Das Einheitsbewusstsein braucht auch einen Differenzierungsprozess

Dass Menschen sich wieder an der spirituellen Ganzheitlichkeit des Daseins orientieren, ist der Fortschritt. Aber die Idee und die Erfahrung eines Einheitsbewusstseins muss intellektuell unterscheiden und hat eine ethische Komponente, die eben nicht alles einschließt

Viele Bewusstseinsforscher reden von Verbundenheit und Einheitserfahrungen, die die Polarisierungen überwinden sollen und das Gute sowie das Böse, Licht und Schatten, Geist und Materie als eine Art Zusammenschau erfassen. Dem möchte ich hier widersprechen, denn Meditation führt nicht nur in dieses Einheitsgefühl, sondern vermittelt Einsichten, die klarer und deutlicher differenzieren und den Differenzierungsprozess nicht aufheben. Solche Simplifizierungen halte ich für schädlich, denn die Teleologie in Richtung Evolution bezieht sich auf die Vervollkommnung des Menschen durch das universelle Bewusstsein. Ich mag mir auch keinen Gott vorstellen, der das Böse als Notwendigkeit betrachtet, das zu einem entsprechenden Ganzen führt. Das Einheitsgefühl ist eindeutig ethisch und will das Böse ausgrenzen und nicht einschließen. Diese Polarität wird zugunsten des Guten überwunden. Das gilt auch für Geist und Materie. Wenn ich der Ansicht bin, alles sei miteinander engstens korreliert, steht die Freiheit auf dem Spiel und ich kann nicht über meinen Körper entscheiden, denn alles wäre mechanistisch-kausalistisch miteinander verbunden. Das universelle Bewusstsein erlaubt eine gewisse Entkörperlichung, so dass der Geist den Organismus transformieren kann auch durch Entscheidungen. Hier liegt in der Einheit die Priorität des Geistes, dem die Materie untergeordnet ist. Wir sind also in der Lage, diese Hierarchien zu schaffen, weil ein universelles Bewusstsein das Selbst entkoppelt von Ego und Ich (Identität) und der Mensch so zum Beobachter des Bestehenden und des Gewordenen wird und über diese Verbundenheit mit sich selbst Identifizierungen auch wieder aufheben kann, wenn sie nicht tragen oder ins Unglück geführt haben. Das universelle Bewusstsein ermächtigt so den Geist.

Wir sind nicht unser kleines Ego

Diese Einheitserfahrung als göttliche distanziert sich von dem Negativen und fühlt sich in die Richtung des Guten gezogen. Man kann nicht zu dem Schluss kommen, Gott habe das Böse gewollt, das wäre eben Gottesferne. Das Böse ist an das eingeschlossene, triebhafte, determinierte und so auch archaische Ego gekoppelt, das auch dann alle negativen Emotionen entwickelt, wenn es keine Wahl hat. Und es hat ohne die Öffnung durch Geist und durch ein universelles Bewusstsein keine Wahl und keine Freiheit.  Der unfreie Mensch ist nur mit seinem kleinen Ego konfrontiert, das oft auch in seiner Opferrolle verharrt, ohne sich lösen zu können. Es wird dann schädigend, wenn es immer wieder negativ genährt wird und der Mensch nicht das loslässt, was nicht funktioniert. Jede Engführung, Festlegung, Erstarrung und Nichtentwicklung beinhaltet ein hohes Frustrationspotential und gefährdet auch die eigene Gesundheit. Wenn ich aber annehme, der Mensch hat vertikale und horizontale Instanzen in sich selbst, die er bei entsprechendem Bewusstsein wechseln kann, um einerseits klarer sich selbst zu beobachten und damit sich auch besser distanzieren und positionieren zu können in Bezug auf das, was wirklich das eigene Selbst ausmacht gegen alle möglichen untauglichen Konstrukte und Vorstellungen, dann stehen ihm Möglichkeiten zur Verfügung.  Diese wohl doch angelegte hohe Flexibilität des Menschen ist seine enorme Kompetenz, sich selbst zu heilen und eine innere Freiheit zu gewinnen für die Bewältigung dieses Lebens. Sein kleines Ego ist der Auswuchs seines Körpers, von dem man sich lieber nicht tyrannisieren lässt.

Offen werden für den inneren Wandel

Und universelles Bewusstsein ist kein Überich, das allgemeine Normen repräsentiert, sondern es wirft ein Licht auf das innere göttliche Selbst, das darin besteht, dass es sich als unverletzbar und regenerierbar erlebt. Von da aus kann es auf alle anderen Instanzen Einfluss nehmen und in tiefer Verbundenheit vorerst mit sich selbst auch nach außen wirken – unabhängig von negativen Erfahrungen, die den Menschen dann eben nicht determinieren. Diese Energie wirft ihr Licht auf alle unsere Daseinsbereiche und korrigiert dort, wo man die falsche Richtung eingeschlagen hat oder wo sich Inhalte auch einfach überlebt haben. Offen zu bleiben für den Wandel ist die beste Prävention gegen psychische Erkrankungen, die vor allem über falsches Anhaften entstehen, anstatt zu begreifen, dass der Sinn darin liegt zu erkennen, dass etwas gänzlich falsch gelaufen, man unpassenden Menschen begegnet ist oder eben in Milieus geraten ist, die man bei vollem Bewusstsein komplett ablehnen würde. Wir sind nicht immer so achtsam und bewusst und schlittern dann in Situationen hinein, die sabotieren. Das geschieht permanent und deswegen ist es so wichtig, das Selbst zu aktivieren, auch um sich vor Menschen zu schützen, die durch Unachtsamkeit viel Schaden anrichten können. Es ist also nicht der innere Zensor (der auch schon vielen Menschen für die Korrektur fehlt), sondern die innere göttliche Führung, die uns stark und schlichtweg besser macht, damit wir nicht unter die Räder kommen. Dieses Bewusstsein entwickelt eine moralische Evolution, durch die wir uns für das Gute, den Geist, die Erkenntnis entscheiden und nicht einen Einheitsbrei verkünden, der dem Bösen einen Sinn verleihen möchte. Es hat keinen, es ist sinnlos. Gott ist Evolution und muss erarbeitet werden. Ohne diesen inneren Aufstieg bleibt er verborgen und kann nichts bewirken. Gott ist also an unser höchstes Bewusstsein gekoppelt und erhält so Zugang zu unserem tiefsten Innersten.

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