Wir leben in Zeiten der Hypersexualisierung und dem materialistischen Paradigma (Vorurteil) seit Freud, dass Sexualität per se gesund sei. Aber es gibt auch die Gegenthese, dass Sexualität und Aggressivitat näher beieinander liegen als Sexualität und Ausgeglichenheit. Schon in den Upanishaden (ca.750 v. Chr.) und in der Bhagavadgita wird der hohe heilsame Wert der Askese betont: „Wer über das Sâvitrafeuer mit einem dessen Kundigen sich unterredet, legt in ihn den Erfolg. Jenes, das dort brennt, gewährt ihm den Erfolg; Erfolg gewährt ihm Kasteiung; Kasteiung gewährt ihm Kraft; Kraft gewährt ihm Hauch“. Hier wird die Gewinnung von seelischer Energie thematisiert, die durch Sexualität extrem verschleudert wird. Für die Lösung von schwerwiegenden Problemen braucht man aber viel Bewusstsein (Hauch). Seelische Energie ermöglicht mehr Bewusstsein und mehr Geist. Wir wollen heute nicht den negativen Begriff der Kasteiung wählen, sondern den der Askese, der auf Einsicht beruht. Für die Überwindung von Krankheit bedarf es viel seelischer Energie, die durch Askese gewonnen werden kann. Sie gleicht aus, ermöglicht höhere Objektivität und Relativierung, auch eine Distanzierung von sich selbst: „Wer das kennt, was in der Höhle (des Herzens) verborgen ist, der löst den Knoten der Unwissenheit, mein Lieber.“ (Upanishaden) Aber ganz besonders intensiviert sie das Bewusstsein, durch das innere organische Vorgänge harmonisiert und kontrolliert werden. Diese hohe Energie informiert den gesamten Organismus positiv, man entwickelt leichter ein Flow. Im Fluss zu sein ermöglicht die Auflösung tief sitzender Blockaden, die den meisten Menschen aber gar nicht so unbewusst sind, wie immer behauptet wird. Jeder spürt sehr deutlich, wo die Energie ins Stocken geraten ist. Blockaden können überwunden werden, wenn sie ins Bewusstsein geholt werden. Hier kann man sie dann in Ruhe bearbeiten. Die Entwicklung eines höheren Bewusstseins generiert dann den Durchblick, der vom Leiden befreit.
Die hoffnungslose Überbewertung von Sexualität hat etwas Verdummendes. Sie ist das Resultat einer Propaganda, die gar nicht so viel Bewusstsein will. Sexualität ist Opium für das Volk. Man kann sogar so weit gehen zu sagen, dass Sexualität eine virtuelle Verschleierung ist. Viele Menschen halten sie für das höchste Glück – tatsächlich handelt es sich um einen rein körperlichen Reiz-Reaktionsmechanismus ohne Nachhaltigkeit, ein Ersatz oft für die anhaltende Glückseligkeit eines spirituellen Bewusstseins, das man sich erarbeiten muss. Es geht hier nicht um eine Moralisierung, sondern um die Aufdeckung einer Massenmanipulation, die Menschen erheblich unter Druck setzt. Sexualität kann auch zwei Menschen nicht auf Dauer binden. Wer mental nicht übereinstimmt, der muss eben eines Tages erwachen. Hormone für eine zweifelhafte Bindung verantwortlich zu machen, ist einfach nur verblödend. Auch hier herrscht ein erschreckender Materialismus vor, der die Macht des Geistes negiert. Man sollte nie den Körper entscheiden lassen, denn das führt garantiert nicht in die Glückseligkeit, die wir ja alle anstreben. Sie besteht in anhaltendem Glück, den Anderen in seinem einzigartigen Sosein annehmen zu können. Man kann nur bei einem anderen wirklich ankommen, wenn man sein Denken versteht und anerkennt, wenn er das eigene Lebensgefühl verstärkt und somit Geborgenheit entsteht. Ohne diese Synergie scheint es nicht zu gehen.
Der Trieb als solcher scheint an negative Erinnerungen anzukoppeln, da er ja selbst eine Mangelsituation ist, die Gedanken an Verluste und Entbehrungen reaktiviert. Hier bleibt man Sklave seiner Einschränkungen und seines Leidens. Das ist auch der Grund, warum viele negativen Emotionen an den Trieb gekoppelt und nicht essentiell über die Triebbefriedigung überwindbar sind. Die Askese ist eine Befreiung aus solchen Kreisläufen des Leidens. Es ist aber so, als ob man eine heilige Kuh schlachtet, wenn man den Wert der Sexualität mindert. Materialismus und Sexualität sind eine Allianz eingegangen, die vielen nicht so bewusst ist und die wir hier gegen Max Weber erkennen müssen. Der Mensch wird hier schnell zu einer austauschbaren Ware und Opfer von Instrumentalisierungen oder Organisierungen. Sie ist nicht selten Ausdruck dunkler Leidenschaften, die nie das Licht der Erkenntnis erblicken. Sie ist etwas Bewusstloses und kann daher auch das Bewusstsein nicht befördern, auch keine tieferen Wahrheiten generieren. Hier ist sie ein Gegenspieler und muss deshalb mit großer Vorsicht betrachtet werden. Sexualität beeinträchtigt auch die Kreativität, für die man eben auch viel geistig-seelische Energie braucht.
Weise Menschen wie Mahatma Gandhi haben diese Zusammenhänge in ihrer Autobiografie beschrieben in Kenntnis der alten spirituellen Schriften. Auch im Theravadabuddhismus und im Christentum gibt es solche Traditionen, nicht alle erklären aber den Zusammenhang und werden dann leider dogmatisch-moralisch. Das überzeugt natürlich nicht. Es gibt viele gute Gründe für ein freiwilliges Zölibat. Aber nicht jeder ist zu diesen Einsichten fähig. Wer dem Körperlichen anhängt, der versteht die Bedeutung asketischer Thesen nicht. Es bleibt bei einer Gefangenschaft im Unersättlichen, das den Reiz-Reaktionsmechanismus nicht durchbrechen kann. Wo das Körperliche dominiert, gerät der Mensch aus der Balance – auch eine Ursache für viele Krankheiten neben Verletzungsursachen. Und: Sexualität ist nicht mehr als eine Illusion von Glück, ein primitiver Entspannungsreflex. Askese bedeutet also kein Opfer, sondern ist ein affirmatives Geheimnis auf dem Weg zur Weisheit und Gesundheit. Vermutlich steht sie in Verbindung mit Spontanheilungen, da Krankheiten aller Art mit enormen Energieverlusten verbunden sind.