Der vertikale Weg

Jetzt in der Vorweihnachtszeit kann sich jeder fragen, was ihn im Leben beglückt und was er ablehnt. Diese Orientierung ist wichtig für die Entwicklung von reifer Spiritualität

In schweren Zeiten ist es unerlässlich, den inneren Halt zu bewahren gegen alle Widrigkeiten dieser Welt. Dafür müssen wir uns selbst sehr gut kennen und auch unsere Grenzen. Was wir nicht ertragen und nicht akzeptieren, muss deutlich thematisiert werden, damit es uns nicht aus der Bahn wirft. Der vertikale Weg ist ein Schutz vor den Angriffen, denen wir ausgesetzt sind, aber er ist auch ein langer Weg, der sich nicht bewusst sehr früh im Leben einstellt.  Gemeint ist nicht die Frömmigkeit, sondern das Wissen um die Möglichkeit, dem Leben eine Bedeutung zu geben, die von allem Weltlichen absieht. Das heißt aber nicht, dass man den Boden der Tatsachen verlassen könnte. Ohne diese Boden verlieren wir auch den spirituellen Halt, den kein anderer Mensch ersetzen kann. Nichtspirituelle Menschen überfordern andere dahingehend, dass sie das eigene Leben mit Bedeutung füllen sollen. Das ist nicht nur eine Überforderung, sondern auch ein schwerer Übergriff. Der Mensch will sich hier nicht selbst bemühen, einen Weg zu Gott zu finden, der ihn aber auch mit der vollen Realität konfrontiert., das eigene Leben so kritisch wie möglich zu betrachten und den Aufruf zum Wachstum zu hören. Wir sind nie vollständig angekommen, wir müssen den Weg offen halten für Veränderungen und Selbstkorrekturen, die vertretbar sind und in unser Lebensgefühl passen. Wenn das Lebensgefühl verloren geht oder stark beschädigt wurde, haben wir die Pflicht und die Möglichkeit, es wieder zu erwecken auch für die Stabilisierung unserer Identität. Es wird sehr beschwerlich, auf den vertikalen Weg zu festigen, wenn man seine Probleme nicht gelöst hat.

Wer sich selbst verfehlt, der verfehlt auch andere

Wir Menschen können nicht jeden lieben, auch wenn wir spirituell sehr entwickelt sind, da die Nichtentwickelten eben unter uns leben und uns mit ihrer Unfähigkeit, den vertikalen Weg zu gehen, belasten. Wir können eine gewisse Toleranz entwickeln, aber auch die hat Grenzen. Wir sind schlichtweg überfordert, wenn wir alles akzeptieren sollen. Das hat keine Realität und macht auch zutiefst unglücklich. Aber wir müssen auch aus den Konfrontationen heraus in eine Sphäre der Gelassenheit, die wir uns im vertikalen Weg erarbeiten, damit nicht Unzulänglichkeiten  zum Sturz führen in den Bereich der Unwissenheit, der Unklarheit und der Geworfenheit bzw. Ungeborgenheit. Wer in Gottes Haus einzieht, der kann aufsteigen in einen Bereich innerer Ordnung und Sicherheit und ist auch in der Lage, die Diebe im Tempel zu vertreiben auch mit ihrer Aura der Dunkelheit, die sie nicht ergründen wollen.  Erleuchtung kennt keine Depression. Verstimmungen können leicht behoben werden, sie sind nicht fundamental. Ohne die Arbeit an sich selbst ist der vertikale Weg verstellt. Wir brauchen das Wissen um uns selbst, das kein anderer erreichen kann. Wer sich also anderen überantwortet, der geht das Risiko ein, dass er sich selbst verfehlt und das ist nicht gottgewollt und führt nicht auf den spirituellen Weg. Was es auch sei, es muss das Eigene erkannt und möglichst auch gelebt werden, damit ein Abstieg aus dem Wissen verhindert wird. Wer also nicht ganz bei sich selbst angekommen ist, der kann auch bei anderen nicht ankommen. Es führt auch keine Abkürzung auf den vertikalen Weg.

Das Unbewusste ist kein Schicksal

Über den vertikalen Weg in die Spiritualität erfahre ich , ob meine Abneigungen und Vorlieben relevant sind oder ob sie korrigiert werden müssen. Ich kann mich dieser Zensur gar nicht entziehen. Es gibt immer ein Feedback. Wer ratlos, ärgerlich, traurig und depressiv wird, der ist auf dem falschen Weg.  Mit Gewalt und reinem Wollen ist es eben nicht getan. Der Mensch, der sich die Welt aneignen will im Sinne von Vorstellung und Wollen, der wird frustriert und lebt ein Leben in Unbewusstheit, die zutiefst deprimieren kann. Es ist also Aufgabe, diese Unklarheiten zu beseitigen, wenn sie immer wieder auftreten. Eine Verankerung ist notwendig, die uns vor aller Beliebigkeit schützt. Wer sie nicht im vertikalen Weg findet, bleibt unterbelichtet und macht Fehler, die sich negativ auswirken. Sinn und Bedeutung finden wir nur dann, wenn das innerste Ich frei wird und ich wachsen kann in den Bereich von Möglichkeiten, die mit dem innersten Wissen um sich selbst kompatibel sind. Das völlige Absehen von sich selbst, d.h. die Überwindung des Selbst gelingt vielleicht in einem Kloster, aber nicht innerhalb dieser Welt, in der wir bestehen müssen und uns auch schützen müssen, denn alle unsere Fähigkeiten, Interessen, Neigungen und Begabungen sind mit unserem Ich verbunden. Ichentgrenzung ist innerhalb einer profanen Welt ein großes Risiko. Hier sind wir aufgefordert, so viel Bewusstheit zu erreichen, dass wir nicht geschädigt werden und keinen Schaden zufügen. Der vertikale Weg ist immer auch eine Rückversicherung dahingehend, ob ich das Richtige tue. Wo er massiv gestört wird, wo das Lebensgefühl beschädigt wird, davon muss man Abstand halten.  Diesem Gefühl können wir aber nur vertrauen, wenn wir tief spirituell verankert sind und begreifen, dass wir dem Unrecht auch anderer hier etwas entgegensetzen können auch gegen die Ohnmacht. Wahre Selbstwirksamkeit  erfahre ich im Gebundensein  an  Gott.

Wahrer Fortschritt

Ganz grundsätzlich müssen wir uns fragen, ob das Unbewusste eben nur das Unerleuchtete ist und deswegen gewöhnlicherweise einen so großem Raum einnimmt. Die Konvention behauptet, wir seien durch das Unbewusste gesteuert. Lebensauftrag ist aber, diese Motivationen zu durchschauen für mehr Reinheit und Klarheit auch im Miteinander. Ohne diese Bereinigungen bleibt alles nur oberflächlich und eine Forderung von außen, die wir nicht bejahen können. Systemzwänge schaffen keine Klarheit und keine Bewusstheit, sie stören die Einsichten und der Mensch fällt zurück und verfehlt die wahre Spiritualität, die sich eben nicht korrumpieren lässt. Unbewusst Handelnde sind eigentlich nur ein Problem und nicht die Lösung, denn sie gehen nicht den oft mühevollen Weg in die Selbsterkenntnis, die aber Auftrag ist und ohne die der Mensch auch im Dunkeln tappt und auch überall hineintrampelt. Es liegt an uns selbst, ob wir vom Unbewussten dominiert werden oder den Weg höchster Bewusstheit gehen. Dieser Weg ist nicht bequem und er erfordert, die Wahrheit zumindest annähernd zu finden und so weit aufzuklären, wie dies möglich ist.  In der Aufklärung liegt die Möglichkeit zum Fortschritt, den wir alle benötigen, um die Unwissenheit auf so vielen Gebieten vor allem in Bezug auf den Menschen zu überwinden. Wir werden politisch aufgefordert uns zu technisieren, verstehen aber den Menschen immer noch nicht wirklich, machen hier wenig Fortschritte. Das reine horizontale Funktionieren ist kein Garant für tiefes Wissen, das wir in Zukunft benötigen, um nicht falschen Idealen zu unterliegen. Wenn wir das begreifen, verstehen wir den Sinn von Religion, die den vertikalen Weg unterstützen muss, der viel Sensibilität und Differenzierheit vorausssetzt und nur so wahre Stütze sein kann.

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