Ein Versuch der Rettung der Geisteswissenschaften in Notlagen
Wer seine Denkgewohnheiten durchbrechen und die Ungerechtigkeiten nicht mehr hinnehmen will, der lese unter anderem Hegel. Das höchste Denken ist das Abstrakte, das zunächst nicht mit bestimmten Inhalten konfrontiert, sondern die Denkbewegung als solche in Gang bringt. Viele stecken fest im konventionellen Denken und schreiben Bücher über Dinge, die sich schön anhören, aber keine Perspektive aufzeigen. Die Angst der Herrschenden vor dem Verlust des Konsenses führt zur Ängstlichkeit in der Vermittlung des heilsamen, des unverstellten und nicht korrumpierbaren Denkens. Es gibt eine Klientel, die ins Korsett pressen und lauter wohlgeformte Formeln hören will. Sicher, wir brauchen Ordnung, aber die muss immer wieder aufgemischt und neu konstituiert werden, damit sie nicht verkrustet und Menschen in die Norm zwingt. Wir sind noch lange nicht so weit, Menschen zu befähigen, sich ihres Verstandes zu bedienen und nicht nur nachzudenken, sondern vorauszudenken, um so vielen Menschen wie möglich neue Perspektiven zu eröffnen. Wahre Menschlichkeit macht hier keine Vorschriften, sondern initiiert das Mögliche und das Wünschenswerte, das keinen Zwängen unterliegt.
Das Recht auf Glück
Die Arroganz derjenigen, die sich ihre Posten gesichert haben, wird sofort wieder laut, wenn wie in der Corona-Krise die Künstler arbeitslos werden. Die werden sofort für den Sozialdienst abkommandiert, als hätten sie jetzt nichts zu tun, was natürlich nicht der Fall ist. Sie verdienen nur gerade kein Geld, haben kein Einkommen bzw. Einkommensverluste. Arbeit ist immer auch Identität und vermittelt Sinn. Und wer in irgendeiner Form schwer belastet wurde, hüte sich vor weiteren Belastungen. Psychische Erkrankungen entstehen dann, wenn der gewählte Weg ignoriert und verletzt wird durch Außenstehende, die nicht das Recht haben, sich in Entscheidungen einzumischen. Man kann in der Schule noch ein wenig Einfluss nehmen, darf aber auch hier nicht nach gesellschaftlichem Bedarf manipulieren. Corona zeigt wieder einmal, wie schnell die Würde angetastet wird. Wir sollten in die deutsche Verfassung unbedingt den pursuit of happiness der civil rights aufnehmen, weil es hier nicht um Hedonismus geht, sondern um Gesundheit und den Erhalt und Wahrung der eigenen Integrität, die nicht nur von Bildung abhängt, sondern auch von der Konstitution und vom Charakter, der zum Teil genetisch angelegt ist.
Das Recht auf Identität
Die Arroganz der Satten und der Etablierten ist heute unser Problem, weil Menschen natürlich nicht verzweckt werden dürfen, wie auch immer ein gesellschaftlicher Bedarf aussehen mag. Politische Regulierungen sind hier nicht erlaubt, sondern der einzelne Mensch muss selbst davon überzeugt sein, dass das, was er tut sinnvoll ist und seinen Interessen entspricht. Wir haben also die Pflicht, in Bildung und Ausbildung so viele Menschen als möglich in ihren eigenen Stand zu versetzen, mit dem sie sich identifizieren können und nicht in das Burnout der Sinnlosigkeit tappen und das Gesundheitssystem strapazieren. Es handelt sich bei diesem Gedanken nicht um eine Utopie, sondern um einen Mangel an Einsicht und um Verkennung der anthropologischen Grundlagen. Der Mensch will etwas leisten, was auch andere befähigt, mehr Bewusstsein, mehr Selbstwirksamkeit und mehr Gesundheit zu erreichen für ein erfülltes und langes Leben. Nicht alle müssen Hegel lesen, aber vor einer falschen Harmonie der Zementierung von Ungleichheiten sei gewarnt. Wem also Hegel zu anspruchsvoll ist, der höre einfach Jazz und begreife den Hintergrund der Entstehung einer Musikrichtung, die immer warnt vor der Gemütlichkeit des Konventionellen und den Worthülsen von Menschen, die selbst nicht ansatzweise ihre Angelegenheiten stehen und liegen lassen würden, um zivile Soldaten des Staates zu werden. Wie wir alle müssen Künstler in diesen Phasen der Aussetzung an sich arbeiten, um weiter ihre Rolle und ihren Lebensunterhalt verdienen zu können. Sie leben und lieben die Kreativität, mit der sie Menschen begeistern und befördern, was die sogenannte Elite längst unterlassen hat. Aber die meisten großen Denker sind zum Glück in Büchern zu erreichen. Sie sind unsere Freunde in der Not und sie sind erreichbar für jeden gegen das dumme Geschwätz des Establishments.
Gottfried Wilhelm Friedrich Hegel: Wissenschaft der Logik. Frankfurt am Main. 10. Auflage 2014
Michael Bordt SJ: Die Kunst, sich selbst zu verstehen. Den Weg ins eigene Leben finden. Ein philosophisches Plädoyer. München 1. Auflage 2015