Good Fight Club oder Mount Stupid?

Die Demokratie ist in Gefahr und das liegt auch an jedem Einzelnen, dem offenbar der „Mistdetektor“ fehlt und der sich in gnadenloser Selbstüberschätzung in Autokratismen ergeht und diesen folgt

Adam Grant hat ein inspirierendes und humorvolles Buch geschrieben mit einem ernsten Hintergrund: dem Abstieg der Demokratie und der Idolisierung von Autokraten, die sich nicht mehr verständigen und etwas aushandeln wollen durch gut erwogene Argumente, sondern in absolutum vermeintliche Wahrheiten vertreten und die Auseinandersetzung unterbinden. “ Eine Auseinandersetzung zu meiden ist schlechtes Benehmen. Schweigen missachtet den Wert eurer Ansichten und unsere Fähigkeit, eine zivilisierte Meinungsverschiedenheit auszutragen.“ so Adam Grant. So richtig hat die Menschheit diese Fähigkeit nicht erworben, weil der Narzissmus des kleinen Egos viel stärker ist als die Intelligenz auch zur Selbstkorrektur. Sich einlassen auf Argumente ist wahres Selbstbewusstsein, aber damit ist es bei vielen nicht weit her. Sie verteidigen ihre langweilenden, oft komplett humorlosen und störenden Beschränktheiten, die ein Miteinander so gut wie unmöglich machen. So entwickeln sich lauter kleine Reichsbürger, die die höheren Kompetenzen nicht mehr entwickeln können aufgrund ihrer Dummheit, die darin besteht, dass sie zu Karikaturen der Besserwisserei entarten, ohne Gegenargumente auch nur anzuhören. Das ist der autokratische Absolutismus, der sich auch hinter mancher esoterischer Ideologie verbirgt wie der Astrologie, worauf schon Theodor Adorno hinwies.

Die Unabdingbarkeit der flexiblen Selbsterkenntnis

Keine noch so ausgefeilten Konzepte können die Selbsterkenntnis ersetzen, die bei guter Menschenentwicklung immer auch Selbstkritik beinhaltet, denn es gibt sonst keinen Fortschritt, keine Entwicklung, kein inneres Wachstum mehr. Manch einer glaubt, der Fortschritt bestünde darin, immer dasselbe zu behaupten, auch wenn es falsch und dumm ist. Diese verunstaltete udn verunstaltende Ichdurchsetzung richtet großen Schaden an, weil Falsches und Unzulängliches nie mit neuen Dogmatismen überwunden werden kann, sondern nur mit mehr Diskursdynamik für wirklich gute Lösungen. Eine narzisstische Gesellschaft/Menschheit hat genau dies nicht gelernt und sieht sich selbst sofort bedroht, wenn sie kritisiert wird. Meistens schlägt sie dann wild um sich, wird giftig und ausfallend bzw. abwertend, kann nicht bei der Sache bleiben. Wenn der Einzelne Demokratie nicht begreift oder akzeptieren will, fällt er auch wieder auf sich selbst herein bei anderen Autokraten und Antidemokraten. Er durchschaut die Gefahr des Rückschritts nicht, erfasst nicht die Struktur des Abstiegs in den Faschismus, der sich dann der Gewalt bedient gegen jede Form des vernünftigen und klugen Diskurses. Verweigerung von Debatten und Diskursen ist schon eine Form der Gewalt. So werden Demokraten als dumm bezeichnet von denen, die absolutistisch auf dem Mount stupid sitzen und ihre Lächerlichkeit nicht begreifen. Der blinde Fleck wird immer größer, denn er wird nicht mehr durch kluge und wohlwollende  Auseinandersetzung relativiert. Bildung ist nicht eine Anhäufung von Wissen, sondern die Fähigkeit, Andersdenkende einzubeziehen und so eventuell zu realistischen und verbessernden Lösungen zu kommen. Auch das Selbst wächst nicht durch Größenwahn und dummdreister Behauptungen, die als die Wahrheit verkauft werden, sondern durch Hinhören, überlegen und abwägen. Das macht ein Gespräch interessant und spannend und den Menschen attraktiv. Gibt es etwas Unattraktiveres als einen kleinen lächerlichen Despoten, der mit einer unsichtbaren Krone der Selbstüberschätzung herumläuft?

Den Mistdetektor aktivieren

Der Besserwisserei hat mehr Selbstvertrauen als Kompetenz und das ist mehr als unerträglich, denn an ihm prallt jedes Argument und Korrektur ab. Selbstbewusstsein ist nicht die Summe der Dogmatismen, sondern das Eingehenkönnen auf widersprechendes Denken, ohne dass das Ego ins Wanken gerät und das Eidechsengehirn aktiviert (Amygdala), das dann nur kampfbereit ist und die Waffen mobilisiert. Wahren Frieden kann nur der schaffen, der respektiert, dass es sicher nicht nur eine Wahrheit gibt und dass wir Menschen uns eben verständigen müssen, anstatt dass wir alle ins selbe Rohr blasen. Wer wahres Selbstbewusstsein hat, kann andere in ihren Erkenntnissen und ihrem Denken wertschätzen und respektieren. Wer sich auf ein Podest stellt, ohne die Gegenmeinung auch nur zu begreifen, der wird wohl auch recht schnell ziemlich einsam werden und sollte sich nicht über seine Isoliertheit beklagen. Im Gespräch zu bleiben ist menschenfreundlich und fortschrittsorientiert. Nichts muss bleiben, wie es ist. Etwas starr festhalten zu wollen, richtet sich gegen die Lebendigkeit und fällt entsprechend erstarrend auf einen selbst zurück. Offen zu werden für einen „Mistdetektor“ im Sinne der Metakognition wäre eine sehr humane Lösung für viele Probleme, die Menschen produzieren. Größe zeigt sich in der Fähigkeit, sich selbst zu korrigieren und immer weiter zu lernen, anstatt Thesen zu vertreten, die vor über 30 Jahren eventuell einen Sinn gemacht haben (was auch oft fraglich ist).

Viel Freude beim Lesen des Buches von Adam Grant und beim Gestalten dieser so wertvollen Demokratie.

Adam Grant: Think again. Die Kraft des flexiblen Denkens. Wie wir gewinnen, wenn wir unsere Pläne umschmeißen. München 2024

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