts Grundsätzliches verändert. Wenn der Andere anfängt zu verstehen, worunter jemand leidet, wird er seine Befürchtungen, etwas könnte gegen seine Entscheidungen und gegen seinen Willen geschehen, aufgeben und durchatmen, bis sich die guten Empfindungen wieder einstellen und es möglich erscheint, dass vieles in Ordnung kommt. Vergebung ohne Versöhnung ist schwer möglich. Dafür müssen sich beide Parteien verstehen und ihre Kränkungen benennen.

Johnny Cash erinnert in seinem Lied One daran, dass wir alle Schwestern und Brüder sind und uns in dieser Liebe gegenseitig tragen können für ein harmonisches Miteinander. Dafür müssen wir miteinander sprechen.

https://www.youtube.com/watch?v=CGrR-7_OBpA&start_radio=1&list=RDCGrR-7_OBpA&t=0&pbjreload=10

Die reaktionäre Rede von Exzellenz

Wir werden mittlerweile mit einer Horde der gute Noten Schreiber konfrontiert, die an der Universität dann so weitermachen, um sich vom so genannten Pöbel der Nichtstreber zu unterscheiden im Wettkampf um die besten Stellen. Aber was sich heute Exzellenz nennt, ist noch lange nicht die Geisteselite, es ist die Streberfraktion, die das wiedergibt, was man ihr eingetrichtert hat. Eigentlich kann sie auch nichts anderes. Entsetzt ist man schon in Interviews mit denjenigen, die sich zur Exzellenz zählen. Auf komplexe und schwierige Fragen werden platteste und simpelste Antworten gegeben. Man hat weder gelernt, dialektisch zu denken, noch seine Statements zu relativieren angesichts doch sehr umfangreicher Kontexte und diffiziler Inhalte. Das Differenzierungsvermögen läuft gegen Null. Man kennt solche Antworten vor allem aus der absolutistischen CSU, die es ja noch nie nötig hatte, Dinge differenziert zu sehen. Dieses Differenzierungsvermögen ist trotz der immer neuen Etikettierungen von Streberleistungen abhanden gekommen. Da bedienen heute junge Wissenschaftler, ohne mit der Wimper zu zucken, schlimmster Vorurteile und liefern so weitere Berechtigungen für politisch eindimensionales und sogar schädigendes Handeln. Sie sind Sprachrohre einer dumpfen Politik geworden um der Karriere willen. Die Politsprache hat sich ihren Weg in die Wissenschaft gebahnt und gibt sich hier den Anschein von Exzellenz, die qua ihrer Institutionalisierung Kritik von vornherein unterminiert und damit den Dialog auf Linie zwingt. Exzellenz ist lediglich die dekorierte Karriere des Mittelmaßes.

Dass Politik kein intelligentes Unternehmen ist, dürfte hinlänglich bekannt sein. Dass aber Parteipolitik sich institutionalisiert und die Wissenschaft beherrschen will, indem sie nur noch das Konforme zulässt, ist ein Angriff auf die Demokratie. Hinter dem Exzellenzbegriff verbirgt sich der Wille zur Macht, zur Abgrenzung vom Rest der Menschheit, den man als untauglich einstuft im Sinne eines weiter zementierten hierarchischen Systems, das Menschen kategorisiert, anstatt einen heterogenen und flexiblen Wachstumskontext zu etablieren, der es Menschen ermöglicht, sich je nach Lage weiterzubilden und aufzubauen. Wir wissen heute , dass IQ und Noten nicht korrelieren müssen.  Und es gibt wichtige Begabungen wie beispielsweise die Menschenkenntnis, die man nicht lernen kann, aber die einige Menschen besitzen. Sie erkennen Zusammenhänge durch Intuition und Kombination. Aber es sind viele andere wichtige Begabungen, die die Schule überhaupt nicht abdeckt und die man sich nach dem Schulunterricht aneignen und kultivieren muss, was auf Kosten der ach so guten Noten geht. Einstein war ein denkbar schlechter Schüler, aber einer der intelligentesten Menschen dieser Welt. Erklärt hat man sich das, indem man ihn pathologisiert hat. D. h. wer sich nicht an den Schulstoff anpasst, ist krank (derzeitiges Exzellenzwissen…). Viele aber sind anderweitig interessiert, lesen komplexere Bücher, machen sich Gedanken, die die Schule nicht einmal annähernd aufgreift. Genialität lässt sich nicht aneignen. Man hat sie oder man hat sie nicht. Und sie ist alles andere als konform. Kein Ausbildungssystem wird Genialität erkennen, da es sich der Konvention widersetzt. Dieses konventionelle Denken  ist oft dumm und falsch, es schärft nicht das Urteilsvermögen und dient denjenigen, die sich ständig profilieren müssen, als Selbstbestätigung. Sogenannte Exzellenz, die dem alten Leistungsbegriff der Quantität unterliegt,  und niedere Instinkte liegen nahe beieinander.

Es wird Zeit, Menschen anders zu sehen und über andere Schulen nachzudenken, die viel stärker auf das individuelle Potenzial eingehen können, das wir in Zukunft verstärkt brauchen, denn das Meiste, was in der Schule gelernt wird, können Computer einfach besser.  Bildung ist nicht Wissen und Weisheit ist nicht Bildung. Es fehlt leider auf der ganzen Linie die Einsicht und die Weisheit, dass viel Intelligenz brach liegt und gebrochen wird. Das liegt an ungeeigneten Lehrern und an einem völlig überalteten Bildungssystem, das sich nicht eingestehen will, dass Intelligenz keine feste Größe ist, sondern von Förderung, von Sympathien und anderen Subjektivismen abhängt. Wer in einer Fernsehsendung als Professor behauptet, zunehmdende psychische Erkrankungen bei Jugendlichen hätten etwas mit mangelnder Intelligenz zu tun, den sollte man umgehend entbeamten. Diese (CSU) Politik der Verblödung hat ein großes Interesse an einem Gefälle, dem real nicht viel entspricht. Schule macht dumm und wer  kennt nicht die vielen, die gute Noten geschrieben haben, aber nicht komplex denken können. Sie erfassen keine Zusammenhänge und richten in der Gesellschaft großen Schaden an durch fehlendes Urteilsvermögen.  Hinter dem Begriff der Exzellenz steckt nun der Versuch, ein sinkendes Schiff zu retten. Für den Klassenerhalt gibt es wenig gute Gründe, denn vorangebracht haben uns ohnehin nur die wirklich Genialen und die kann keiner erfassen. Es sind diejenigen, die sich durchsetzen trotz dümmster Konventionen und himmelschreiender Vereinfachungen, die dann nur noch Falsches generieren.  Und so kommt es, dass geniale Autodidakten fundierter argumentieren und den Bluff der Blender demaskieren. Leider sind die Medien immer seltener in der Lage, Schwachsinn von Geist zu unterscheiden, denn auch hier zieht die Generation der Bulämielerner und der inhaltslosen Studiengänge ein.

Und.: Genialität und Intelligenz sprechen für sich. Da verweist man nicht auf gute Noten, sondern auf die Einsicht, dass das Maß der Dinge eben nicht die Selektion ist, sondern die Offenheit für Querdenken, Andersdenken und Zweifel, der jeden Dogmatismus hinterfragt.  Wo der Zweifel stirbt und einfache scheinbare Wahrheiten kommuniziert werden, sollte der Denkende hellhörig werden gegen einen zunehmenden Sozialdarwinismus der Platt- und Falschheiten. Aber viele, die sich zur Exzellenz zählen, entlarven sich in ihrer Dummheit selbst und das freut dann den Kritiker.

 

Wachstum ermöglichen

Schopenhauer wusste, dass die meisten Beziehungen aus Selbstsucht geschlossen werden. Da kauft man der Freundin Goldketten für die erwiesene Gunst, anstatt sich zu fragen, was dieser Mensch braucht, um zu wachsen und zu sich selbst zu finden. Die Idee, dass man nur durch einen anderen zu sich selbst käme, entspricht nicht der Realität. Ein Partner unterliegt der Selbstsucht des Eros und ordnet meistens alles andere dieser Haltung unter. Die eigenen Bedürfnisse stehen also im Vordergrund. Nicht selten ist dieser Egoismus dann an Narzissmus gekoppelt. Man akzeptiert nur das Eigene im anderen und empfindet das Verschiedene als Bedrohung und selten als Bereicherung, als eine Herausforderung für Entwicklung. Ja, der Mensch ist schwach und will so gar nicht stärker werden im Laufe des Lebens, zu bequem ist der Weg der Eliminierung von Unterschieden. Aber die gibt es trotz aller Gleichheit und wird dann als Gefährdung erlebt, wenn die verantwortungsvolle Liebe für den Anderen nicht in den Vordergrund tritt auch auf die Gefahr hin, dass Trennendes entsteht und man neu beginnen muss mit der Liebe und dem Vertrauen. Wachstum und Entwicklung gehören zu den gesunden Bedingungen menschlichen Daseins. Wo der Mensch unterdrückt oder gewalttätig in  ein Korsett gezwängt wird, fehlt es an Selbstbewusstsein des Verursachers, der selbst den Partner nicht in die Freiheit des Selbstseins entlassen kann, weil er gesellschaftliche Zwänge internalisiert hat und alles auf eine Linie bringen möchte. Wer sich entfaltet hat, gönnt auch anderen die Entfaltung des eigenen Potenzials. Und nicht jeder Weg ist ebenmäßig.

Viele Beziehungen werden beendet, weil der Reiz des selbstsüchtigen Eros erlahmt und an diese Stelle keine tiefe seelische Liebe getreten ist. Menschen sind nicht in der Lage, den Anderen als Herausforderung zu erkennen, selbst zu wachsen und zu reifen. Dieser Prozess ist nie abgeschlossen, kann sich bis ins hohe Alter fortsetzen, wenn man durch die Einzigartigkeit eines Menschen fasziniert bleibt und er auch dadurch den Erfolg durch Inspiration im Leben hat, den er sich wünscht. Nicht Neid und Missgunst vergiften die Partnerschaft, sondern liebevolle Freundschaft des Verstehens der wahren Bedürfnisse nach persönlichem Wachstum bei entsprechenden Erkenntnissen. Wenn ich die Schwäche im anderen entdecke, muss ich nicht überheblich werden, sondern begreifen, wo die eigene Schwäche liegt, die den Anderen wahrscheinlich auch irritiert. Jeder Mensch hat Schwächen, sie an sich selbst zu leugnen ist extrem unreif und wenig reflektiert. Der Eros als solcher ist nicht in der Lage, Ordnung zu schaffen, die wir Menschen brauchen, um die Sicherheit zu gewinnen, dass auf den anderen Verlass ist. Wenn ich die eigenen Bedürfnisse also zurückstellen kann, damit der andere sich entfaltet, bin ich auf einem guten Weg zu wahrer Liebe, die geben kann und nichts wegnimmt.  Nimmt man dem Anderen die eigenen Chancen, beruht dieses Verhalten nicht nur auf überdimensionaler Selbstsucht, sondern auf Verachtung und ist damit das Gegenteil von Liebe. Ich will den Anderen nur so akzeptieren, wie ich ihn mir vorstelle, aber nicht, wie er ist in seinem Suchen und seinem Zweifeln.

Es ist der liebevolle Wunsch, den Anderen wirklich zu erkennen und zu erfassen, anstatt ihn zu unterwerfen. Wer unterwirft, der hat selbst ein Problem mit der Macht. Geiermäßig hackt er in den Unzulänglichkeiten anderer herum, ohne die eigene zu antizipieren. Dieses Eingeständnis macht vorsichtig, gütig und großzügig. Die Güte eines Menschen erkennt man also nicht an seiner Selbstsucht, sondern am Verstehen dessen, was dem Menschen widerfahren kann, wo er sich durcharbeiten muss, um nicht den Halt zu verlieren. Jemandem den Halt im Leben zu nehmen ist ein brutaler Akt der psychischen Vergewaltigung. Man dringt erst in den innersten Raum eines Menschen ein und zerstört dann diese innere Burg wie ein Trojaner, weil der Andere nicht das tut, was man von ihm erwartet. An diesem Punkt sucht jeder gesunde und entwickelte Mensch das Gespräch, die Verständigung, anstatt einen Schaden zu verursachen. Wahre Liebe kann gar nicht schädigen, so sehr ist sie vom anderen ergriffen und ein Teil seiner Sorgen und ein Teil seiner Sehnsucht nach der Harmonie des Selbst- und Mitsein, das in ständigem Dialog sich an ein Ideal annähert, das trägt und erkennt. Wer also seinen Partner erschauen kann, der erfährt auch das Glück tiefer Dankbarkeit und Erlösung. Der nicht zu sich selbst Gekommene ist eine Belastung für die Gesellschaft, weil er in Bezug auf andere ausgrenzend, restriktiv und repressiv wird.

Die selbsternannte Elite

John Stuart Mill meinte einmal, es sei besser, ein unzufriedener Mensch zu sein als ein zufriedenes Schwein. Die meisten arrangieren sich mit den Unzulänglichkeiten und pflegen ihren Hedonismus. Was geht sie auch die Welt da draußen an. Auch wenn man sie auf Missstände aufmerksam macht, verunglimpfen sie nur die Kritiker. Dass solche Bequemlichkeiten überhaupt möglich sind, liegt an einem System, das man auf der ganzen Linie als überholt bezeichnen muss. Universitäten sind heute nur noch Sprachrohre des Mainstreams. Das kritische Vermögen wurde abgeschafft, die Studenten werden mit Inhalten bombardiert, die kein Nachdenken mehr zulassen. Dem vermeintlichen Wettbewerb wurde alles geopfert und entsprechend verhalten sich nun auch die Professoren, die ja als Beamte wenig zu einem reflektierenden Klima eines besseren Urteilsvermögens beitragen, sich aber doch als die Elite bezeichnen. Nun die Denkelite bewegt sich heute außerhalb der Universitäten. Und die wenigen Ausnahmen haben es nicht leicht, denn weder Wirtschaft noch Politik will diese subventionieren.

Massenuniversitäten bezeichnen sich gerne als Eliteuniversitäten, die die vermeintlich Besten ausbilden will. Aber wer sind die? Es sind diejenigen, die schon in der Schule brav das gemacht haben, was man ihnen vorgesetzt hat. Eigeninitiative in der Schule wird bei diesem Ausbildungssystem oft zum Problem. Wer zu viel Persönlichkeit zeigt, kann unter die Räder kommen, weil schon die Schule auf Eigenarbeit nicht vorbereitet ist. Nun geht es in der Universität weiter so. Es wird gestrebt im Kampf um die besten Noten für den Zertifizierungswahn. Andere, die viel Eigenitiative zeigen, werden in der Universität gebrochen, weil man auf die Besonderheit von Menschen nicht eingehen gelernt hat. Dafür bedarf es Menschen, die Menschen einschätzen und ihr Potenzial erkennen können.  Wer an solchen Schulen gewesen ist, wo dieses Vermögen auch eingesetzt wurde, darf sich glücklich nennen. Kreative und produktive Menschen haben es eher schwer auf solchen Schulen und Universitäten, sie sind es aber, die die Menschheit voranbringen. Die Professorenlaufbahn bleibt ihnen oft versagt, weil die mit enormen – wohl auch verbiegenden – Anpassungsleistungen verbunden ist. Viele innovative Unternehmer meiden daher die Universität, weil sie auf Potenzial nicht reagiert, sondern Leistungen bewertet, die eben nicht innovativ sind.

Wohin also bewegt sich ein Land, das Bildung und Kreativität einem spezialisierten Wissen opfert? Müssen wir nicht Leistung neu definieren und einen erweiterten Bildungsbegriff einführen, um die Gesellschaft zu öffnen für neue Projekte und für neue flexiblere Strukturen, die auch denjenigen gute Chancen anbieten, die sich nicht mit alterhergebrachtem Wissen abfinden möchten? Eine Gesellschaft, die nur noch das Gleichartige akzeptiert, verliert die Kraft der Innovation und das Urteilsvermögen, für das man sehr viel tun muss. Und nur Menschen, die selbst sehr kritisch denken, erkennen das Potenzial zur Erneuerung bei anderen und müssen nicht selektieren, sondern integrieren in einen Kontext der Vielfältigkeit. Dafür bedarf es starker Charaktere, die ein reines Anpassungssystem nicht hervorbringt. Und was passiert, wenn menschliche Schwäche überhand nimmt, wissen wir Deutschen im Besonderen. Elite integriert, motiviert, erkennt Potenziale, kommuniziert  und verzichtet auf jede Art von Schädigung.  Elite findet gute und affirmative Lösungen für Probleme und geht nie den Weg  der Diskreditierung und nie den Weg der Gewalt.  Davon sind wir in Deutschland allerdings weit entfernt.

Die Vergiftung der Politik durch negative Anthropologien

Medial scheint es mal wieder Mode zu sein, denjenigen das Wort zu erteilen, die ein schlechtes Menschenbild propagieren. Das Böse würde in uns allen lauern und sein Unwesen ständig treiben. Politisch bedienen sich die reaktionären Parteien gerne und ausgiebig dieses negativen Denkens und wollen in diesem Sinne immer wieder restriktive und repressive Gesetze erlassen. Befürworter dieser Haltung gibt es viele auch unter denen, die es besser wissen müssten aus Vernunftgründen, denn die Realität gibt diesen Pessimisten durchaus nicht recht. Aber man beharrt konstant auf negativen Anthropologien und der sogenannten Sündhaftigkeit des Menschen, um Menschen schädigen, diskriminieren  und stigmatisieren zu können. Es scheint so zu sein, dass diese menschliche Schwäche einen Gegenpol konstruieren muss. Man erträgt nicht, dass das Böse oft ein archaischer Affekt ist bis auf sehr wenige psychopathische Anwandlungen. Das sind Ausnahmen. Die Regel sieht ganz anders aus. Da sterben Menschen lieber, anstatt durch den Verzehr von Menschenfleisch zu überleben (Flugabsturz in den Anden). Die guten Taten überwiegen eindeutig vor den schlechten. Wir könnten sonst gar nicht überleben. Aber der Mainstream beharrt auf der These, der Mensch sei im Grunde seines Wesens schlecht und man unterstellt ihm dann auch im Zweifelsfalle lieber das Schlechte, anstatt ihn als Gottes Schöpfung zu begreifen. Das Szenario der negativen Unterstellungen ist vielfältig und enorm produktiv, weil es Argumente liefert für die Unterdrückung von Menschen, anstatt sie zu fördern und zu unterstützen auch in schweren Zeiten.

Der Sozialdarwinismus greift also um sich und vergiftet das gesamte gesellschaftliche Klima. Es fehlt komplett die Einsicht, dass Menschen sich so verhalten, wie sie behandelt werden. Klügere Menschen begreifen diesen Zusammenhang und bleiben fair. Pessimisten  suchen Gründe für ihr Fehlverhalten, für fehlende Empathie in den vermeintlichen Defiziten der Anderen, ohne die eigenen Maximen zu hinterfragen. Ein geistig-seelisches Wachstum ist nicht jedem vergönnt. Dieses Gift der Verdächtigungen verunstaltet nur die Verdächtigten. Das wirklich Tragische an diesen Negativhaltungen: Es gibt keine Heilung. Und so verliert man nach und nach auch das Wissen um Heilung, Ganzheit und Gesundheit. Die Realität wird in ein Korsett der Unwissenheit gezwängt, durch das Probleme zementiert, aber nicht mehr gelöst werden. Es fehlt der humane Weg, der sich verantwortlich fühlt und das Bestmögliche aus jeder Situation machen möchte. Ich muss also überzeugt sein, dass sich diese Anstrengungen lohnen und am Ende Heilung und Frieden entstehen, wenn das negative Denken, das zu Schädigungsverhalten führt, enttarnt worden ist. Macht und Machtmissbrauch bedienen sich gerne der negativen Anthropologie, weil man Menschen nicht ernst nehmen muss in ihren Nöten und Sorgen. Die stößt man dann noch gerne nach  unten, weil ja Hierarchie als notwendig erachtet wird. Aber das hat Folgen für den Zusammenhalt in einer Gesellschaft. Spaltungen führen zu Krankheiten und Schwächungen, die keiner wollen kann.

Es wird Zeit für eine positive und humane Anthropologie, die vorsätzliche Schädigungen aus Konkurrenz und vermeintlichen Wettbewerbsgründen unterlässt. Eine Politik, die Menschen instrumentalisiert, hat ihren Ruf verspielt und sollte sich eher fragen, wie man das Beste aus Menschen herausholt, anstatt sie mit dem Übelsten eines schlechten Menschenbildes zu konfrontieren. Das gilt für ein konstruktiveres Ausbildungs- und Bildungssystem, das sich immer mehr dem unklugen Mainstream verschreibt, weil das heute die Karriere sichert.  Menschenfreunde bringen es nicht fertig, andere gezielt zu schädigen. In diesem negativen Bewusstsein zu handeln setzt wohl sehr viel Selbstgerechtigkeit voraus oder eben niederste Rachemotive. Dabei ist es wirklich kein Verbrechen, Zusammenhänge aufzudecken und zu klären, damit weniger Verlogenheit das Zusammenleben belastet. Menschenfreundlichkeit erlaubt mehr Authentizität, das zu sein, was man ist: ein guter Mensch mit guten Absichten und dem Wunsch nach Verständigung. Wer andere Menschen schädigt, hat keine guten Absichten. Er ist der Vergifter und meistens auch derjenige, den er im Anderen bekämpft. Aber die Menschheit besteht nicht aus derart unreflektierten Menschen, die ihre Macht missbrauchen und gerne auf der Schlechtigkeit des Menschen bestehen, um ihre Taten zu legitimieren. Das scheint das eigentlich Böse zu sein. Diesem schleichenden Gift kann man sich nur entziehen, indem man denen den Spiegel vorhält, die immer wieder nach repressiven Gesetzen und nach Gewalt gegen Menschen schreien.

Vom Wert einer philosophischen Praxis

Wer hat nicht schon einmal erlebt, dass es in therapeutischen Gesprächen keine Verständigung gab. Ein Therapeut legt Wert auf ein Gefälle zwischen ihm und dem Klienten, dem schon per se nicht viel zugetraut wird. Sicher gibt es auch sehr verständnisvolle Therapeuten, aber die meisten sind ideologisch gefärbt und berufen sich auf eine Reihe von psychologischen Vorurteilen, die leider zum gesellschaftlichen Konsens gehören. Was Konsens ist, muss aber nicht immer richtig sein. Die Wahrheit ist vielschichtig und unterliegt der Fähigkeit, sie zu offenbaren in Korrelation zur Einzigartigkeit jedes Menschen und seines Problems.

Der Fokus in einer philosophischen Praxis liegt also nicht in der Einordnung stereotyper Haltungen und Ereignisse, sondern in der Herausstellung des individuellen Merkmals des Einzelnen und der  Geschehnisse. Keine Vorannahmen stören den Prozess der Wahrheitsfindung. Der betroffene Mensch wird nicht kategorisiert oder pathologisiert, sondern gerade aus diesen Korsetten, die immer auch viel Falsches beinhalten, befreit und kann so uneingeschränkt zu sich selbst kommen gegen eine Wand von Vorurteilen, die niemandem gerecht werden. Wir wünschen uns von anderen Menschen diese unvoreingenommene Sichtweise, denn sie ist die einzig humane Lösung. Aber die Realität sieht anders aus: Schwache Menschen berufen sich gerne auf Vorannahmen und verstecken ihr eigenes Unvermögen dahinter. Die Urteilskraft von Menschen ist oft etwas sehr Fragwürdiges und wenig Ausgearbeitetes. Nicht selten verbirgt sich dahinter fehlende Selbsterkenntnis.

Die philosophische Praxis ist eigentlich keine Beratung im Sinne des Besserwissens, sondern ein Akt der guten Verständigung zwischen zwei gleichberechtigten Menschen. Man will gemeinsam zu einem guten Ergebnis für das Leben kommen und alles Verstellendes entlarven. Die symmetrische Kommunikation erlaubt diesen objektiven Zugang, der das Subjekt ganz in den Vordergrund stellt, ohne es zu bewerten. Dieser Prozess der Objektivierung erlaubt Distanz, aus der heraus die Probleme gemildert werden können, damit einer Bearbeitung nichts im Wege steht. Intensives Zuhören ist notwendige Bedingung. Erst, wenn man wirklich verstanden hat, kann es zu einer Interaktion kommen, durch die Probleme bewusst werden. Der Bewusstseinsprozess muss empathisch begleitet werden, so dass dem Betroffenen Veränderung möglich wird, wenn diese gewollt ist.  Manch einer möchte aber endlich auch nur verstanden werden in seinem Leid. Und leider leben wir in einer Welt, in der Menschen wenig achtsam miteinander umgehen und erleben immer wieder Menschen, die Rücksichtslosigkeit und Unachtsamkeit rechtfertigen wollen. Die philosophische Praxis sensibilisiert aber auch für eigenes Unvermögen, sich durchzusetzen, sich gut zu positionieren und deutlich zu sagen, was man eigentlich will.  Gelingen des Lebens hat sehr viel mit Selbsterkenntnis zu tun, da wir zu sehr auf bestimmte Lebensweisen konditioniert werden. Gelingendes Leben ist selbstbestimmtes Leben. Dafür braucht man manchmal Unterstützung, um klarer zu sehen, wo die eigenen Stärken und Schwächen liegen.

Sokrates hat mit seiner Methode viel Unbehagen ausgelöst, da es auch einen Widerstand gegen Wahrheitsfindungen gibt, die gesellschaftlichen Konsens immer hinterfragen. Wer glücklich ist im einfachen Mitmachen und Anpassen, der geht wahrscheinlich nicht in eine philosophische Praxis, dem ist auch alle Philosophie suspekt, die sich ja gerade nicht korrumpieren lässt, wenn man sie ernst nimmt. Werte sind gut, aber man muss über sie auch konstruktiv streiten können und darf sie nicht absolut setzen. Das lehrt uns doch wohl die Geschichte der Philosophie. Dogmatismus hat hier nichts verloren. Man muss sie aushalten diese Dynamik des Denkens, die sich letztlich an dem Schönen und Guten im Menschen orientiert und nicht so sehr Abgründe sucht, die gar nicht vorhanden sind. Ein guter philosophischer Praktiker muss zutiefst Humanist sein, denn jeder Mensch will in seinem tiefsten Wesen erschaut und erkannt werden.

Die Liebe und die Ehe

Immer wieder versuchen Philosophen über die Liebe zu schreiben, was sie funktionalisiert, aber sie dennoch nicht erfasst. Die Liebe ist ein Geheimnis, eine Kraft, die uns im tiefsten Inneren unserer Seele erfasst. Sie lässt sich nicht instrumentalisieren und sie will auch nicht instrumentalisieren. Sie besteht auch nicht aus Komponenten oder Phasen, sondern ist ein Mysterium wie die Offenbarung Gottes. Wenn sie einem begegnet, wissen wir, was wir geahnt haben. Diese Liebe erleuchtet das Leben und verwandelt den Alltag in eine Messe, in ein heiliges Fest.

Liebe ist nicht Trieb und nicht Kalkül. Sie lässt sich nicht berechnen. Sie erfüllt unser Herz und entwickelt Ideen für ein gemeinsames Leben. Sie ist kreativ und absolut unkorrumpierbar. Ihre Unplanbarkeit ist nicht identisch mit Unordnung, sondern ordo amoris, wie Max Scheler richtig erkannte (aber privat nicht das Wesen dieser Ordnung verstanden hatte), also höchste Ordnung, der man sich nicht entziehen kann. Sie wirkt bis in das Denken hinein und transformiert das gesamte Leben. Sie will das Zusammensein in dieser höchsten Ordnung, alles andere wird undenk- und unlebbar. In dieser Liebe spüren wir die Kraft Gottes . Er zwingt uns zur Veränderung und lässt uns keine Wahl. Angesichts Gottes sind wir machtlos. Wenn Liebe diese Offenbarung ist, kann sie kein Mensch lösen. Scheitert sie, kostest es die Liebenden die Gesundheit oder das Leben angesichts des unaussprechlichen Unglücks einer Trennung, die Gott nicht gewollt hat. Diese Bitterkeit des menschengemachten Scheiterns bezeugt die Unfähigkeit, sich dem Wesen ihrer Liebe anzuvertrauen gegen Widerstände. Diese Liebe ist nicht alltäglich. Es ist der erkannte Dreierbund zwischen Gott und den Liebenden, den keine Kirche herstellen kann. Aber sie kann sie verstärken im ewigen Bund der Ehe auch gegen etwaige zivilrechtliche Abmachungen.  Das Scheitern der von Gott offenbarten Liebe übersteigt die menschliche Kraft.

Es ist Gottes Wille, einen Menschen zu finden in dieser Spiritualitiät der Gefühle gegen das bloße Eingehen von Partnerschaften. Den ewigen Bund zwischen zwei Menschen kann nur Gott knüpfen. Wenn diese Verbindung in der höchsten Instanz gelingt, ist die Ehe für diesen Menschen nicht auflösbar, denn diese Liebe ist als Offenbarung Gottes zu begreifen. Sie ist der Bund mit dem höchsten Dritten für die ewige Liebe. Kein Mensch will diese Ehe beenden. Die Kirche kann nur prüfen, ob dieser Dreierbund besteht. Wo Gott nie war, da kann es auch keine unauflösliche Ehe geben. Wer das Begehren mit Liebe verwechselt, für den gibt es ein böses Erwachen. Wenn mir ein Mensch begegnet und ich habe die deutliche Idee von Gott und seinem Ruf, dann kann ich mich dem nicht entziehen. Mein Herz ist nicht mehr frei und nichts und niemand wird diese Stelle besetzen können. Hier ist Gott erbarmungslos und ausschließlich. So war die Ehe gemeint, aber als Zwang zur Gemeinschaft durch eine Institution  ist sie unheilig und eine Sünde.  Wahre Liebe ist die höchste Wahrhaftigkeit und ein Geschenk des Himmels. Aus ihr heraus wachsen die Kräfte für ein achtsames und verantwortungsvolles Miteinander, denn diese Liebe will das Glück mit anderen teilen. Und so bringen es Gerald Hüther, Maik Hosang und Anselm Grün auf den Punkt: Liebe ist die einzige Revolution (Freiburg im Breisgau 2017).

Das Wesen von Nichtkooperation und Ostrazismus

 

Wir erleben immer wieder auch in existenziellen Lagen, dass Menschen die Kommunikation, die Auseinandersetzung verweigern. Das ist nicht Ausdruck von Stärke oder auch Hilflosigkeit, sondern ist eine Machtdemonstration. Jemand will die Oberhand erhalten und andere in die Knie zwingen. Er fühlt sich selbst als der Rechtschaffene und möchte andere ins Unrecht setzen. In Bezug auf strittige Fragen wählt der aufgeklärte und offene Mensch den Diskurs und kapriziert sich nicht auf seine egozentrisch-verweigernde Haltung. Dass die nicht philosophisch ist, leuchtet uns ein. Aber dass sie auch unmenschlich,  ja grausam ist, sollte uns zu denken geben. Begeben wir uns auf die Spur des nicht-kooperativen Menschen und bleiben hier investigativ, anstatt uns stressen oder gar verletzen zu lassen von Menschen, die keine Humanisten sind und dafür auch immer neue Argumente suchen. Die Folgen von Ostrazismus (griechisch: Ausgrenzung von Andersdenkenden) sind schlimm. Menschen werden hier existenziell an den Rand gedrängt und geschädigt. Der sogenannte Rechtschaffene beruft sich dann auch auf fadenscheinige Gerechtigkeitsparadigmen, weiß aber in keiner Hinsicht Bescheid, ihm fehlen die Informationen, aber er urteilt. Das ist nicht nur extrem unklug, sondern ebenfalls Machtmissbrauch.

Diese Menschen sitzen an vielen Stellen in der Gesellschaft, sie sind zutiefst undemokratische (meist frustrierte)  Wesen und halten prinzipiell andere für beschränkt und sich selbst für die Elite, die das Maß festsetzt und den Ton bestimmt. Sie entwickeln sich geistig und seelisch nicht weiter (dafür wachsen sie dann körperlich oft in die Breite), sehen keine Schuld ein und setzen alles daran, den Anderen, der investigative Einsichten gewonnen hat, auszugrenzen und mit Ignoranz zu strafen. Wer sich nicht wie sie gnadenlos unterworfen hat, wird eben kalt gestellt. Man wittert die Kritik, die das eigene Gebäude ins Wanken bringen könnte gegen einen unreflektierten Dogmatismus, der Menschen bevormunden und beherrschen will. Es ist billig und eindimensional, nicht über Werte streiten zu wollen. Hinter solchen Haltungen stecken verhärtete Analcharaktere, die zu Sadismus neigen. Ihr Blick ist nicht mehr offen, sie verschweigen und verleugnen sich auch gerne selbst um der angeblich guten Sache willen. Sie haben gelernt, es anderen recht zu machen, ohne auf die eigene innere Stimme zu hören und setzen diesen Schaden nun in einer unheilvollen Tradition fort. Es sind autoritäre Systeme, die so etabliert und zementiert werden sollen gegen Menschen, die sie als zu gering verachten und denen sie gerne die Stimme nehmen würden. Wer andere mundtot machen möchte, der muss sich den Vorwurf der Charakterlosigkeit wohl gefallen lassen. Mitläufer in autoritären Systemen waren schon immer eine Gefahr. Es ist hier nur ein kleiner Schritt in Richtung Schädigung von Menschen. Dies geschieht dann oft aus dem Hinterhalt: Mobbing, Datenschutzverletzungen, Sabotage bis hin zu schweren existenziellen Schädigungen werden dann auch noch gerechtfertigt, indem man den Geschädigten wegen seiner Nichtkonformität anklagt.

Man kann nur jedem Betroffenen und Geschädigten raten, den Mund aufzumachen und solche Maßnahmen zu entlarven, die es für nötig befinden, andere Menschen an den Rand zu drängen, die sich nichts zu Schulden kommen lassen haben. Das ist keine adäquate Lösung für Probleme, die man eben nur durch offene und wertschätzende Kommunikation lösen kann. Aber diese Ausgrenzer haben ein Interesse an Asymmetrie und damit am Willen zur Macht, der ihre Winzigkeit ein wenig beschwichtigen soll. So trösten sie sich selbst unaufhörlich und suchen Gleichgesinnte, die ihrem Ego auf die Sprünge helfen sollen. Demokratie ist kein Einheitsbrei, sie wäre dann Diktatur. Demokratie ist ständig in Bewegung – im Kleinen wie im Großen. Wo allerdings eine gewisse Lähmung und ein Reformstau eingetreten ist, da sollte der Bürger wach werden und sich besinnen, wem er wirklich seine Stimme geben möchte. Konservativismus wird da zur Falle, wo er Menschen offenkundig zu schädigen beginnt. Jedes Symptom hat eine Ursache, über die man sich verständigen muss, anstatt anzufangen, ein Symptom rücksichtslos zu bekämpfen. Es ist nie zu spät, einander zu verstehen und zu begreifen, dass jeder Mensch anerkannt und wertgeschätzt werden will und sein  Möglichstes in jeder Situation tut. Ein Klima des Misstrauens, des Hasses und der Hetze vergiften die Demokratie. Das gilt auch im Zwischenmenschlichen.

Es soll aber nicht nur bei Kritik bleiben, sondern denjenigen Mut machen, die von Ignoranz und Ostrazismus betroffen sind, sich zu engagieren gegen einen Misthaufen sich selbst verherrlichender Schädiger,  die den Balken im eigenen Auge nicht sehen wollen. Es gilt, sich von solchen Institutionen und Menschen nicht einschüchtern zu lassen, sondern deren Defizite öffentlich zu machen und anzuprangern, denn diese  wirken oft im Geheimen und haben nicht selten einiges zu verbergen. Sie leben selbst nicht authentisch und wollen das anderen auch verweigern. Sie fühlen sich in einem Klima der Zwietracht wohler als in einem Klima der Verständigung. Sie setzen herab, entwerten Menschen, was schnell zur Schädigung von Menschen führt. Darüber sollten wir uns immer im Klaren sein, wenn wir Menschen nicht integrieren in Gesellschaft  und Diskurs. Ist der Andere mir als Mensch bewusst, gehe ich behutsam mit ihm um und fühle mich verantwortlich. Wir sind alle miteinander verbunden und sollten lieber konstruktiv streiten, als uns ganz zu ignorieren. Hier wird dann ein Feindbild konstruiert, dem in der Realität nichts entspricht. Das ist unchristlich und eine reale Sünde im Gegensatz zu den vielen angeblichen Sünden, die keine Begründung finden. Und: Integration darf nicht als vollständige Anpassung verstanden werden. Wir wollen die Vielfalt und nicht die Einfalt und schon gar nicht das Nichtwissen.