Der Theologe David Berger zeigt in seinem gleichnamigen Buch eine katholische Kirche, die man nur als bedenklich bezeichnen kann. Eine Kirche, die Liebende diffamiert, denunziert und diskriminiert, hat sich weit von der christlichen Kernaussage entfernt. Fundamentalisten gehören eigentlich in die Mottenkiste und sind eine Gefahr für die Demokratie und das Wohlergehen von Menschen. Wer die Bibel heute noch wörtlich nimmt, will sich durch Ausgrenzung abgrenzen und das Schlechte im anderen sehen: Der Klerus gegen die vermeintlich sittenwidrige Zivilgesellschaft. Darin kann man keine christliche Botschaft mehr erkennen. Diese Haltung ist mehr als fragwürdig, denn eine Kirche sollte für Menschen da sein und sie auf ihren oftmals schwierigen Wegen spirituell begleiten. Dafür muss man aber die Menschen lieben, ihre Probleme verstehen, anstatt zu verurteilen. Menschen haben Gründe für ihre Entscheidungen, sie sind mündige Wesen, die man ernst nehmen muss.
Dass in diesem Männergesangsverein Frauenfeindlichkeit, Homophobie und Antisemitismus immer noch salonfähig sind, ist für den aufgeklärten und denkenden Menschen nicht erträglich. Erstaunlich ist, dass sich nun gerade Homosexuelle von der katholischen Kirche angezogen fühlen. Man kann das nur als eine Art Masochismus verstehen, der dann zu einem Sadismus in Bezug auf andere führt. Wer sich in seinen Neigungen nicht angenommen fühlt, der kann auch andere nicht anerkennen. Ein zutiefst krankes System, das wenig Affirmatives hervorbringen kann. Erzkonservative klammern sich an Worte aus einer Zeit, in der Menschen noch nicht so sein konnten, wie das heute zum Glück möglich ist. Das ist eine Frage des Wissens und der Toleranz. Das heterosexuelle Modell zu verabsolutieren und zu glorifizieren ist nicht begründet. Wir sind nicht auf der Welt, um uns beliebig fortzupflanzen.
Die Kirche macht sich selbst überflüssig, wenn sie den Fundamentalisten hinterherläuft und sich nicht auf das besinnt, was sie positiv leisten könnte: eine Stütze für Menschen zu sein, die sich an die liebende Botschaft Jesus Christus halten wollen und dafür die Kraft einer annehmenden Gemeinschaft brauchen und suchen. Die Liebe in Gottes Liebe zu erkennen und zu leben ist der beste Weg des Gelingens und der moralischen Orientierung. Wo ich im Einklang mit Gott bin, da kann nichts Unrechtes geschehen. Und die Möglichkeit, eine reife Sexualität zu leben ist auch der beste Schutz vor krimineller Pädophilie. Wer stark genug ist, kann auch den freiwilligen Zölibat leben. Auch dafür gibt es gute Gründe. Alles sollte aber ohne Gewalt und ohne Unterdrückung geschehen.
Der Mensch braucht heute weniger eine Moralagentur als eine Institution der Wahrhaftigkeit. Hier mangelt es. Das Leben verlangt viel Verstellung und Anpassung an unsinnige Gegebenheiten. Wie schön wäre es, wenn die Kirche ein Ort des Angenommenseins bedeuten würde gegen zunehmende Instrumentalisierung. Die Einzigartigkeit eines jeden könnte sie heiligen als Gottes Schöpfung und nicht den Mitläufer, der den oftmals schlechten Status Quo zementiert. Sie könnte Menschen ermutigen, ganz sie selbst zu sein und sie auf diesen Wegen der Gemeinschaftssuche begleiten gegen Vereinzelung und Isolierung. Es gäbe so viel zu tun für ein diesseitig glücklicheres Leben gegen Hass, Verleumdung und schwerste Diskriminierung. Bemühen wir uns also um mehr Offenheit und wahre Nächstenliebe in den Kirchen.
Das Nachdenken über die Frauenpriesterschaft sollte kein Tabu sein, denn Frauen haben Eigenschaften, die das Zusammenleben befördern gegen Sektierertum und elitäre Zirkel. Vielleicht haben sie auch das bessere Verhältnis zur Wahrheit. Vieles spricht dafür. Uns täte mehr Wahrhaftigkeit gut in allen Bereichen unseres Seins. Ihre Rationalität ist nicht eine losgelöste, sie ist intentional gegen ein l’art pour l’art des meist selbstgefälligen männlichen Denkens, das oft Tatsachen schaffen will, die nicht der Wirklichkeit entsprechen. Sackgassenproduzenten braucht niemand, sondern Menschen, die immer wieder in der Lage sind, auf Menschen zuzugehen und Konflikte wirklich aufzulösen. Feminismus und Christentum sind vereinbar. Kann sich die katholische Kirche auch für diese Haltung öffnen?
Man muss sensibilisieren für die blockierenden Ambivalenzen gerade in der katholischen Kirche. Wo sich Menschen verstellen müssen und offenkundige double-bind-Strukturen herrschen, entsteht kein Klima der Entfaltung, der psychischen Reifung. Dieses Entwicklungshindernis führt dann zu einem fundamentalistischen „Traditionalismus“, der sich nicht mehr hinterfragt und sich abschottet gegen jede Veränderung. Die Psyche dahinter ist eine unterdrückte und unterwürfige, aber keineswegs der aufrechte Gang. Der führte in der Vergangenheit zum Rausschmiss vieler genialer Menschen, die die katholische Kirche hätten reformieren können. Dieses Klima der Abweisungen, der Diskreditierungen und Denunzierungen widerspricht einem christlichen Verständnis vehement. Hier verliert die Kirche auch ihre Glaubwürdigkeit. Sich gegen wohl begründete demokratische Prozesse abzuschotten ist ein Fehlverständnis dessen, was Christentum leisten soll. Die Kirche traut dem vermeintlich sündigen Menschen nichts zu. Mit dieser Haltung kann sich eben darum auch keiner mehr identifizieren. Verstehen wir den Sinn der christlichen Botschaft also richtig, dass Christus die Befreiung zum Glück wollte und nicht die Nachfolge seines Martyriums.