Die Meinung zu äußern wird immer schwerer, denn political correctness ist das Korsett der Sprache und will Äußerungen diskreditieren, die den Mainstream unterwandern: Die Schere im Kopf hebelt unsere Freiheit aus
Der Mensch wird angehalten, nicht mehr zu sagen, was er denkt, sondern was gerade gut ankommt und sich als gut angepasst zeigt. Nun ist Sprache auch immer ein Ventil und notwendig in einer Demokratie der Toleranz und der Einsicht in die Funktion der Sprache als eine Möglichkeit der Entlastung auch durch die hoch dynamische Verständigung im Dialog. Unausgesprochenes zwischen Menschen und in der Politik verursacht Störungen und Blockaden, die sich krankhaft durchsetzen können. Wir haben die Sprache, um unsere Position zu erläutern oder auch mal etwas Unbedachtes zu sagen. Sprache ist ständig in Bewegung und auch zur Korrektur bereit, man darf sie nicht zu stark beschneiden, wie es derzeit der Fall ist. Sie sollte sich natürlich an Fakten orientieren, aber sie ist eben auch Sprachrohr der Ängste, der Befürchtungen, der Gefühle. Worte sind keine Taten! Leider schwächt diese Ideologie unser Ausdrucksvermögen mittlerweile enorm. Wir müssen uns an der Literatur orientieren, die ja vieles auszusprechen in der Lage ist, d.h. Worte findet auch für das Schreckliche. Mir sind Leute lieber, die laut brüllen und ihrer Wut Luft machen als die Stillen, die dann zu Terroristen mutieren, weil sie den inneren Druck nicht mehr aushalten und destruktiv werden. Sprache soll ruhig provozieren gegen eine Tendenz, alles sprachlich auf eine Linie zu zwingen. Demokratie lebt davon und muss auch Unbehagen beantworten können. Sprachlich machen wir uns die eigenen Gefühle bewusst und treten so gleichzeitig in Distanz zu ihnen. Und Sprache ist auch etwas Faszinierendes, das im Aussprechen so vieles auflösen kann, wenn es nicht wirkungslos bleibt und sich an Adressaten wendet, die aufgeklärt werden müssen. Wer auch ein unnötiges Leiden verursacht hat, muss sich mit der nachfolgenden Kritik auseinandersetzen.
Die Demokratie lebt vom gesprochenen Wort
Die Misanthropen unter uns wollen uns den Mund verbieten. Auch den Mund des Volkes. Wenig Elaboriertes soll am Besten gar keine Stimme erhalten. Aber in den Äußerungen finden wir auch die Wahrheit und die Sorgen der Menschen, die jede Politik ernst nehmen muss. Derzeit werden wir von der erfolgreichen Diktatur Chinas bedroht, die die Freiheit der Sprache und des Denkens nicht erlaubt. Das gesamte Leben wird kontrolliert und jedes sogenannte Fehlverhalten sanktioniert. In so einem Klima sagt niemand mehr, wie es ihm wirklich geht und was ihn aufregt. Auch in den westlichen Demokratien wird vieles verschrien, was den Unmut der Bevölkerung formuliert. Sicher, das kann zu Parteien wie der AfD führen, aber das ist parlamentarische Demokratie und die hat sich auseinanderzusetzen mit Andersdenkenden, solange sie die demokratische Grundordnung akzeptieren. Wer diese aufgibt, hat sich selbst korrumpiert und bewegt sich in gefährlichem Terrain. Es darf und muss politisch gestritten werden. Wo die Debatten immer leiser werden, droht der Verfall. Sicher, manch einem möchte man privat nicht zuhören. Muss man auch nicht. Der soll sich Gleichgesinnte suchen, die es ja gibt auf dieser Welt. Und wir haben die kommunikativen Instrumente dafür. Keiner muss hier aufgeben. Und gegen Hass und Vorurteile hilft nur die nicht nachlassende demokratische Aufklärung.
Gegen den Opportunismus
Die Haltung des Verschweigens, des Vertuschens, des Verweigerns von Kommunikation ist ein erstes Zeichen für eine Entwicklung, die uns Kopf und Kragen kosten kann. Eine Demokratie lebt von Aufklärung, Offenheit und Transparenz. Davon sollten wir nie genug bekommen. Diese politischen Werte prägen unser Leben und unser Wohlbefinden, weil Durchblick überall Erleichterung schafft und Menschen aus ihren Verstrickungen befreit. Wir sind weit davon entfernt, Menschen zu befähigen, sich ein objektives Bild von der Lage zu machen, wenn wir ihr den Diskurs verweigern. Wenn sie dann falsch liegen, werden sie als inkompetent abgetan und negiert. Wer schon im Kleinen und Privatem nicht mit offenen Karten spielt, ist wohl kein vehementer Verfechter der Demokratie, sondern eher der Autokratie. Er will dem Anderen nicht die Chance geben, sich besser zu orientieren. Er will im Grunde auch keine Gleichberechtigung, sondern deutlich zeigen, wer hier die Macht hat und was diese Macht eben befürwortet oder für schlecht hält. Wir organisieren unser gesamtes Leben über die Sprache und je freier und ungezwungener sie ist, um so authentischer und kommunikativer wird der Mensch. Solange sie diskursfähig ist, unterliegt sie allen natürlichen und notwendigen Korrekturmöglichkeiten des zugrundeliegenden Denkens. Wird sie dogmatisch und ideologisch, verlieren wir auch die Lust am Diskutieren und werden selbst stumm und erstarren. Die Prinzipien der Demokratie dürfen im Denken nicht aufgegeben werden. Wer dies tut, ist jenseits aller diskursiven Dynamik und ein Verlorener. Daran muss sich keiner abarbeiten. Die Sprache ist die Grundlage unseres Lebens und das freie Sprechen ein Existenzial. Sicher, mit Widerrede und auch Abwendung müssen wir eben rechnen. Dann suchen wir uns eben andere. Widerlich wäre der Opportunismus, denn den will eigentlich nur der demokratisch Unterentwickelte. Und man denke ruhig laut, denn so bekommt man einen Eindruck von der eigenen Überzeugung und kann auch besser andere überzeugen. Der eigene Standpunkt ist nicht nur die Grundlage für unsere Gesundheit, sondern auch das Profil für die Wahl seiner selbstbewussten Diskutanten, die auch wirklich in der Lage sind, an sich zu arbeiten, denn Diskurse sind keine reinen Unterhaltungen, sondern verändern bestenfalls. Diese Anstrengung vermeiden viele, die den Wert der lebenslangen Entwicklung nicht einsehen möchten.
Verbieten wir also nicht das Wort, sondern diskreditieren die Aufgabe demokratischer Haltungen. Hunde, die bellen, beißen nicht! Der Mensch braucht wieder neues Vertrauen in das Funktionieren der streitbaren und diskursfähigen Demokratie gegen die Propagandaisierung einer Gesellschaft. Es ist auch eine Gratwanderung bzw. eine Kunst, Spiritualität und demokratische Prinzipien zu vereinbaren.