Das eigene Denken

Schon in der Schule wird das eigene Denken kaum befördert. Das Tragische ist, dass es in der akademischen Philosophie und auch in anderen Bereichen so weitergeht. Vieles in der Ausbildung ist Dequalifiation

Den Elfenbeinturm des eigenen Denkens muss man sich selbst erarbeiten. Er wird nicht von außen befördert. Das eigene Denken wird auch oft falsch verstanden, weil es in gedanklicher Freiheit entsteht, die selten erkannt wird. Menschen machen ihre eigene Anpassung zum Maßstab und verfehlen so die Intention eines anderen, der sich darum bemüht, der Wahrheit näher zu kommen. Keine Wahrheit kann absolut gesetzt werden, wir brauchen die Intuition des Verstehens. Auch Hannah Arendt wurde angegriffen wegen ihres Verständnisses des Bösen. Das Begreifen von Schuld ist oft ein langer Prozess, aber muss immer neu bedacht und erörtert werden. Wir sind selten in der Position des Verstehens absoluter Wahrheiten, sondern auf dem Weg dorthin. Dieser Weg kann sehr leidvoll sein, wenn  man mit zementierten Vorurteilen zu kämpfen hat, die durch Ideologien entstehen.. Manch einer kämpft seit der geistig-seelischen Reifung mit der Angst vor Dequalifikation, die ein Teil dieser Gesellschaft ausmacht, einer unguten Macht der Anpassung an bestehende Verhältnisse. Wer diese hinterfragt, geht einen beschwerlichen Weg auch des Denunziertwerdens. Alle Ausbildung will vereinheitlichen und auf Konsens trimmen. Aber das führt auf weite Sicht zur Stagnation und zur extremen Einengung des eigenen Denkens, das wir besser befreien sollten in die Sphäre der besten Lösungen und des weitesten Horizonts. Davon sind wir weit entfernt und verunglimpfen dieses Ansinnen als Utopien. Das noch nicht Wirkliche ist nicht das Unmögliche, sondern nur das Verfehlte, für das die Kompetenzen noch nicht vorhanden sind. Wenn ein Teil unserer Bildung eigentlich nur Verbildung ist, müssen wir hellhörig werden.

Viele Ängste sind begründet

Die Angst vor Dequalifikation ist nicht unbegründet. Darauf beruht das System der Noten und der Zertifkate. Doch die Besten haben oft die Anforderung unserer Systeme nicht erfüllt. Wir sind auch nicht qua Philosophiestudium zum Denken prädestiniert. Das ist nur wenigen vorbehalten, die sich mutig auch zur eigenen Meinung bekennen und diese belegen können. Gegen den Mainstream zu argumentieren, setzt viel Courage voraus, die nicht jeder besitzt. So wie sich jemand engagiert, setzt er einen Kontrapunkt, der auch Kritik auslöst, weil wir uns selten auf eine Wahrheit kaprizieren können. Deshalb müssen wir gut begründen, damit uns andere auch gut verstehen. Ein gutes Herz ist ein wichtiger Gradmesser für eigenes Denken, aber nicht jedes beliebige Gefühl. Wir müssen hier unterscheiden, wo wir Eigenes mit Allgemeinem vermengen, so dass es falsch wird. Unser aller Ziel war es, das Denken möglichst zu objektivieren. Hegel hat diese Schwierigkeit verstanden und in seiner Logik thematisiert. Wir möchten uns einem möglichst allgemein vertretbaren Standpunkt annähern und so zu einem höheren Ergebnis zu gelangen, das Fortschritt möglich macht. Aber seltsamerweise sind wir steckengeblieben und verstehen den Standpunkt nicht mehr, den andere nur noch in symbolischer Weise thematisieren können, weil sie verletzt worden sind. Sie liegen deswegen nicht falsch, sondern können nur ihre Position nicht mehr so klar äußern.

Leiden schränkt die Vernunft ein und damit die Möglichkeiten

Die Welt hat genügend konventionelle Denker, die uns nicht begeistern und nicht aufbauen. Sie vermitteln nur das vermeintlich Sichere und irren sich nicht selten. Kritik und Gegenargumenten gegenüber sind sie immun. Sie bleiben bei ihren Fehleinschätzungen und wenn es das Leben anderer kostet. Es geht um Macht und um Rechthaberei. Die akademische Philosophie spielt heute kaum noch ein Rolle. Sie bewegt nichts, nimmt sich aber sehr wichtig und glaubt sich auf der sicheren Seite gegen die vermeintlichen Irrtümer anderer. Aber so einfach ist es nicht.  Wer unter den Defiziten leidet, ist nicht der Schuldige, sondern das Opfer eines sich selbst verherrlichenden institutionellen Denkens, das über den eigenen Tellerrand nicht hinwegschaut. Es versteht das schon Gedachte und Anerkannte, aber nicht die neuen Ängste und Herausforderungen, die uns heute belasten. Eigenes Denken darf nicht auf die Anklagebank führen, sondern muss begriffen werden, um die Verletzungen durch Missverständnisse zu vermeiden, denn die führen nicht selten zu einer Resignation des Leidens, das das eigene Denken aufgegeben hat und nicht mehr in die Sphäre des Beobachters führt. Wer beobachtet, der möchte auch dokumentieren und nicht nur der Analysierer des eigenen Leidens werden. Das schränkt die Vernunft ein und verhindert die eigene Entwicklung. Jemanden vorsätzlich zu verletzen ist nicht Ausdruck von Moral, sondern genau das Gegenteil: Man will sich nicht auseinandersetzen  über das, was vermeintlich moralisch ist. Hier müssen wir immer ganz tief denken und dafür sind wir nicht ausgebildet. Wer dies dennoch wagt, geht das Risiko ein, durch bestehende Regeln erdrückt zu werden. Moral ist immer eine Frage der Begründung, die wir niemals unterlassen dürfen, damit sich die Dinge zum Besseren entwickeln.

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