Der sogenannte Trieb

Etwas als Trieb zu bezeichnen bedeutet zu behaupten, er unterliege nicht unserem Willen und wäre damit ein natürliches Phänomen, dem man Rechnung zu tragen habe, d.h. den man akzeptieren sollte als etwas, dem man Folge leisten müsse. Freud hat letztlich dafür gesorgt, dass Menschen hinsichtlich des Triebes dahingehend indoktriniert wurden, ihn als genuin und damit als gesund zu betrachten. Also leben die meisten Menschen ihre Triebe einfach aus und kultivieren den Eros als Ausdruck einer Haltung des Aneignenwollens, als unhinterfragbare Intentionalität des Daseins. Die europäische Kultur speist sich seit über 2300 Jahren aus diesem Denken der Ichzentrierung.

In der über 2500 Jahre alten asketischen Yogalehre wird die Auffassung vertreten, dass der Trieb eigentlich eine Störung ist, ein Nichtfließen der Energien ins Geistchakra, das die Ichbezogenheit aller Triebe einsieht, überwindet und heilt. Das Christentum verehrt die Keuschheit, sagt aber nicht, wie ich diese Störungen durch Triebe überwinde. Dies vermittelt aber die Yogalehre, die den Trieb als Blockade erkennt, als eine Stauung des freien Flusses von Energien. Auch seelische Verletzungen können geistige Energien extrem blockieren. Und je disharmonischer das Innere eines Menschen ist, desto stärker sind seine Triebkräfte. Der Buddhismus warnt daher vor allen negativen Emotionen, durch die sich der Mensch eben auch selbst schadet. Der Trieb als solcher hat mit Antrieb wenig zu tun. Dieser beruht auf einer organisierten geistigen Verfassung, durch die ich viele körperliche Funktionen zu steuern lerne. Traumata somatieren sich, deshalb sind sie nicht ohne körperliche Übungen überwindbar. Der Flow nach Yogaübungen bezeugt, dass die positive Botschaft in allen Zellen angekommen ist und ich nun bereit bin für die weitere affirmative Informierung.

Durch die Körperübungen des Yoga werden innere Blockaden und Spannungen aufgelöst. Auch die Kontrolle der Gedanken über den Rajayoga bewirkt in Kombination eine Transformation des Inneren und des Geistes. Hier werden Instrumentalisierungen von Menschen abgelehnt für die Entwicklung der Seelenschau als höchster Form der Intuition auch sich selbst gegenüber. Objektive Introspektion wird so möglich. Es versteht sich von selbst, dass über diesen Weg Traumata aufgelöst werden können, denn es gelingt das Loslassen von negativen Erfahrungen für ein Erleben von Sinn und Fülle durch die Askese. Man kann auch einfach sagen: Die Belohnung durch die Askese ist die Glückseligkeit, die dem vermeintlichen Glück durch Sexualität gegenüber steht. Man muss und kann sich also entscheiden, welchen Weg man gehen will. Allerdings scheint es so zu sein, dass mentale Probleme durch Sexualität nicht verändert werden können. Es bleibt beim Status Quo, elementare Veränderungen kommen auf diesem Wege nicht zustande. Es gibt auch einen Widerspruch zwischen hoher Spiritualität und Sexualität. Das ist der Grund, warum die katholische Kirche am Zölibat festhält. Aber alles Weltliche ist konträr organisiert und hält Sexualität für Aufklärung und Freiheit. Dieser Propaganda kann sich nicht jeder entziehen. Wahre innere Freiheit jedoch erlangt man nur über den Verzicht bzw. die Einsicht in die Determinierung durch den Eros.

Es geht sogar so weit, dass die Herzenstiefe, die Empathie und die Intuition durch Sexualität gemindert werden und das höchste Wissen über das  Sein nicht erreicht wird. Wir werden hier von den gunas (Grundeigenschaften der Natur: Aktivität, Trägheit und Ausgeglichenheit, die nicht mit spiritueller Gelassenheit identisch ist) und den asuras (Leidenschaften) beherrscht und gewinnen nicht den Durch- und Überblick einer freiwilligen und gewaltlosen Askese. Wenn wir also das Leben als ein Streben zur Vollkommenheit und Wahrheit betrachten, kommen wir um die Askese nicht herum. Erfüllung finden wir dann in den Offenbarungen. Wir werden frei für Gottes Wort und bleiben verankert in der Vertikalität, durch die das Negative der Welt von uns abfällt und Heilung stattfindet in der Konzentration auf ein freies Selbst, das sich erkennt und den Schleier der Maya lüften kann.

siehe auch: Arthur Schopenhauer: Die Welt als Wille und Vorstellung. Köln 1997

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