Achtsamkeit

Bei allem, was wir tun oder nicht tun, müssen wir uns fragen, wie dies beim dem Anderen ankommt. Unterlassungen sind ebenso virulent wie schädigende Handlungen. Der Mensch muss sich orientieren in dieser Welt. Nur wer im Kloster lebt, kann das Schweigen vielleicht vorübergehend zur Tugend machen. Innerweltlich ist es eine Verweigerung der Kommunikation und damit eine Verletzung der Sprache. Wir haben zum Glück die Sprache, um uns zu verständigen und somit Orientierung zu geben. Das sind wir uns schuldig als Menschen – gerade auch dann, wenn man anderer Meinung ist. Die „Funkstille“ zwischen Menschen kann krank machen, was Tina Soliman in ihrem so genannten Buch dokumentiert hat. Jemanden wie Luft zu behandeln ist ein schwerer Affront, eine egozentrische Haltung, eine Aggression, die den anderen überhaupt nicht antizipiert. Es fehlt das Einfühlungsvermögen oder es ist eine sadistische Neigung, den Anderen gezielt zu verletzen.

Viele Probleme, Vorurteile und Missverständnisse lassen sich durch Kommunikation auflösen. Meistens erkennen wir dann auch, dass viele Polarisierungen nicht der Realität entsprechen. Ohne Kommunikation drängen wir andere in eine Antihaltung hinein, auch in eine Verzweiflung, weil Nähe so zu einer unüberbrückbaren Distanz wird, die Schmerzen verursacht und nicht angemessen ist. Sicher, wir können nicht mit jedem intensiv verbunden sein, aber wir sind in der einen oder anderen Art doch verbunden. Verletzungen können stärker binden als Sympathien. Solche verhängnisvollen „Beziehungen“ (Verstrickungen)  müssen aufgelöst werden. Soweit sollte jedermanns Intelligenz eigentlich reichen einzusehen, dass diese Notwendigkeit besteht. Narzissmus hindert Menschen daran, diesen Weg zu gehen. Die Einstellung, dass man es nicht nötig habe, ist natürlich nur arrogant (Arroganz ist übrigens nie attraktiv!).

Klug ist, was angemessen ist, und für die Einsicht in die Angemessenheit einer Haltung und Handlung sollten wir unser Herz befragen und nicht den Verstand, denn der rechtfertigt nur die eigenen Defizite und verabsolutiert die eigene Position. Vernünftig ist die Handlungsweise, die ein Problem lösen kann und es nicht künstlich verlängert, bis die so Geschädigten ihre anderen Möglichkeiten verlieren. Die meisten Menschen machen sich nicht klar, wie ideologisch und paradigmatisch beschränkt sie sind. Die Einnahme fremder Perspektiven ist ihnen unmöglich. Davon lebt aber unsere Kultur und die sollte man nicht unterschätzen in ihrer Gemeinschaft stiftenden Leistung. Wir arbeiten auch ständig an der Differenzierung der Sprache, um uns besser zu verstehen und dadurch das Miteinander erleichtern zu können. Dieser Prozess um diese Bemühungen darf nie aufhören, denn daran hängt die gesamte Zivilisation. Schweigen kann man dann, wenn alles geklärt und gesagt ist und man auch dem Anderen die Rede nicht verweigert hat. Nur so können wir mit der Vielfalt der Erscheinungen umgehen. Es lässt sich nicht alles auf eine Linie zwingen. Das wäre eine totalitäre Haltung, die in einer Demokratie nur verletzt und eine Form der strukturellen Gewalt bedeutet. Gewalt in welcher Form auch immer schädigt.

Es fehlt offenbar immer noch an Sensibilität für solche Abweichungen vom Konsens der  Akzeptanz der Pluralität, über die wir uns verständigen müssen. Nur wer die Grenzen der Legalität überschreitet, sollte auch sanktioniert werden. Moral ist immer sehr differenzierungsbedürftig und bedarf einer tiefen Betrachtung. Wer hier auf oberflächliche Konventionen zurückgreift, kann sehr  ungerecht werden und  das Problem verfehlen. Wir sollten uns der Bedeutung bewusst bleiben, dass wir immer zu wenig wissen und uns bemühen müssen, diesen Mangel zu beseitigen für mehr Humanität. Davon hängt das Gelingen des Lebens ab, ob wir uns in dieser Frage verständigen können, wie wir leben wollen. Wer hier an Fortschritt glaubt und vertraut, dessen Leben kann sich weiterentwickeln.  Menschen verletzen auch Menschen, weil sie den Fortschritt in den Erkenntnissen nicht wahrhaben wollen. Entwickeln wir also ein Bewusstsein dafür, dass es immer einen besseren Weg gibt als den der  Verletzung, als den der Verweigerung von Kommunikation.  Drängen wir also niemanden in die Ohnmacht, in die Verzweiflung, machen niemanden zum Opfer, sondern ebnen wir ihm einen Weg in eine bessere Zukunft. Das ist Achtung, die eben zur Achtsamkeit führt und das ist mehr als nur Respekt, den man sich verschaffen will, weil man sich für besser hält und eigentlich nur recht haben will in seinen oftmals völlig falschen Deutungen. Skepsis ist angesagt auch und vor allem sich selbst gegenüber. Wenn ich mich zur Offenheit durchringen kann gegen die Erstarrung, begreife ich den doch tiefen Konsens, der uns befreit und heilt. Hier zeigt sich, ob ich Menschenfreund bin oder Misanthrop, der überall das Schlechte wittert und unterstellt, dann auch  Repressionen für angebracht hält. Diese Haltung widerspricht der Buddhanatur und der Gottebenbildlichkeit des Menschen.

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