Kausaltraining

Kurt Tepperwein behauptet in seinen Vorträgen, dass es keine unheilbaren Krankheiten gibt, sondern nur Symptome, die nicht verstanden worden sind. Wir müssen also unser Problem genauestens erforschen und analysieren, wodurch wir eine Krankheit erkennen. Die Lösung müssen wir durch und in uns selbst finden, die kann ein anderer nur anstoßen. Wir werden selbst ermächtigt, wenn wir ein Problem erfasst haben und es benennen können. Hier müssen wir die Ursache-Wirkungskette verfolgen, um dann  in der Lage zu sein, durch Setzung einer neuen und affirmativen Ursache alte Muster aufzuheben. Das ist ein schöpferischer Prozess der Entscheidung. Und Entscheidungen sind Vernunft- und Verstandesleistungen. Verletzungen aber sind Gefühle, auf die der Verstand nur einwirken kann, wenn er sich mit neuen positiven Gefühlen verbindet, um die alten verletzenden überschreiben zu können. Gefühle liegen tiefer im Gehirn als Denkleistungen. Es ist also nicht ganz einfach, sich für Gesundheit zu entscheiden, wenn man die Rechnung ohne die Gefühle macht, die eine Verbindung zum Körper herstellen. Allein auf der Verstandes- und Vernunftebene können wir nichts verändern. Der tiefgreifende Wandel ist nur in Korrelation mit Gefühlen möglich, die ja auch über Gesundheit und Krankheit entscheiden.  Eine neue Ursache zu setzen für ein ganzheitlich gesundes Leben ist also ein komplexer Vorgang, den man aber erlernen kann gegen die Widrigkeiten des Lebens. Verletzungen heilen, wenn wir uns als selbstwirksam erleben und so  merkliche Fortschritte im Heilungs- und Bewusstseinsprozess machen.

Für eine vollständige Heilung müssen wir aus der passiven Opferrolle und aus dem Kreislauf der Verletzungen heraus. Wer verletzt wurde, der verletzt auch andere, wenn er sich die Bedingtheit seiner Reaktionen und Handlungen nicht bewusst macht. Die Unterscheidung von Ich und Selbst ist eine sehr hilfreiche, weil unser Selbst und das damit verbundene Bewusstsein alle Heilkraft besitzt, die dem Ich abgeht, weil es anfällig für Verletzungen ist. Unser Selbst aber weiß sich mit dem höchsten Einen verbunden. Jede Krankheit geht einher  mit einem Verlust des Bewusstseins. Darum muss bei jeder Krankheit das Bewusstsein gestärkt werden für die Heilungsenergie, die dem verletzten Menschen abhanden gekommen ist. Bewusst zugefügte Verletzungen lassen auf einen schlechten und schwachen oder einfach destruktiven Charakter schließen und müssen auch als solche verstanden werden. Wenn mich jemand absichtlich verletzt, lasse ich diesen Menschen nicht innerlich zu, sondern entwickle ein Mitgefühl für seine Schwäche und sein  dadurch determiniertes Sein. Er mag ein großes Interesse haben, Bewusstsein als Heilungskompetenz zu verhindern, weil sein eigenes Selbst tief verwundet ist und sich nicht befreien kann. Er kann nicht so leben, wie er es will, also verhindert er es auch bei anderen. Negative Gesetzmäßigkeiten müssen durch schöpferische ersetzt werden.

Kant hatte schon bemerkt, dass es die Freiheit gibt, eine neue Ursache zu setzen gegen verletzende Determinierungen, die eine Heilung so schwer machen. Diese Freiheit muss man sich fast täglich erarbeiten, wenn man erkrankt ist. Dafür braucht es nicht unbedingt viel Zeit, sondern vor allem die Tiefe der Einsichten, die auf die Gefühlsebene, auf das limbische System zurückwirken. Wenn ich Erleichterung verspüre, bin ich auch auf dem richtigen Weg. Wo noch Belastungen sind, bin ich noch nicht befreit zu mir selbst. Dieses Selbst kann nicht verletzt  werden, weil es in Verbindung mit Gott steht, dessen Liebe jeder erfahren kann, um menschliche Unzulänglichkeiten zu kompensieren. Das macht auch Joyce Meyer in ihren Vorträgen immer wieder deutlich. Man kann schlimme Erfahrungen überwinden, wenn man sich in dieser Liebe verortet und die Angreifer als Unwissende und Getriebene erkennt. Sie sind nicht mit sich selbst vereint und vergiften andere durch ihre Triebhaftigkeit, Stagnation und Nichtentwicklung. Sicher, man kann depressiv werden, weil sich die Dinge und Verhältnisse so verschlechtert haben, aber man kann auch Gründe finden für ein Gelingen hinter einem scheinbaren Misserfolg. Dafür muss man ein Sehender werden, der Konventionen und auch Werte hinterfragt, die die Wahrhaftigkeit verhindern.

Die Außenansichten anderer zu übernehmen, heißt, das eigene Selbst zu übergehen. Etwas zu wollen, das nicht sein kann, darf oder soll, macht zutiefst unglücklich bei Verlust der Autonomie.  Ich konzentriere mich also auf die Eigenkompetenz in Korrelation mit der Energie des Höchsten und bin so in der Lage, meine Defizite auszugleichen, indem ich die Belastung der schlechten Erfahrungen auflöse in einer Offenheit dem Leben gegenüber. Es ist dabei wichtig, was Kurt Tepperwein immer wieder betont, dass ich meine Berufung finde, die eben nicht in erster Linie Arbeit ist, sondern Erfüllung. Ein erfülltes Leben kennt keine Verletzungen, die letztlich doch nur auf Unwissenheit beruhen. Wenn ich erkannt habe, bin ich in der Lage, mich  zu entscheiden für eine Entlastung, die Glück wieder möglich macht. Wenn ich mir der Verbundenheit in Gott bewusst bin, finde ich einen Weg aus dem Unerträglichen, das mein Innerstes durchlöchert und die innere Festung einreißt, von der Luther immer wieder gesprochen hat. Ich schütze mein Selbst vor den Eindringlingen, die ein Interesse am Scheitern haben und Unglück für Normalität halten. Dagegen setze ich meine Schöpferkraft und erhelle damit auch das Unbewusste, das nur reagiert, aber nicht im Sinne der Einsicht agiert gegen unschöpferische Verhaltensweisen anderer Menschen. Wenn mich einer schlecht macht, muss ich ihn nicht schlecht machen, sondern entscheide mich für das Gute, das meistens aus Missverständnissen heraus verschleiert wurde. Diese Einübung der Selbstermächtigung auch gegen schwere Erkrankungen ist zu jeder Zeit möglich, auch wenn andere die Mitwirkung verweigern.  So löse ich die Verletzungen auf, damit sie ihre Macht verlieren und ich wieder bei mir selbst ankommen kann. Das wahre Selbst kann kein Mensch verletzen.

Paradigmenwechsel

 

Jeder Paradigmenwechsel ist auch ein Wechsel der Perspektive.  Man kann lernen, Dinge von einer anderen Seite aus zu sehen, wenn wir uns entwickeln oder neue Prämissen und Werte  für eine Haltung finden.  So ist die Bewusstseinsarbeit keine Psychoanalyse, die in Relation zu den freudianischen Annahmen steht und die Übertragung beabsichtigt, die aber dann meistens wieder therapeutisch überwunden werden muss. Die Bewusstseinsarbeit kommt ohne den Therapeuten aus und bezieht sich auf die Möglichkeiten der Selbsterkenntnis, für die man niemanden braucht. Aber  eine gute Introspektion ist notwendig. Die Annahme, nur ein Gegenüber kann die Wahrheit ans Licht bringen, ist einfach falsch. Der Dialog mag gewisse Anteile erhellen, aber die Wahrheitssuche ist ein Prozess der Anschauung des Selbsts, die für jedermann mit Bildung und religiöser Orientierung möglich ist. Letztlich ist die Psychotherapie hierarchisch, man traut dem Klienten oder Patienten nicht viel zu, sieht ihn als Gefangenen seines Denkens und Empfindens. Sicher, meistens sind es verhärtete Standpunkte, die aber durch tiefe Einsichten aufgelöst werden können. So manche verfahrene Situation beruht auf ichhaften , subjektiven Regressionen, die aber erkannt und überwunden werden können. Ich und Selbst sind nicht dasselbe. Das Ich will Recht behalten, will sich gegen andere durchsetzen, anstatt die Situation zu harmonisieren, damit sich jeder verstanden und respektiert fühlt. Aber auch die Grenzen eines Menschen müssen akzeptiert werden. Die virulente Ursache-Wirkungskette kann durch wahrheitsmäßige Einsicht umgewandelt werden, auch durch die Übernahme von Verantwortung und das Setzen einer neuen Ursache, die aus dem traumatisierenden Kreislauf herausführt.

So konnte die Haltung eines Menschen nicht verstanden, nicht nachvollzogen werden, weil die eigenen Absichten gut  und gesund waren, aber von einem Beteiligten nicht erkannt worden sind. Der befand sich im Konflikt und hat sich zurückgenommen, was als Affront missverstanden wurde und zu einem Entzug des Selbstbewusstseins geführt hat bei Handlungsunfähigkeit und Rückzug aus der normalerweise doch schützenden Institution (z. B. einer Universität). Heute kann man verstehen, was Menschen nicht leisten konnten, weil man selbst gewisse Haltungen nicht umsetzen konnte, eigentlich ohnmächtig dem Abstieg in die Verständnislosigkeit zusehen musste. Dabei hätte es gute Möglichkeiten gegeben, eine verfahrene Situation wieder ins Gleis zu bringen, um so das Schlimmste zu vermeiden. Aber das setzt immer Selbstvertrauen voraus und eine klare Orientierung, die wir auch in der Selbsterkenntnis brauchen. Es gilt, die eigene Begrenzung und Beschränktheit zu erkennen, um der Wahrheit wieder Raum zu geben, die heilt und die tiefen Wunden schließt, die aber vor allem wieder Möglichkeiten der Verständigung eröffnet. Wo etwas heillos verfahren ist, tritt die ordnende Kraft der Zuneigung und des Verständnisses. Jede Herabsetzung ist ein Rückschritt im Miteinander. Der innere Friede kann so nicht erreicht werden, der aber spielt bei jeder Heilung eine große Rolle.  Wenn der Grundkonflikt von Abstoßung und Anziehung (Resonanz) nicht aufgelöst wird, droht der Rückfall und Verirrung ist die Folge. Was  verwirrt, ist der Totalentzug von Auseinandersetzung, der Versuch, einen anderen zu blockieren in der Selbstfindung und in seiner Bemühung um Restauration. Die  mag banal aussehen, ist aber in Wahrheit harte tägliche Arbeit. Und im Zweifelsfall entscheidet die Bibel über richtig und falsch. Sie kann eine Therapie ersetzen, wenn man sie verstanden hat.

Auch Carl Wickland (1861-1945) hält es als Psychiater für möglich, dass fremde Seelen einen Menschen besetzen können, der medial veranlagt ist und/oder den seelische Erschütterungen immens geschwächt haben. In Dreißig Jahre unter  den Toten (1957) versucht er anhand seiner medial veranlagten Frau diese These zu verifizieren. Ganz unmöglich ist seine Erkenntnis nicht, denn wer an die Unsterblichkeit der Seele glaubt, kann sich auch solche Besessenheiten vorstellen. Seelen, die Störenfriede sind und Seelen, die helfen wollen, können sich demnach in einem Geist manifestieren, der dann aber meistens die Orientierung verliert und als psychisch krank gilt. Hier hilft aber kein Exorzismus, sondern die Stärkung des wahrhaftigen Selbsts, um sich durchzuhalten, auch wenn die Umstände schwierig sind. Es muss gelingen, wieder ganz bei sich selbst zu sein, um das Eindringende fern zu halten.  Dafür darf man nicht gegen einen Teil in sich ankämpfen, sondern sollte wohlwollend das gelten lassen, was Menschen verbindet und zum Austausch drängt. Die energieraubende Haltung der Antipathien schwächt  und der Mensch beraubt sich seiner Selbstheilungskräfte gegen das eigene verirrte Unbewusste oder auch Überbewusste möglicherweise in Kontakt mit anderen Seelen, die es gut meinen gegen ungebetene Eindringlinge, die weiter streiten wollen. Man muss nicht überall einer Meinung sein, aber man muss bereit sein, der Wahrheit immer mehr Raum zu geben gegen Spaltungen aller Art. Wo Spaltung ist, da ist auch die Unehrlichkeit nicht fern. Und Glück im Unfrieden ist eben auch nicht echt. Verstehen und Selbstverantwortung sind geeignete Maßnahmen gegen das Phänomen psychische Erkrankung, in der oft nur die Ohnmacht antwortet.

 

Behaviorismus

Es gibt immer wieder Versuche, durch empiristisches Denken das menschliche Schicksal zu verändern. Wir wollen uns aber nicht nur verändern, sondern wir sehnen uns nach ganzheitlicher Heilung. Dafür brauchen wir aber die Metaphysik und die Spiritualität. Beides entdeterminiert und eröffnet freiheitliche Daseinsmodelle.  Die Tendenz, Therapien zu verwissenschaftlichen, beraubt den Menschen seines höchsten Vermögens der Transformation durch Entbindung von Mechaniken und damit der Überwindung des Reiz-Reaktionsschemas, dem das Tier weitgehend ausgeliefert ist. Es ist nicht plausibel, dass die Veränderung von Reiz-Reaktionsmechanismen Heilung verschaffen soll, dies auch gar nicht kann, weil Glück eben nicht ein Resultat dieses Prinzips ist, sondern die Erfahrung von Freiheit und Selbstbestimmung. Das Selbst ist also vielmehr als eine Befriedigung von Trieben. Es denkt und will verstehen. Lust und Unlust sind empiristische Reaktionssweisen, die den nicht denkenden Menschen charakterisieren. Der rationale Mensch bedarf der Metaphysik, um sich selbst ganz erfassen zu können und um sich nachhaltig verändern zu können.

Die Erfahrungswissenschaften können nur einen Teil in uns ansprechen, decken aber nicht das ganze Spektrum unseres Daseins ab. Die Metaphysik überwinden zu wollen, bedeutet, den Menschen einzuengen und ihn auf den Status eines Tieres festzulegen. Sein wahres Menschsein zeigt sich aber erst in seinen freiheitlich-metaphysischen Kompetenzen, indem diese weit über ein Reiz-Reaktionsprinzip hinausweisen. Jeder kann sich zwar neu konditionieren bzw. programmieren, erfährt hier aber keine Heilung und kein inneres Wachstum. Er bleibt in einem einfältigen Mechanismus befangen. Gerade die Befreiung von mechanistischen Bedingtheiten ermöglicht nachhaltiges Glück und damit auch Heilung. Weder Soziologie noch Psychologie noch empiristische Philosophie beinhalten diese Erfahrung von Glück und Heilung. Die Überwindung von Kausalitäten birgt also diesen Befreiungsimpuls, an dem wir lebenslang arbeiten und uns teleologisch ausrichten. Wir dürfen davon ausgehen, dass wir unsere Seele befreien können auch von schlechten Erfahrungen, die nebensächlich werden, wenn wir uns von höheren Standpunkten aus betrachten.

Wir brauchen also die Metaphysik, um neue Möglichkeiten zu generieren und um  uns aus dem Korsett der scheinbaren Notwendigkeiten zu befreien.  Unsere Vorstellungs- und Gedankenwelt ist deswegen nicht irrational. Ich erweitere meinen Horizont auf das Mögliche und begrenze nicht auf das faktische Reale, das nur in den faschistoiden Fatalismus führt und Menschen sehr unglücklich und unzufrieden macht, was gesellschaftliche und psychische Konsequenzen hat. Die soziale Realität ist nur ein kleiner Baustein, der gegen ein begründendes Denken nur wenig Bestand hat. Ich entscheide, was mich prägt und bedingt und was mich befreit, so dass sich mein Geist öffnen kann für die Möglichkeiten des Seins. Ich kann meinen Geist befreien, er ist nicht das Produkt meines Gehirns, das mechanistischen Prinzipien folgt. Ohne dieses Wissen und ohne diese Erfahrung erfasst der Mensch nicht seine Daseinsmacht und -kraft. Erst aus der Verbindung mit einem universellen Geist werde ich ganz Mensch und befinde mich im Zustand der Einwirkung auf mein Selbst aus einem freiheitlichen Impuls heraus. Diese Transformationsmacht erhalte ich auch durch einen Glauben an einen Gott, der nur dann wirksam werden kann, wenn ich ihn auch gedanklich antizipiere. Ohne diese Verankerung bleiben meine Bemühungen, mich aus der Misere der Bedingtheiten zu befreien, fruchtlos. Wenn Alain Ehrenberg also von der Mechanik der Leidenschaften (2019) spricht, empfindet man solches Denken eher  als einen Rückschritt im therapeutischen Kontext. Auch ein Nutzen von rein mechanistischer Denkweisen ist nicht erkennbar. Ehrenberg betont, dass ein Leid oder eine psychische Erkrankung nicht nur Handicap ist, sondern in einem Trumpf, in eine individuelle Befähigung verwandelt werden kann. Kognitive Verhaltensübungen kann man als notwendige Bedingung erachten, aber nicht als hinreichende. Die individualistische Potentialentfaltung hat immer auch eine soziale Dimension. Ehrenberg geht allerdings von einer neuronalen, psychen und sozialen Identität aus. Wenn ich aber über mein mechanisches Gehirn entscheiden kann, überwinde ich diese Determinierung und bin nicht identisch mit meinem Gehirn. Selbstkontrolle und Selbstregulation können eine Veränderung und einen Wandel bewirken, weil es sich um eine unabhängige Entität handelt. So weit geht Ehrenberg in seinem Buch nicht. Leid ist eine Mechanik, die ich überwinden kann.

Alain Ehrenberg: Die Mechanik der Leidenschaften. Berlin 2019