Die Schwierigkeit mit dem Zölibat

Es verwundert, dass eine Kirche, die mit so vielen Vorwürfen des Kindesmissbrauchs konfrontiert ist, sich erlaubt, wiederverheiratete Geschiedene zu diskriminieren. Dieser moralische Missstand verursacht großes Unbehagen, wenn er nicht zum Austritt zwingt. Das Zölibat ist nichts für jeden und die Kirche beherbergt zu viele, die sich nicht an das Zölibat halten können. Dabei geht es ja nicht nur um die Ehelosigkeit, sondern um den Verzicht auf Sexualität. Kindesmissbrauch ist nicht als unreife Sexualität zu werten, sondern als Kriminalität, denn diese Menschen zerstören anderer Leute Leben durch ihre triebhafte Veranlagung. Der Nachwuchsmangel in der Kirche, was das Priestertum angeht,  führt zu einer unkritischen Auswahl der Kandidaten, die besser einen anderen Weg einschlagen sollten, denn das Zölibat hat auch wirklich seine Vorteile, wie uns die mehrtausendjährige Überlieferung lehrt.  Die Überwindung der eigenen Triebhaftigkeit setzt seelische und geistige Energien frei, die nicht nur glücklich machen, sondern auch anderen Menschen zugute kommen wegen einer höheren Empathiefähigkeit und Intuition.

Man wundert sich auch, warum nicht endlich Frauen zum Priesteramt zugelassen werden, wenn schon ein eklatanter Mangel an Männern aufgetreten ist, die sich zum Zölibat bekennen können. Nicht von einer eigenen Familie absorbiert zu werden und den Blick gezielter auf die Gemeinde richten zu können ist ein Vorteil und kein Nachteil.   Es werden andere Fähigkeiten entwickelt. Das Zölibat sollte nicht abgeschafft werden, aber die Auswahl an Kandidaten muss dringend überdacht werden. Es reicht nicht, an Gott zu glauben, sondern man muss sich selbst sehr gut kennen und in der Lage sein zu verzichten auf diese Organisationssexualität in einer Ehe. Um die Eignung festzustellen, sollte also jeder Priesteranwärter eine entsprechende Therapie machen müssen, damit sich Triebhaftigkeit nicht an Minderjährigen vergreift und so zu einem Verbrechen wird.

Geschiedene haben ihre Gründe, warum sie die Ehe mit einem Partner nicht fortsetzen können oder wollen. Es sind die Wenigsten, die eine Ehe aus Triebgründen beenden. Meistens sind es gegenteilige Entwicklungen, die zu Konflikten führen. Nicht alle Konflikte sind in einer Therapie lösbar, wenn sie Grundsätzliches beinhalten. Wir entwickeln uns ein Leben lang und manchmal wird man sich dadurch fremd und kann sich an Gemeinsames nicht mehr erinnern. Ein zölibatärer Priester darf sich hier nicht als Konservierer einer Ehe verstehen, sondern muss die Wege der Partner begleiten, auch wenn sie in eine neue Beziehung bzw. Ehe führen, denn in erster Linie geht es um die Gesundheit von Menschen und um ihr Wohlergehen. Krankheit ist ein hoher Kostenfaktor und mindert die Lebensqualität erheblich. Das kann niemand wollen. Ein Priester kann dafür sorgen, dass Menschen die Ehe ernst nehmen, aber dass sie dabei auch eben heil bleiben und sich nicht einer Moral unterwerfen, die ihnen schadet.  Durch diese Begleitung kann die Kirche  nur gewinnen, anstatt die Moralkeule zu schwingen, wo sie doch selbst innerlich schwerstens erkrankt ist: Verkrüppelte Menschen sind eine Gefährdung für die Gesellschaft.

Warum Descartes recht hat

Der lange philosophische Streit zwischen Dualismus und Materialismus (Daniel Dennett)  und biologischem Naturalismus als Korrelationsphänomen (John Searle), der aber nichts anderes als Materialismus ist, könnte wieder zugunsten des Dualismus (Descartes) von res cogitans und res extensa entschieden werden. Dass wir nicht wissen, wie mentale Phänomene auf physische wirken, heißt nicht, dass sie es nicht können. Warum sollten mentale Entitäten nicht physische Ereignisse verursachen oder gar in gewisser Weise überwinden, so dass sie gar nicht wirksam werden wie die Nonnenstudien gezeigt haben. Nonnengehirne wurden obduziert bei Feststellung von Alzheimer-Ablagerungen, die aber im Leben der Nonnen nicht zu Alzheimer geführt haben. Wir sind also nicht unser Gehirn, sondern weitaus mehr als ein physiologisches Korrelat.

Das Phänomen der Emergenz, d.i. die Überwindung eines bestimmten physiologischen Zustandes, zeigt deutlich, dass man durch bestimmte Rituale und Übungen wie Meditation und Kontemplation die Determinierungen hinter sich lassen kann. Wenn wir uns frei fühlen, dann ist ein Zustand erreicht, dem nichts in der physischen Welt zu entsprechen scheint als eben Freiheit von Festlegungen. Es ist auch empirische Alltagserfahrung, dass Informationen, Gedanken, Vorstellungen, Überzeugungen die innere Verfassung verändern können im positiven wie im negativen Sinne. Wie kann man also daran zweifeln, dass es eine Macht des Geistes gibt, der Einfluss nimmt auf unsere Physiologie und davon unabhängig existieren kann, was er muss, wenn er als eigenständige Kraft verstanden wird, der zu Verursachungen fähig ist. Scheinbar sind wir nicht vollständig materiell determiniert, sondern offen für derartige Einflussnahmen. Der Geist wirkt auf die Materie, konstruiert sie in gewisser Weise, wie Kant das Phänomen in seinem Idealismus begründet hat.

Jeder kann die Erfahrung machen, dass er bei längerer Konzentration in einen freien Zustand gerät, der dann zu vielen anderen Dingen befähigt und wir so willentlich in die Sphäre der Freiheit kommen. Eigentlich ist das tägliche Übung und ermöglicht, das Wirkungsspektrum des Geistes zu erhöhen. Auch der freie Wille, der nicht physiologisch determiniert ist, sondern ein Anfangen in Freiheit bedeutet, ist ein Indiz für das Primat des Geistes, das aber auch untergehen kann bei Krankheit, Schwäche und Nichtübung. Wir haben es also in der Hand, ob der Geist uns lenkt und das Denken oder unsere innere materielle Verfassung, durch die wir getrieben werden. Homöostase wäre dann der Einklang beider Entitäten, die nicht gegeneinander arbeiten, sondern ein harmonisches Gleichgewicht konstituieren. Viele Denker wissen, was das Denken in ihnen bewirkt und können sich ein Nichtdenken kaum vorstellen, da dies zu einem Vegetieren führen würde, das nicht mit Glück verbunden ist. Wir sind also dazu aufgefordert, unseren Geist zu betätigen, um höhere Glückszustände bewirken zu können.

Mentale Phänomene sind nicht auf physische Phänomene zurückzuführen. Mentale Krankheiten beruhen meist auf schweren Geist- oder seelischen Verletzungen. So kommt es zu einer Fehlregulation in der Neurobiologie als Reaktion auf eine schwere Verletzung durch andere oder Selbstverletzung durch unangemessenes Handeln. Es entsteht eine traumatische Rückkopplung, die aber nicht notwendig und kausal determiniert abläuft, sondern wieder entkoppelt werden kann durch den Wandel einer Erkrankung in einen konstruktive Auseinandersetzung und Umsetzung in etwas Affirmatives. Wem das gelingt, sein Trauma auf eine höher Ebene zu heben, der hat es überstanden und hat eine Chance auf Heilung und Freiheit von belastenden Erinnerungen. die als mentale Phänomene nicht mehr zu einem krankhaften physiologischen Prozess führen. Kraft meiner Einsicht, meiner Zuversicht und meines Willens entkopple ich diesen Prozess. Dafür muss ich die Verursachung durchschauen, um sie ändern zu können. Diese Macht des Geistes wird von Materialisten bestritten, da Geist keine unabhängige Instanz für diese Auffassung ist. Vieles spricht gegen den Materialismus wie eben die Heilung von mentalen Erkrankungen, die eine mentale Anstrengung ist und eben nicht identisch mit dem physiologischen Prozess sein kann. Diese Anstrengungen muss ein Gesundheitssystem unbedingt unterstützen und den Menschen nicht allein mit Medikamenten behandeln, die die geistige Energie erheblich einschränken und Heilung unmöglich machen.

Es handelt sich also nicht nur um einen Eigenschaftsdualismus (David Chalmers), sondern um einen Substanzdualismus im Sinne von Descartes, der nicht nur die Unsterblichkeit der Seele postuliert, sondern auch eine Annäherung an eine völlig geistige Existenz wie Gott in den Bereich des Möglichen rückt. Gott ist der Gipfel alles Geistigen mit der höchsten Transformationskraft aller spirituellen Erfahrungen über höhere Einsichten, die aber nicht als ein Wirken Gottes missverstanden werden sollten. Dass Gott nicht in unser Leben eingreift, hat die Hinrichtung von Jesus Christus bewiesen.