Eine Renaissance der 70er Jahre

Die Bewusstseinswissenschaften wurden durch den Materialismus und die Naturwissenschaften vollkommen verdrängt. Aber nun regt sich ein zartes Pflänzchen und zeigt uns die Fehler

Das 21.Jahrhundert hat seine konventionelle Fratze gezeigt. Der kritische und tolerante Liberalismus der 70er Jahre wurde sukzessive unterminiert. Nun stehen wir da und langweilen uns gegenseitig mit Ideologien, Mainstream und Verschwörungstheorien, weil das kritische Denken nicht mehr kultiviert wird. Sicher die gedankliche Befreiung der 70er Jahre korrelierte mit der sexuellen „Befreiung“ der 68er (pleasure). Doch das war nur ein kurzes Vergnügen. Heute wissen wir allerdings, dass auch und gerade die Sexualität in die Verblödung (und zur Kriminalität) führt und die Bewusstseinswissenschaften sich eher auf den Geist beziehen sollten und auf sein noch nicht voll entwickeltes Potenzial, auch innere Freiheit ohne den Konsum von Drogen zu erreichen. Wir haben also heute die Möglichkeit, uns geistig zu befreien, ohne die Fehler von damals, die die Sexualität und Drogen glorifizierten, zu wiederholen. Ken Wilber hat 1977 sein Buch Das Spektrum des Bewusstseins mit 28 Jahren geschrieben, aber wir haben ihn damals in Deutschland so gut wie gar nicht registriert. Hätte man  ihn damals gelesen, hätte man viele Fehler im Leben nicht gemacht trotz kritischen Verstandes. Menschen wie Ken Wilber begeistern, weil sie die Propaganda infrage stellen, die die Anpassung an ein desolates und konkurrierendes Bildungssystem erzwingt. Außergewöhnliche und interessante Charaktere finden wir heute selten und sie werden immer weniger. Der Befreiungsimpuls von damals sieht heute natürlich etwas fragwürdig aus, aber Menschen wollten nicht einfach alles mitmachen, was da so gefordert wurde. Die Sexualität ist gewiss nicht der Grund für Frieden und Freiheit. Dieses Missverständnis haben wir ausgeräumt und vertrauen nun der Spiritualität und dem entwickelten Geist, dem sich die Bewusstseinswissenschaften annähern. Sexualität ist auch Opium fürs Volk. Sie ist nicht die Ursache für mehr Geist, sondern eher das Gegenteil und noch eine zu starke Verkörperung, die, wie wir ja wissen, viele Probleme verursacht, denn die Sexualität öffnet nicht das System, sie ist nur eine Illusion von Öffnung. Die Meinungen gehen hier auseinander, was  die Grundbedürfnisse, zu denen auch der Trieb zählt, betrifft. Der geistige Mensch wählt Yoga und Meditation, um in den höheren bzw. universalen Geist zu kommen für mehr und bessere Einsichten und für fortune (das Amerikanische kennt fünf verschiedene Worte für Glück). Aber es sei darauf hingewiesen, dass auch Sicherheit, Entwicklungsfähigkeit, Selbstverwirklichung als Grundbedürfnisse thematisiert werden. Die Welt ist pluralistisch und nicht primär dualistisch, was Ken Wilber als Problem erkannt hat.

Die materialistischen Feinde der 70er halten uns weiter in Schach

Wenn man über die Bewusstseinswissenschaften nun also zum kritischen Denken der 70er Jahre zurückfinden könnte, hätten wir viel erreicht und Reformen könnten endlich auch umgesetzt werden, bevor wir diesen Planeten ganz verwüsten im Zuge des Materialismus und einer gewissen Menschenverachtung. Auch als Autor will man zurück in die 70er Jahre, wo es noch Meinungsfreiheit gab, die man heute offensichtlich der gesamten Menschheit nicht so zugestehen will, weil mit ihr der Terror in Verbindung gebracht wurde. Aber Gewalt ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen. Solange der Mensch anderen keinen Schaden zufügt, kann er denken, was er will. Faktisch ist es aber anders. Es gibt Menschen, die fügen anderen Schaden zu, auch um sie zur Anpassung zu zwingen und nehmen hier keine Rücksicht.  Die Zwänge sind längst salonfähig geworden und so mancher versteht sich im Dienste der Anpassung gegen jedes kritische Hinterfragen. Ohne demokratische Kritik steuern wir in die Autokratie. Eine lebendige, mitfühlende und kluge Gesellschaft sind wir nicht. Menschen haben große Schwierigkeiten, sich wahrhaftig zu verständigen, um Fehler und Schäden zu vermeiden. Aber selbst Akademiker haben das bis heute nicht begriffen und basteln weiter an ihren menschen- und demokratiefeindlichen Ideologien. Sie wollen  sich abheben vom Rest der Menschheit und begehen Menschenrechtsverletzungen, die schon dort beginnen, wo man den Wunsch und die Notwendigkeit auf Verständigung aussetzt. Das ist nur eine Form und der Beginn der weiteren Gewalt.

Weisheit und höhere geistige Vermögen bleiben dem Menschen vorbehalten

Wir wollen den Frieden, aber das gesamte Bildungssystem ist auf Selektion und Konkurrenz aufgebaut. Intrinsische Motivation und Ehrgeiz sind natürlich wichtige Voraussetzungen für die Entwicklung der Menschheit. Aber die Selbständigkeit im Denken ist nicht so richtig gewollt, die aber ist in Zukunft die Rettung und nicht die Anpassung. Hier müssten wir uns dann der KI unterwerfen. Wer so auf Digitalisierung drängt, sollte bedenken, dass der Mensch sich weiter und besser entfalten und seine noch nicht entwickelten Potenziale in die Waagschale werfen  muss. Dafür sind die Voraussetzungen nicht geschaffen worden und auch deshalb könnte die KI eine Bedrohung werden, die die Kreativität von Menschen unterbindet und ersetzt durch Technologien, die keine Verantwortung übernehmen können, weil sie nicht in der Lage sind, die Folgen ihres Handelns einzuschätzen.  Eine Weisheits-KI wird es wohl nicht geben, denn es gibt für sie keine Algorithmen.  Die hoffnungsvollen Anfänge der 70er Jahre in Bezug auf die Bewusstseinsforschung wurden völlig unterbunden und vor lauter Konsum und Freizeitvergnügen haben das die Meisten wohl nicht einmal bemerkt, was man ihnen da genommen hat. Der Terror in der Welt hat kleinlaut gemacht und der wirklich kritische Journalismus ist verschwunden. Wer noch Glück hatte und in eine liberale Schule gegangen ist damals, der sieht heute den Abstieg deutlich. Kritikfähigkeit ist ein Wert, der vielen heute nichts mehr gilt und das verschafft nur Unbehagen. Viele glauben nicht mehr an die Demokratie. Aber jeder kann etwas dazu beitragen, dass diese Werte wieder belebt werden können und die Dinge in Bewegung kommen für eine bessere Vorbereitung auf die Zukunft. Und die, die Verständigung für nicht nötig halten, dürfen wir ruhig an den Pranger stellen, denn sie sind es, die Menschen  missachten, demütigen und ihnen das Selbstbewusstsein nehmen wollen auch mittels dogmatischer Überzeugungen. Es werden immer noch Hexen verbrannt auf den Scheiten der Ideologien – so Konstantin Wecker in den 70er Jahren. Und wenn der demokratische Gedanke endlich bei allen ankommen würde, begreifen wir, dass das Leben ein einziges komplexes Aushandeln ist und kein Kampfplatz der Dualitäten. Bewusstsein ist ein unaufhörlicher Prozess, der Einheit in der Vielheit möglich macht.

Ken Wilber: The spectrum of consciousness. Quest 1977

 

 

 

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