Die rationale Säkularisation ist ein Gebiet der einengenden Ernüchterung und Emergenzbehinderung, denn nicht alles im Leben folgt der Ratio
Die Entdeckung der Gedankenwelt in Büchern und im Leben kann etwas sehr Inspirierendes sein und ist eine geheime Ebene der Zufälle. Meistens machen wir solche Erfahrungen in der Jugend, wenn die Welt noch heil und unversehrt ist. Die Welt der dubiosen Hintergedanken in Richtung Instrumentalisierung für die eigenen Bedürfnisse ist fern. Man möchte diese Zeit lange erhalten, weil es eine heile Welt der reinen Empfindung ist, die uns die Epoche der Romantik erhalten wollte. Wir lieben das, weil es eine Gegenwelt ist zu unserer scheinbar aufgeklärten und säkularen Zeit. Wenn man ehrlich ist, wünscht man sich diese Zeit zurück, damit all das Hässliche, Durchtriebene und Unerträgliche verschwinden möge. Ein amerikanischer Film 30 über Nacht thematisiert diese Sehnsucht auch nach lebenslanger inniger Liebe, die bis in die Kindheit zurückreicht. Die Protagonistin wünscht sich schnell 30 und erfolgreich zu sein. Dieser Wunsch geht in Erfüllung, sie hat aber plötzlich das Bewusstsein einer 13-jährigen und ist entsetzt über ihr oberflächliches und werte- bzw. liebloses Leben. Ihren Jugendfreund trifft sie wieder und verliebt sich in ihn und damit in den, von dem sie sich als Jugendliche getrennt hat. Sie macht einen Prozess der Wandlung durch, kann aber die Hochzeit ihres Freundes nicht verhindern. Der Film endet damit, dass sie wieder eine 13-jährige wird mit dem Bewusstsein, das Leben noch einmal leben zu dürfen: Sie umarmt überglücklich ihren Jugendfreund. Nun, unser Leben verläuft nicht ganz so kathartisch, aber wir können manchmal unser Jugendbewusstsein aktivieren und uns fragen, was damals so anders war und meistens auch so hoffnungsvoll. Wenn man sich diese Zeit im Bewusstsein wach hält, bleiben wir auch innerlich und auch meistens äußerlich jung. Man erkennt dann im Antlitz eines Menschen die (oder den) Jugendliche(n), die man gewesen ist und das Auge wird nicht trüb.
Die Spielräume der Magie entdecken
Krank wird der Mensch, wenn sich die Dinge gegen ihn richten und man nicht einmal weiß, warum das geschieht. Leute reagieren auf etwas, was sie nicht verstehen und greifen in das Leben anderer Menschen ein. Hier beginnt alles zu schwanken, das Leben fällt aus dem Gleichgewicht. Es ist die Welt der Klugscheißer und Besserwisser, die ihre Moralvorstellungen auf alles und jeden projizieren. Unser Leben muss aber selbstbestimmt bleiben, auch wenn der Weg nicht der geradeste ist. Der Mensch darf sein Selbstverständnis nicht verlieren. Die äußeren Zwänge sind nicht so gewaltig, dass man sie nicht auch ignorieren könnte. Der Mensch braucht die Spielräume und er braucht die Magie des Lebens, in der alles anfängt zu leben und zu leuchten und vor allem nichts beschädigt wird. Es ist eine achtsame Welt auch der Fantasie, die nicht aus der Realität führt, sondern sie bereichert im Bewusstsein einer reinen Unversehrtheit. Für viele ist das utopisch, aber wir brauchen für die reine Liebe diesen Bereich der Unantastbarkeit. Nur so geht man ehrfurchtsvoll miteinander um und erfährt das Tiefste und Schönste im Leben. Heute fällt man übereinander her, instrumentalisiert den anderen heimlich oder offensichtlich und entwürdigt unsere Sehnsucht nach tiefer Empathie, dem Verstehen, ohne sich endlos erklären zu müssen. Das geht nur, wenn wir den tiefsten und heiligsten Bereich eines Menschen berühren, sein innigstes Gefühl. Die Säkularisierung der Liebe hat uns eine Abgebrühtheit beschert, die niemanden wirklich berührt. Den notwendig romantischen Gegenentwurf thematisieren kann in erster Linie nur die amerikanische Kultur. Die Abgründigkeit manchen Denkens ist wenig interessant, damit werden wir aber bombadiert und so auch indoktriniert.
Die Möglichkeit des unversehrten Beisichseins
Wir sehen vor allem beim Dalai Lama eine unerschrockene und unvoreingenommene Herzlichkeit, die nur dann möglich ist, wenn man sich über alles Verletzende in dieser Welt hinwegsetzen kann und für sich eine Welt der humorvollen Absichtslosigkeit kreiert. Wenn wir ihn sehen, werden wir an diese Momente im Leben erinnert, die tragen und Sinn stiften gegen eine Welt der emotionalen und rationalen Grausamkeiten. Der Mensch braucht den Schutz seiner Seele durch eine Spiritualität, die aufgrund von erhöhter Wachsamkeit Begegnungen ermöglicht, die tief berühren können und eigentlich nicht planbar sind. Solche emergenten Zustände haben wir aber selbst in der Hand, sie sind erreichbar, indem man das Unerträgliche erkennt und sich abwendet für ein Leben in höchster Bewusstheit. Hier will vieles stören, aber der Mensch muss sich hier innerlich rüsten und die Pfeile der Verletzungen abwehren durch die Versicherung einer inneren Freiheit, die nicht tut, was sie will, sondern nur ein Raum der guten Möglichkeiten bedeutet, das Leben zu gestalten. Es ist ein Beisichsein, das aufgrund der gesammelten Energien wieder zu strahlen beginnt und das Verunstaltende hinausschmeißt und zurückweist. Hier gibt es keine Verletzungen, denn wir sind geschützt in einer umfassenden Liebe., die uns herausholt aus der Enge der Weltlichkeit und so wieder die Gesundheit aus einer Zeit der Unversehrtheit eröffnet. Institutionen können uns das nicht bieten, auch sie verweltlichen sich durch Ideologien, die der Mensch immer dann zu Rate zieht, wenn er dem höheren Bewusstsein nicht mehr vertraut. Gott ist hier abwesend und vieles, was geschrieben steht, ist falsch und missverständlich. Die säkularisierte Spiritualität, die die Sozialstrukturen in den Vordergrund stellt, vernichtet unser schönstes Potenzial, eine Welt des Zaubers und der Magie zu erhalten. Emergenz ist ein ganzheitlicher Prozess, der vor allem auch das Gefühl anspricht.