Resilienz

Der Begriff der Resilienz wird normalerweise mit Widerstandskraft gegen schädigende Einflüsse übersetzt. Sie ist die Kraft, die verhindert, dass sich ein Trauma entwickelt bzw. somatisiert. Zu den Somatisierungen gehören auch Bahnungen im Gehirn, die sehr stark determinieren. Jeder geschädigte und verletzte Mensch wird auf sich selbst zurückgeworfen und verliert damit die Freiheit zur Selbstdistanz und zur Distanz zum negativen Erlebnis. Resilienz ist eine zur Sprache gebrachte seelische Kompetenz, die aber Schwankungen unterworfen ist. Wer fassungslos wird und damit meistens auch sprachlos, der hat seine Resilienz verloren, kann sie sich aber durch Narrative wieder erarbeiten. Je weiter ich hier abstrahieren kann, um so mehr Resilienz gewinne ich zurück. Es geht bei der Resilienz vorwiegend um die Bewältigung und Verhinderung von mentalen Erkrankungen von Menschen, die eben kein dickes Fell besitzen. Anstatt aber von Vulnerabilität zu sprechen, die diskreditierend gemeint ist, sollte man von Sensibilität sprechen. Maike Schulte weist   in ihrem Beitrag in Ohnmacht und Angst aushalten (Cornelia Richter Hrsg.) darauf hin, dass das Pathologische nicht immer in der krank gewordenen Person zu suchen ist:“Was ist eigentlich das Krankmachende unserer Verhältnisse, und zeigen nicht die , die Symptome ausprägen, eine recht gesunde Reaktion  auf die ‚Pathologie der Realität‘? Weiterhin kommt sie zu dem Schluss: „Resilienz und Trauma sollten darum weniger antagonistisch als komplementär verstanden werden. “ Das Trauma symbolisiert die Abwesenheit, das Versagen von Resilienz gegenüber pathologischen Prozessen, die oft nicht in der eigenen Person selbst liegen.

Wir leben in einer Zeit, in der der Einzelne als selbstverantwortlich für seine Krankheit angesehen wird. Aber nicht jeder leidet unter einer gedanklichen Verengung und Selbstdeterminierung. Resilienz ist auch nicht unbedingt eine Tugend, sondern eine Fähigkeit, die sich äußern will und muss, was Cornelia Richter richtig erkannt hat. Sowohl Kommunikation als auch das Aufschreiben von Erlebtem im Sinne der Selbstreflexion sind hilfreich. Bleibe ich offen und filtere die Informationen achtsam, kann ich zu besserem Verständnis und damit zu den Selbstheilungskräften gelangen. Über die Sprache baue ich also die Resilienz wieder auf und finde über die Bewusstwerdung der inneren und äußeren Zusammenhänge wieder einen Weg in die Gesundheit. „Resilienz ist eine Praxis bewussten Lebens“  -so Saskia Wendel-, das nicht nur mentales Bewusstsein  beinhaltet, sondern auch körperliches, die aber nur als sehr bewusst gesteuerte wirksam ist.  Der Körper sendet ständig Signale, aber man darf sich hier nicht tyrannisieren lassen. Selbstdisziplin und Selbstfürsorge sind für den Erhalt des Bewusstseins auch für höhere Bewusstseinszustände notwendig, die sich dann in einer entsprechenden Sprache mitteilen.

Jeder kann an seiner Resilienz arbeiten – Tag für Tag und Schritt für Schritt in Bezug auf Klärung und Erklärung negativer Ereignisse und anhand von Ideen, die aus den Sackgassen aktiv hinausführen. Radikaler Hedonismus ist aber kein Weg aus der Falle. Je weniger man im Außen lebt, desto wirksamer werden die Strategien der Resilienzsteigerung. Auch eine christliche Haltung kann helfen, das Leid zu verringern. Wir sollten uns aber nicht mit dem Leid Jesus Christus messen und so das eigene Leid relativieren. Vielmehr müssen wir uns an die Eigenkompetenz erinnern, die man schon einmal hatte und die das Trauma aber verschüttet hat.  Zur Resilienz gehört vor allem die Hoffnung, dass es besser werden kann, auch wenn man sehr gelitten hat. Leid verunstaltet, wenn man es nicht auflöst und die Verhältnisse nicht kritisiert, die die Gesundheit angreifen. Wer auch über sehr viel Humor verfügt, hat große Chancen auf Heilung. Dennoch muss man den Titel des Buches von Cornelia Richter kritisieren, denn es geht nicht um ein Aushalten, sondern um die Fähigkeit möglichst schnell einen Gegenentwurf zu entwickeln. Passives Aushalten schwächt alle Kompetenzen. Der Betroffene muss aber dagegenhalten, damit dem Trauma der Nährboden entzogen wird und sich nicht somatisiert. Eigentlich sollte der Mensch nicht in die Situation von Ohnmacht und Angst kommen, denn damit verbunder Stress löst schwere Krankheiten aus. Kein Schmerz und kein Leid wird besser, wenn man es einfach nur aushält. Ich muss also handeln und mir den traumatischen Verlauf aus der Distanz anzusehen, um über das Bewusstsein der Zusammenhänge zu neuen Möglichkeiten zu kommen. Die Verengung des Lebens auf negative Empfindungen lösen sich mit dem Wachsen der Resilienz wieder auf. Also muss die passive Haltung durch eine aktive abgelöst werden. Resilienz ist kein Vermögen der Passivität. Der Aufbau resilienter Strukturen und Kompetenzen durchbricht die Krankheit, die kein Schicksal und kein Existenzial ist, und führt zu einer beglückenden Selbstermächtigung gegen die vielen Downsizingprozesse. Ein Trauma reduziert das Potenzial der Resilienz, das die Erneuerung möglich macht. Die Resilienz gewinnt, wenn sie einen sicheren, komplexen  und sinnvollen Weg gefunden hat gegen Traumatisierungen und Vertrauensverluste.

Cornelia Richter (Hrsg.): Ohnmacht und Angst. Kritik der Resilienz in Theologie und Philosophie.Stuttgart.  1. Auflage 2017

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