Der sechste Sinn bezieht sich nicht nur auf den Körper

Spiritualitiät und Bewusstseinsarbeit sind kein Selbstzweck. Die Kultivierung und Differenzierung der Wahrnehmungsfähigkeit kann gesteigert werden bis hin zur Erfahrung einer geistigen Sphäre der höheren Einsichten

Wenn wir das Ziel haben, besondere und außergewöhnliche Erfahrungen zu machen für ein klareres Bewusstsein dessen, was menschenmöglich ist, müssen wir den Körper transzendieren und damit auch das Ichbewusstsein. Alles Körperliche determiniert und kann den Geist nicht befreien. Das ist auch der Grund, warum hohe Spiritualität und Sexualität schlecht vereinbar sind. Diese subtile Sphäre des Geistigen ist störbar, wird durch zu viel Körperlichkeit verletzt und eingeschränkt. Wir erreichen hier den sechsten Sinn samt seiner besonderen Erkenntnisvermögen nur, wenn wir den Körper in die Schranken weisen. Seine Materialität ist ein Hindernis auf dem Weg zur geistigen Transformation der Erkenntnis und der Heilung. Wie mächtig der Geist ist, zeigt uns die Placeboforschung. Wer will hier noch zweifeln. Ohne Transzendierung bleiben unsere Erkenntnisse aber banal und profan und führen nicht in ein Leben der geistigen und spirituellen Kompetenzen, die unser Leben eigentlich so interessant und sinnvoll machen. Unsere intuitiven Fähigkeiten können ein hohes Maß erreichen, wenn wir uns selbst befreit haben von den engen Grenzen des Ichs, das vom Selbst unterschieden werden muss. Das Ich ist behaftet mit einer Reihe von materiellen Eigenschaften und Bedürfnissen, die das Selbst sehr wohl aufgeben kann zugunsten eines höheren Bewusstseins über den eigentlichen Seinsgrund, der nicht darin besteht, dass wir essen, schlafen und sexuell aktiv sind, sondern der darin liegt, dass wir mit diesem Leben achtsam und rücksichtsvoll umgehen, damit keiner zu Schaden kommt.

Der emergente Sinn

Die Entwicklung des sechsten Sinns verbietet uns die Schädigung der Natur und von Menschen. Wir wissen hier um die Zusammenhänge und geistigen Gespinste, die eben dafür sorgen, dass wir zu qualitativ höheren Kontakten fähig sind und die völlig immateriell sind. Es ist die Erreichung einer heiligen und feinstofflichen Sphäre der Kohärenz und der Konnektivität, die man letztlich Menschen auch ansehen kann, wenn sie in ihr leben und ihr Leben darauf ausrichten. Fleischkonsum und Sexualität spielen hier keine Rolle. Sie erlauben keinen Aufstieg in den sensiblen Bereich des Daseins, der aber für jeden offen steht und damit zugänglich ist, wenn er denn ein paar Regeln beachtet. Wir hätten eine andere Welt, wenn jeder nach dem sechsten Sinn streben würde, der eine Kombination aller Sinne ist und doch weit über sie hinausgeht. Es ist also ein emergenter Sinn, der wegen seiner speziellen Einsichten Leid beheben kann und so in ein Leben der Gelassenheit führt. Wir brauchen hier viele Dinge nicht mehr und können uns dem Wesentlichen zuwenden. Das Selbst wird losgelöst und ist doch verbunden in einem Sinn der Einsichten. Es handelt sich um die mystische Ebene der Einheit. Diese Ichentgrenzung ist der Seinsgrund und wird vom Ich verdeckt, das konventionell denkt und handelt. Das Ich bleibt im Gewöhnlichen und entwickelt entsprechende Kriterien, die aber oft der Wahrheit unseres Daseins nicht entsprechen. Das Eigentliche sehen wir so nicht. So bleibt das Miteinander oberflächlich und nichtssagend. Letztlich will der Suchende und spirituelle Mensch tiefer und eben hinter die Fassaden blicken. Hier finden keine Täuschungen mehr statt, wir sehen genau, was ist.

Die Annäherung an das Ding an sich

Der Zen-Geist befreit sich von allen Konstrukten und kommt so zu sich selbst. Er erkennt die eigenen Strukturen und gewinnt so allgemeine Erkenntnisse. Das Ich kann eine enorme Verstellungspraxis sein, die nur Allgemeinplätze kennt. Diese Maskeraden dienen der Beeindruckung, aber nicht der Wahrheit über sich selbst. Wer sich selbst nicht erkennt, der hat auch keinen Zugang zu anderen. Aber wer die Aufgabe ernst nimmt, wird mit erstaunlichen Einsichten beschenkt. Alle Finalität und Teleologie des Lebens besteht in der Erreichung einer Selbsttranszendenz, die aber nicht zu haben ist ohne Selbsterkenntnis, die den sechsten Sinn will. Die Befreiung von den Fesseln des Ichs, das eben bestimmte Dinge will oder nicht will, zeigt das Selbst, wie es ist und wie es sich entwickeln kann. Wachstum ist eigentlich nur möglich, wenn ich die Einflusssphäre des Geistes erweitere auf das Gebiet der subtilen Vermögen höherer Einsichten für eine Gelingen von Beziehungen und für ein verständnisvolleres Miteinander. Für den Zen-Geist bedarf es der täglichen Kontemplation/Meditation, die das Denken verändern und die Wirklichkeit entschleiern für die Entwicklung von mehr Klarheit und Tiefe. Unsere geistigen Vermögen sind längst nicht ausgeschöpft, aber die Frage ist, ob wir das alles wissen wollen, was uns die Sphäre der Spiritualität zeigt. Dafür bedarf es einer guten Resilienz, die wir gewinnen, indem wir uns vertikal verankern und sich hier die Raumzeit auflöst. Dabei geht es nicht um Intellektualität, sondern um das spirituelle Vermögen der Synthese, der Empathie und der erweiterten Erkenntnisse. Unser eigener Geist ist hier die Quelle der Heilung und der Entfaltung des geistigen Potenzials als ein Durchdringungsvermögen und für eine Korrelation der Bewusstseinsentitäten auch mit dem Unbewussten.

Arbeit an sich selbst

In der westlichen Kultur denkt man in Abhängigkeiten und erwartet oft Lösungen durch andere. Aber wer es gelernt zu denken und sich zu befreien, bleibt hier skeptisch und besinnt sich auf die eigenen Fähigkeiten, Dinge zu durchdringen für ein intensiveres und interessanteres Miteinander

Wir arbeiten nicht primär an uns aus Selbstoptimierungsgründen, sondern weil wir mehr verstehen wollen – auch uns selbst. Viele führen ein Leben an der Oberfläche und möchten auch gar nicht tiefer schauen. Solche Kontakte werden banal und langweilig. Um aber geistig und körperlich in Bewegung zu kommen oder zu bleiben, müssen wir die Eigenkräfte mobilisieren, die nichts mit Vereinzelung zu tun haben, sondern sich um mehr Gehalt in den Kontakten bemühen. Das Leiden am Sinn des Lebens ist oft ein Leiden am eigenen Unvermögen, die Dinge neu zu denken und eingefahrene Ansichten loszulassen, die nichts zu einem besseren Verstehen und einer besseren Verständigung beitragen. In der östlichen Kultur hat man die Hilfe zur Selbsthilfe gelernt. Diese Selbstkompetenz vermittelt ein gesundes Selbstbewusstsein und informiert Geist und Organismus positiv. Im Westen schreit man bei jeder Kleinigkeit um Hilfe und verliert so nach und nach das Bewusstsein für die eigenen Fähigkeiten. Der Mensch schrumpft, anstatt zu wachsen und sich zu entwickeln, auch um ein interessanter Gesprächspartner zu werden. Soziale Kontakte sind nicht einfach vorhanden, wir müssen sie gestalten und sie immer wieder neu betrachten, damit sie produktiv werden können im ganz allgemeinen Sinn. Sie wirken nur, wenn sie sich immer wieder neu auf den anderen einstellen können. Selbstverständlichkeiten lähmen und nehmen den Kontakten ihre Lebendigkeit. Wachstumshilfe auch für andere kann man vor allem auch über eine buddhistische Yogapraxis lernen, die insgesamt den Aufmerksamkeitsprozess erhöht und Missstände schneller erkennen lässt.

Wer am Selbst arbeitet, entwickelt auch das Soziale

Wer also ein Problem hat, sollte zunächst einmal versuchen, es selbst zu lösen. Gespräche bringen nur dann etwas, wenn ich für mich eine Lösung gefunden habe oder eine Haltung, die mir in der Selbstreflexion auch ganz bewusst werden muss. Oft ist die Erreichung des Bewusstseins schon die Lösung des Problems. Aber man braucht Geduld und Zeit, denn nicht alles ist sofort offensichtlich. In Gesprächen wird oft deutlich, wie wenig am Bewusstsein gearbeitet wird trotz der oft hohen Erwartungen an andere. Wenn  ich aber etwas von jemandem will, muss ich dafür auch etwas tun. Nichts ist einfach so vorhanden oder präsent. Wenn ich Aufmerksamkeit will, muss ich auch einen Grund dafür liefern. Wir sind nicht in der Kindheit der Bedingungslosigkeiten. Und Zeit wird immer kostbarer, ich kann sie nicht vergeuden mit Smalltalk und Dampfplauderei, die ja Ausdruck von wenig Bewusstsein sind und die Kontakte nicht vertiefen können. Wer an sich arbeitet, will auch, dass sich Soziales entwickelt. Alle Mühe wäre ja sonst vergeblich. Chronische und schizoide Kontaktverweigerer vergessen, dass der Austausch, die Verständigung manchmal eben notwendig ist und die Unterlassung zu enormen Störungen führen kann. Kontakte kann man zwar nicht erzwingen, aber manchmal muss man sogar in den Kontakt, um ihn dann ganz aufzulösen, wenn das so gewollt ist. Reines Vermeiden lässt zu viele Fragen offen und das Gedankenkreisen um die Person lässt nicht nach. Wir sind soziale Wesen, aber nicht qua Horde, sondern als Ausdruck unserer Identifikationen, ohne die wir keine Gruppen bilden können. Die Selbstidentifikation ist die Voraussetzung für ein bewusstes und wachsames Leben, ohne dass wir keinen Sinn erfahren. Ich identifiziere mich auch nicht über ein Umfeld, sondern bin Gestalter einer sozialen Konstellation mit Anspruch und zwar mit dem Anspruch, den ich an mich selbst stelle. Das ist legitim.

Narzissmus verhindert Wachstum und damit eine reife Auseinandersetzung

Gegen alle Fassaden, Masken und Rollen finde ich also einen Selbstausdruck, der mich eben auch unterscheidet und Entscheidungen erst möglich macht. Bewusstseinsarbeit verdeutlicht die Unterschiede, ohne aber Gemeinschaft unmöglich zu machen. Sie hat eben einen anderen Modus als den einer Gleichheit, die ja eher selten vorkommt. Synthesen müssen also auch hier erarbeitet werden oder bleiben eben auch einfach aus. Aber auch unterschiedliche Positionen können produktiv sein, wenn man denn auf Rechthaberei und pigheadedness (Starrköpfigkeit) verzichten kann. Je weniger ich denke, um so mehr bestehe ich auf Meinungen und Dogmen oder Verschwörungen. Die zu hinterfragen gelingt nur dem offenen Menschen, der sich bewusst mit den eigenen Haltungen auseinandersetzt. Nur der kann sich auch mit anderen auseinandersetzen und anerkennen, dass Konsens kein Zufall ist, sondern ein Prozess der wahrhaftigen Verständigung. Die will gelernt sein wie alle Selbsterforschung, die falsche Selbsteinschätzungen aufdeckt und erlöst.  Erlösung ist also primär eine Eigenleistung in der Erkenntnis, dass ich dafür immer eine höhere Energie benötige und ein höheres Bewusstsein anerkenne. Respekt kann also vor allem der erwarten, der sich bemüht, mehr Licht in die verworrenen Verhältnisse zu bringen und aufzuklären über Unzulänglichkeiten. Auch die Kontroverse will gelernt sein. Sie legt offen und sollte nicht als Destruktion oder Ablehnung verstanden werden. Es zeugt von kindlichem Gemüt, wenn hier nicht unterschieden wird. Jedem Wachstum steht allerdings ein unreifer Narzissmus entgegen, der sich eben nicht ändern will und sein Lied so lange singt, bis es wirklich keiner mehr hören will.

Eine Kirche in Bewegung?

Der synodale Weg hat Vorschläge ausgearbeitet, die längst überfällig waren. Die Frage bleibt aber offen, ob sich die Kirche nun endlich verändern wird oder nicht

Es geht um das Selbstverständnis der katholischen Kirche, die hochmütig über das Schicksal von Menschen gerichtet hat und nun selbst demütig werden muss. Die Demut forderte sie von den Mitgliedern auch durch die Mittel der Ausgrenzung, des Totschweigens, der Vertuschung und der Diskriminierung. Altes klerikales Machtgehabe hat lange genug Menschen unter Druck gesetzt und auch krank gemacht. Jetzt steht die Kirche insgesamt mächtig unter Druck und muss den Ruf nach Reformen und Erneuerung ernst nehmen. Das behagt ganz vielen Vertretern der Kirche überhaupt nicht. Die Frauenordination, die Anerkennung von Homosexualität und Geschiedenen, die Abschaffung des Pflichtzölibats sind für viele noch undenkbar. Die Glaubwürdigkeit hat schwer unter den Missbrauchsfällen gelitten. Die muss sie nun durch überzeugende Veränderungen zurückgewinnen. Ein ewiges weiter so ist nicht  mehr denkbar.  Die Kirche hat viel Vertrauen verspielt und viele Menschen vor den Kopf gestoßen mit ihrer Haltung der Ignoranz, ja der Arroganz.  Diese klerikale Geheimbündelei muss nun einer Transparenz weichen, die für alle eine Erleichterung bedeuten könnte. Sagen, was ist und kein Blatt vor den Mund nehmen ist nicht die Stärke ihrer Vertreter. Sie wollen sich nicht wirklich auseinandersetzen, sehen nicht die Notwendigkeit. Der synodale Weg ist ein Vorstoß in demokratischere Verhältnisse, die den Menschen wieder gerecht werden könnte und in einen freien Dialog ohne Vorbehalte führen könnte. Die Zuversicht in diese heilsame Dynamik fehlt völlig.

Klerikalität ist nicht vorwiegend männlich

Die Männerkirche, die ohne Frauen nur degenerieren konnte, hat ausgedient. Um zu heilen, bedarf es einer Mitwirkung von Frauen bis in die höchsten Ämter. Die Angst, dem Zölibat nicht gewachsen zu sein, brachte eine Misogynie zum Vorschein, die sich bis in viele Haltungen hinein auswirkte. Was nicht männlich dachte, war sowieso suspekt und wurde bekämpft. Diese Kirche hat ausgedient, denn der Missbrauch ist männlich und die Zahl der Opfer auch ganz allgemein ist hoch. Man scheut die Offenheit und damit die Möglichkeit, Dinge wirklich zur Sprache zu bringen für eine bessere und gesündere Verständigung. Der Dünkel männlicher Klerikalität hat heute nur noch einen schlechten Nachgeschmack, weil er die Frau diskriminiert, indem er nicht nur die Weihe verweigert, sondern das weiblich Vermittelnde schlichtweg ablehnt. Aber was macht eine gute Kirche aus? Sicher die spirituelle Begleitung in allen Lebenslagen und ganz besonders in schwierigen. Aber wer wurde nicht alles von der Kirche gerade hier verlassen, weil sie an Dogmen festhält, die unserer Lebenswirklichkeit widersprechen. Man will Menschen weiterhin in ein Korsett zwängen, anstatt sich für ihre Freiheit einzusetzen und für eine reife Spiritualität, die sich auch anderen Religionen öffnet und so neue Angebote integrieren könnte. Die Sinnvermittlung ist auf der Strecke geblieben. Dabei könnte sie ein deutliches Gegengewicht zum profanen Hedonismus liefern.

Eine moderne und bunte Kirche könnte nun möglich werden

Mit überkommenen Vorschriften kann man heute keine Menschen mehr gewinnen. Sie hat ihre Heiligkeit grundlegend verloren auch durch die, die die Kriminellen gedeckt haben und lieber weiter von Sünden sprechen in Bezug auf Homosexuelle und Geschiedene. Das ist peinlich und unverzeihlich. Sie hat nicht differenziert und zeigte keine Barmherzigkeit. Menschen begehren nun auf, aber vielleicht gerät die Kirche auch in die Bedeutungslosigkeit, wenn wieder keine Reformen umgesetzt werden. Zu lange war man sich sicher, dass man die alten Zöpfe noch lange erhalten könnte. Eine aufrichtige und reuevollen Kirche muss ihre Fehler endlich eingestehen und das Fehlende benennen. Sie ist einseitig und eindimensional und vermag Menschen nicht mehr zu begeistern. Das sollte aber wieder ihr Programm werden  mit Menschen, die sich dieser Aufgabe annehmen wollen – egal mit welchem legalen Hintergrund. Starrsinn ist nur noch Schwäche und öffnet nicht den Raum für ein moderne und bunte Kirche. Viele sehen sich nicht integriert und treten aus. Um Menschen wieder zu gewinnen, bedarf es nun besonderer Anstrengungen und Wiedergutmachungen, auch um das wahrhaft Heilige zu retten. Menschen möchten der Kirche wieder vertrauen können. Dafür muss sie jetzt viel leisten, wenn sie denn endlich in Bewegung kommen würde.