Männliche Rationalität – eine weibliche Polemik

Denken ist nicht nur rational, sondern auch emotional und hat auch hier seine Gründe. Rationalität schützt nicht vor Fehlern und kann deswegen auch schlichtweg in die Irre führen. Das hören wir nicht so gern, ist aber leider ein Faktum. Manch einer bildet sich viel auf seine Rationalität ein und zitiert gerne Denker, die die Vernunft der Natur gegenüberstellen, als käme von hier das Übel. Wer sich ein wenig mit Ethnologie befasst hat, weiß, dass diese These falsch ist. Aber Thomas Hobbes wird immer wieder und gerne zitiert vor allem von Männern, denen natürliche Ordnungen oft fremd sind, weil sie die Bedingungen dafür einfach nicht erfüllen. Der Mensch soll im Naturzustand des Menschen Wolf sein. Das sagt ein Mann wohl über Männer, für die das auch oft genug gilt. Kritisiert man als Frau einen Mann gegenüber einem Mann, so wird dies misogyn als Fehlhaltung interpretiert, ja gar als Ausdruck einer Krankheit. Somit wäre dann geklärt, dass der rationale Mann natürlich immer richtig liegt und die vermeintlich moralisch minderwertige (weil nicht rein rational) Frau falsch. Die Frau hat aber gegenüber dem Mann den Vorteil, Sachverhalte und Menschen tiefer zu durchschauen mittels Intuition. Auch die Naturrechtsdenker Samuel Pufendorf und Hugo Grotius äußerten sich noch entsprechend frauenfeindlich und glaubten ebenfalls über Verträge und Regeln das Miteinander von Menschen ordnen zu müssen, weil der Mann eben nicht so gemeinschaftstauglich ist, nicht auf die denkende Intuition vertrauen kann und leider  immer wieder von sich ausgeht. Zwei Weltkriege haben wir dieser merkwürdigen Form der Rationalität zu verdanken – ganz abgesehen von der Ausbeutung und Schädigung der Erde, der Vernichtung der Artenvielfalt und wohl auch der Individualität als Ausdruck höherer Formen von Integration.

Obwohl in erster Linie Männer für das Elend in der Welt verantwortlich sind, betrachtet sich der Mann noch heute als das höhere Wesen, das allein etwas von Moral und Ethik versteht. Tatsache ist, dass der Mann berechnender, auf seinen eigenen Vorteil bedachter, eindeutig egozentrischer und unempathischer ist, sich aber besser durchsetzen und sich dadurch mehr Gehör verschaffen kann. Frauen sind immer noch das zweifelnde Geschlecht und weichen bei Angriffen zurück. Ihr Denken bleibt harmoniebedürftig und ist dadurch in einer schwächeren Position: Sie sucht den Konsens über Verständnis und nicht über den Kampf. Rationalität wird von einigen männlichen Zeitgenossen aber als Waffe eingesetzt, was nicht in den heilenden Dialog führt, sondern in die Konfrontation, die Frauen schlecht aushalten. Ein Mann, der eine Frau bekämpft, muss schon elementare Probleme haben, denn er begreift nicht, dass seine vermeintliche Rationalität nur eine Strategie ist, nicht verstehen zu müssen. Und hier wären wir dann an einem Punkt, wo nur noch das Mitgefühl zu einer Lösung führt. Jesus Christus und Buddha waren Männer, die sehr weiblich gedacht haben. Das macht ihre überwältigende Attraktivität aus. Wann wird die westliche Welt ihre auch geistesgeschichtlich zementierten (männlichen) Irrtümer endlich einsehen?

Diskriminierung

Nichts wird stärker diskriminiert als mentale Krankheiten. Man will das Böse in der Welt einer Gruppe von Menschen zuschreiben, die selbst nur verletzt und geschädigt wurde. Um das schlechte Gewissen zu entlasten, beschuldigt man die Betroffenen der Absicht, selbst schädigen zu wollen und behandelt sie entsprechend schlecht bzw. unrechtmäßig. Selbst Terroristen werden heute als psychisch krank diagnostiziert (geschehen bei dem Terroranschlag in München), was unverantwortlich und nicht zulässig ist, denn es ist nicht eine Krankheit, die zu solchen Taten veranlasst, sondern die Gewalttätigkeit und Zerstörungswilligkeit, die andere Gründe hat! Wer hier nicht differenziert, begeht schweres Unrecht. Verletzte Menschen sind keine degenerierten wie Gewalttäter, sondern Menschen, die leiden.

Unterstellungen und Vorurteile sind keine Tatsachen, werden aber als solche behandelt. Ganze Berufszweige (Interessengruppen) leben von solchen Diskriminierungen und rechtfertigen dadurch ihre Übergriffe. Sie versuchen auch noch die Öffentlichkeit dahingehend zu beeinflussen und zu indoktrinieren, was heute zunehmend leichter wird, da auch die sogenannten Qualitätsmedien immer unkritischer werden wohl als Gegenreaktion auf eine demokratische Dynamik, die durch das Internet möglich wurde. Der Kampf um die Wahrheit muss auch im Internet gut begründet sein, so dass ein Dialog zwischen Wissenschaft, Medien und Öffentlichkeit initiiert werden kann.  Der mündige Bürger will kein Vertrauen in die Medien, sondern die Mitwirkung.

Gewalt kommt unter psychisch Kranken eher selten vor. Das sind seltene Ausnahmen. Ausnahmen berechtigen aber nicht dazu, eine ganze Gruppe von Menschen widerrechtlich zu behandeln.  Wenn Gewalt vorkommt, dann wurde derjenige, der Gewalt ausübt, eben auch entsprechend sozialisiert, Gewalt als Mittel der Konfliktlösung zu betrachten. Das kann man herausfinden in Gesprächen. Durch eine Krankheit jedoch ändert sich die Einstellung zur Gewalt nicht. Hier muss dringend differenziert werden, um nicht eine Gruppe von Menschen weiter schwerstens zu belasten und weiter zu schädigen, ja wieder zu verletzen durch unzutreffende Zuschreibungen. Wer zu Gewalt neigt, der sagt dies meistens auch. Wenn psychisch kranke Menschen Kritik äußern, dann ist dies kein Indiz für Schädigungswilligkeit, sondern Ausdruck einer Einsicht oder einer Verletzung, die ernst genommen werden sollte. Derartige falsche Zusammenhänge herzustellen ist nicht nur extrem inhuman, sondern einfach widerrechtlich. Hier herrscht ein deutlicher Aufklärungs- und Änderungsbedarf.

Psychisch kranke Menschen haben keine Lobby – auch nicht die Gegner der etablierten Psychiatrie, die Vertreter der Antipsychiatrie, die schon immer warnen vor der Verständnislosigkeit und Inhumanität dieser Zunft.  Die will sich ständig gegenüber der Öffentlichkeit ins rechte Licht rücken aus Prestigegründen gegen Patienten, die sich nicht wehren können. Diese Schieflage ist sehr bedauerlich und höchst kritikwürdig. Flächendeckende Falschbehandlungen sind ein Skandal, der nicht länger verschwiegen werden sollte. Beginnen wir auch hier mit einem Denken für humanere Lösungen und für wirksame Heilungen für Betroffene, denn tiefe Wunden brauchen ein tiefes, hoch differenzierendes  Denken. In diesem Zusammenhang sei Menschen wie Eugen Drewermann für seinen genialen Geist und für seine Liebe Menschen gegenüber gedankt. An diesen tiefen Verständnisfähigkeiten müssen wir uns orientieren, denn das ist die Elite, die wir brauchen, um gesellschaftliche Probleme zu lösen.

Mythen über mentale Krankheiten

Da wäre zum Beispiel die dubiose Dopaminthese in Bezug auf  die sogenannte Schizophrenie. Hier soll das Dopamin für eine Krankheit verantwortlich gemacht werden, nur weil bei Verabreichung von Neuroleptika (unterdrücken das Dopamin) die Halluzinationen verschwinden.  Das Dopamin ist aber ein Glücks- und Aktivitätstransmitter (auch geistige Aktivität) und kann keine Ängste auslösen. Das ist nicht plausibel. Vielmehr ist es doch der Stress, der Existenzstress, der (Re-)Traumatisierungsstress, der Verletzungsstress, der Ängste auslöst. Adrenalin und Cortisol können auch Ängste verursachen sowie eine Verletzung des Hippocampus durch Stress. Dieser (jeder länger anhaltende )Stress führt zu einer Beeinträchtigung der Großhirnleistungen, vor allem auch des Präfrontalcortex, so dass Dopamin nicht mehr vollständig eingebaut wird und es so zu einer Überreaktion in den untergeordneten Sinneszentren kommt. Dies führt dann zu Halluzinationen, die stören können. Halluzinationen sind aber keine Schande, denn viele Heilige hatten Halluzinationen. Also müssen die Großhirnleistungen wieder aufgebaut und unterstützt werden, damit wieder die natürliche Kontrolle und Regulation der Neurotransmitter erfolgen kann. Dafür braucht man Dopamin. Die Kritik an der etablierten Psychiatrie ist daher berechtigt. Und lang anhaltender Stress führt nicht zu Kampf oder Flucht, sondern in die Ohnmacht.

Es gibt sehr wohl von dieser Krankheit geheilte Menschen, also kann diese Erkrankung auch keine genetisch bedingte sein. Damit wäre die These von genetischer Bedingtheit falsifiziert (Karl Popper), wissenschaftlich inkorrekt und höchste Skepsis sowie ethische Bedenken bezüglich solcher Annahmen geboten. Das Gehirn ist verletzlicher, als wir heute wahrhaben wollen. Und je intelligenter und sensibler ein Mensch ist, desto verletzlicher ist er. Auch der Einfluss der Epigenetik darf  nicht unterschätzt werden.  Bei Stress und Schädigungen wird diese Funktion angegriffen und kann zu Fehlern in der Transskription führen. Für die Wirksamkeit der Epigenetik braucht man einen gesunden Organismus und ein entstresstes Leben. Neuroleptika (also Medikamente, die die Dopaminausschüttung behindern) beeinträchtigen aber die Gesundheit eines Menschen wie auch die geistige Aktivität schwer, die man für die Einsicht in die Entstehung der Krankheitsursachen und ihre Überwindung braucht. Man kann ein Problem, das Stress verursacht und verletzt hat, nur auflösen, wenn man es verstanden, durchdrungen hat. Diese Medikation durch Neuroleptika ist ein falscher therapeutischer Ansatz (keine Ursachenbehandlung), der für viele Menschen den frühen Tod bedeutet. Und wer seine Ängste nicht verstandesmäßig auflösen kann, der nimmt eben Mittel, die die Angst lösen (Beruhigungsmittel), bis er in der Lage ist, wieder in das Leben im Hier und Jetzt zu vertrauen. Dieses Vertrauen hat der Erkrankte eindeutig verloren.

Es darf also nicht darum gehen, die Großhirnleistungen einzuschränken durch Neuroleptika, sondern darum, diese gerade zu stärken, damit es nicht zu einer Dysbalance von Neurotransmittern kommt. Denken hat eine ordnende und beruhigende Wirkung. Bewusstsein muss also gefördert werden und nicht ein Unterbinden von Bewusstseinsleistungen durch fragwürdige Medikamente, die man eventuell kurzfristig einsetzt, aber nicht auf Dauer einnehmen sollte, so dass Heilung gar nicht möglich wird. Und Bewusstsein kann heilen, ja sogar glücklich machen.  Dopamin ist kein Stressauslöser, sondern es sind die tiefen Wunden, die Menschen anderen Menschen zufügen oder auch Institutionen und Gesellschaftssysteme. Keiner ist selbst schuld an einer mentalen Erkrankung. Das wird heute aber von  gewissen Lobbyisten propagiert. Anstatt zu stigmatisieren und zu diskriminieren, sollte dem Kranken eine ganzheitliche Therapie zukommen, die sich seinem individuellen Problem widmet, denn die Krankheitsursachen sind sehr verschieden!

Wer seelisch genug Energie hat (ratsam wäre  hier zumindest vorübergehend die Askese, weil die seelische Energie freisetzt und das Bewusstsein anregt), der kann auch über die Bewusstseinsarbeit (wer bin ich und was versuchen andere aus mir zu machen und wie kann ich mich davon distanzieren) die Gesundheit in die eigenen Hände nehmen vielleicht in Kombination mit einem verständnisvollen Gesprächspartner. Sorgen wir also lieber für ein achtsameres Miteinander und bedenken, worauf es im Leben wirklich ankommt. Man kann sogar so weit gehen zu sagen, dass alle mentalen Krankheiten Systemerkrankungen sind. Und leider nehmen mentale Krankheiten zu. Deshalb sollten wir uns dringend fragen, was vor allem in den westlichen Ländern falsch läuft, anstatt die Gene verantwortlich zu machen. Die Dopaminthese ist nicht schlüssig und wird von der Antipsychiatrie schon lange kritisiert. Eine sogenannte Schizophrenie (man sollte die Bezeichnung endlich aufgeben) ist verursacht wie andere psychische Erkrankungen auch und hat daher Ursachen, die man aufdecken muss. Einen harmlosen Transmitter wie Dopamin verantwortlich zu machen ist nicht nur ziemlich beschränkt, sondern auch sehr bedenklich. Denken hilft auch hier weiter gegen Relikte aus dem Dritten Reich.

Wer den Krieg als Einwand anführen will, sollte bedenken, dass kollektives Leiden vergemeinschaftet, das Leiden eines einzelnen Individuums isoliert  – also deswegen extrem stresst – und es erhält meistens keine Wiedergutmachung, erfährt keine Gerechtigkeit, keine Verurteilung der Schädiger. Man wünsche also jedem Geschädigten und Verletzten seinen Staat Israel oder eben einen Kreis von Menschen, die ihn aufrichten. Man bedenke, dass mental kranke Menschen heute in Psychiatrien eingewiesen werden, weil sie unter Irrtümern (viele glauben, sie bekommen Schadenersatz für die ihnen entstandenen Schäden) leiden. Die wenigsten sind selbst- oder gar fremdgefährdend. Die nicht hinterfragten Vorurteile auch in der gebildeten Bevölkerung machen diese Gewalt gegen Opfer möglich. Jeden kann diese Krankheit treffen, wenn die Verletzungen fundamental sind. Einweisungen sind kein Akt der Humanität, sondern der totalitären Repression – eine Schande für den Rechtsstaat und einer Medizin, die sich die Inkompetenz nicht eingestehen will.

Vor allem Pharmafirmen haben ein großes Interesse, Menschen mit schädigenden Medikamenten behandeln zu lassen, anstatt dass die Probleme von Patienten gelöst werden. Das wäre ärztliche Pflicht. Nur leider geschieht das nicht. So werden Menschen gesundheitlich und mental weiter geschädigt, obwohl es Lösungen für die aufgetretenen Probleme gäbe. Das setzt aber Verständnis und Kompetenz voraus, die viele Ärzte schlichtweg nicht haben. Die Ursachen von mentalen Problemen müssen selbstverständlich therapiert werden und die bestehen nicht primär in einem gestörten Neurotransmitterhaushalt. Das ist – wenn überhaupt – nur eine Folge. Der Versuch, mental Kranke auch noch zu kriminalisieren, ist eine äußerst perfide Strategie der Einschüchterung. Es gibt keinen genuinen Zusammenhang zwischen mentaler Erkrankung und Gewalt. In seltenen Fällen, die dann medial ausgeschlachtet werden, ist das so. Gewalttätige können selbstverständlich auch erkranken, die Krankheit ist aber nicht Ursache für die Gewalttätigkeit! Und hier haben Ärzte versagt, die nur die Symptome einer Erkrankung unterdrücken wollen. Das ist unterlassene Hilfeleistung und sollte entsprechend bestraft werden können. Hier muss dringend ein Umdenken stattfinden. Dem Patienten kann man nicht die Schuld geben, sondern einem System der beharrlichen Ignoranz.

Nachdenken

Man hat den Eindruck, dass die Zeiten des kritischen Journalismus vorbei sind. Wenn sich Medien zum Sprachrohr für Lobbyisten und deren Propaganda machen, haben sie ihren Auftrag verfehlt. Es ist deshalb sinnvoller, kluge Bücher zu lesen als die Zeitung, die eben keine kritische Distanz mehr wahren kann, weil auch die Journalisten die Themen nicht mehr durchblicken. Das wird nach Bologna noch deutlicher werden. Die Universalisten sterben langsam aus und den Spezialisten fehlt der Blick für das Ganze und für Zusammenhänge, der eigentlich auch erst Sinn vermittelt.

Matthieu Ricard ist aus dem Berufsleben als wissenschaftlicher Spezialist ausgeschieden, weil es dieses menschliche Bedürfnis nach universellen Einsichten nicht mehr erfüllt. Horizontverengungen stellen einen vor die Sinnfrage. Oft hat man nur die Wahl zwischen Krankheit und Ausstieg (in ein Kloster). Das kritische Vermögen des Nachdenkens wird zunehmend unterbunden, indem man die Perspektiven einschränkt und die demokratische Dynamik aussetzt. Jede Demokratie ist dieser Gefahr ausgesetzt. Der Eindruck verhärtet sich, dass das Nachdenken eigentlich nicht mehr gewollt wird, sondern das Anpassen an das, was ist, ohne Chance, es ändern zu können. Normopathie ist eine Krankheit, die es nicht mehr wagt, kritische Fragen zu stellen, um vermeintliche Tatsachen eben als Ideologie zu entlarven. Die Alternativen werden nicht mehr angedacht, weshalb es auf vielen Gebieten zur Stagnation kommt – auch in der Forschung.

Würden Medien also wieder mehr hinterfragen, brächte dies eine Welle des Nachdenkens in Gang, von dem alle profitieren könnten. Wir müssen auf vielen Ebenen wieder zu humaneren Lösungen kommen. Hier hat es eindeutig Rückschritte gegeben, die einem aufgeklärten Zeitalter nicht würdig sind. Wir können und wollen nicht alle aussteigen, aber wir wollen auch keine mediale Demonstration der Macht. Ganz hellhörig sollten wir werden, wo Kritik abgewürgt wird. Hier ist meistens etwas nicht in Ordnung. Wir sind es uns schuldig, gute Lösungen für Probleme zu finden und das geht nur über den fairen und lebendigen Diskurs. Einschüchterungen jeder Art sind Züge einer totalitären Entgleisung und damit einer gesellschaftlichen Degeneration. Und: Eine ausgrenzende, verletzende und den Dialog aussetzende selbsternannte Elite ist keine Elite. Lassen wir uns also nicht von den falschen Leuten an der Nase herumführen.

Achtsamkeit

Bei allem, was wir tun oder nicht tun, müssen wir uns fragen, wie dies beim dem Anderen ankommt. Unterlassungen sind ebenso virulent wie schädigende Handlungen. Der Mensch muss sich orientieren in dieser Welt. Nur wer im Kloster lebt, kann das Schweigen vielleicht vorübergehend zur Tugend machen. Innerweltlich ist es eine Verweigerung der Kommunikation und damit eine Verletzung der Sprache. Wir haben zum Glück die Sprache, um uns zu verständigen und somit Orientierung zu geben. Das sind wir uns schuldig als Menschen – gerade auch dann, wenn man anderer Meinung ist. Die „Funkstille“ zwischen Menschen kann krank machen, was Tina Soliman in ihrem so genannten Buch dokumentiert hat. Jemanden wie Luft zu behandeln ist ein schwerer Affront, eine egozentrische Haltung, eine Aggression, die den anderen überhaupt nicht antizipiert. Es fehlt das Einfühlungsvermögen oder es ist eine sadistische Neigung, den Anderen gezielt zu verletzen.

Viele Probleme, Vorurteile und Missverständnisse lassen sich durch Kommunikation auflösen. Meistens erkennen wir dann auch, dass viele Polarisierungen nicht der Realität entsprechen. Ohne Kommunikation drängen wir andere in eine Antihaltung hinein, auch in eine Verzweiflung, weil Nähe so zu einer unüberbrückbaren Distanz wird, die Schmerzen verursacht und nicht angemessen ist. Sicher, wir können nicht mit jedem intensiv verbunden sein, aber wir sind in der einen oder anderen Art doch verbunden. Verletzungen können stärker binden als Sympathien. Solche verhängnisvollen „Beziehungen“ (Verstrickungen)  müssen aufgelöst werden. Soweit sollte jedermanns Intelligenz eigentlich reichen einzusehen, dass diese Notwendigkeit besteht. Narzissmus hindert Menschen daran, diesen Weg zu gehen. Die Einstellung, dass man es nicht nötig habe, ist natürlich nur arrogant (Arroganz ist übrigens nie attraktiv!).

Klug ist, was angemessen ist, und für die Einsicht in die Angemessenheit einer Haltung und Handlung sollten wir unser Herz befragen und nicht den Verstand, denn der rechtfertigt nur die eigenen Defizite und verabsolutiert die eigene Position. Vernünftig ist die Handlungsweise, die ein Problem lösen kann und es nicht künstlich verlängert, bis die so Geschädigten ihre anderen Möglichkeiten verlieren. Die meisten Menschen machen sich nicht klar, wie ideologisch und paradigmatisch beschränkt sie sind. Die Einnahme fremder Perspektiven ist ihnen unmöglich. Davon lebt aber unsere Kultur und die sollte man nicht unterschätzen in ihrer Gemeinschaft stiftenden Leistung. Wir arbeiten auch ständig an der Differenzierung der Sprache, um uns besser zu verstehen und dadurch das Miteinander erleichtern zu können. Dieser Prozess um diese Bemühungen darf nie aufhören, denn daran hängt die gesamte Zivilisation. Schweigen kann man dann, wenn alles geklärt und gesagt ist und man auch dem Anderen die Rede nicht verweigert hat. Nur so können wir mit der Vielfalt der Erscheinungen umgehen. Es lässt sich nicht alles auf eine Linie zwingen. Das wäre eine totalitäre Haltung, die in einer Demokratie nur verletzt und eine Form der strukturellen Gewalt bedeutet. Gewalt in welcher Form auch immer schädigt.

Es fehlt offenbar immer noch an Sensibilität für solche Abweichungen vom Konsens der  Akzeptanz der Pluralität, über die wir uns verständigen müssen. Nur wer die Grenzen der Legalität überschreitet, sollte auch sanktioniert werden. Moral ist immer sehr differenzierungsbedürftig und bedarf einer tiefen Betrachtung. Wer hier auf oberflächliche Konventionen zurückgreift, kann sehr  ungerecht werden und  das Problem verfehlen. Wir sollten uns der Bedeutung bewusst bleiben, dass wir immer zu wenig wissen und uns bemühen müssen, diesen Mangel zu beseitigen für mehr Humanität. Davon hängt das Gelingen des Lebens ab, ob wir uns in dieser Frage verständigen können, wie wir leben wollen. Wer hier an Fortschritt glaubt und vertraut, dessen Leben kann sich weiterentwickeln.  Menschen verletzen auch Menschen, weil sie den Fortschritt in den Erkenntnissen nicht wahrhaben wollen. Entwickeln wir also ein Bewusstsein dafür, dass es immer einen besseren Weg gibt als den der  Verletzung, als den der Verweigerung von Kommunikation.  Drängen wir also niemanden in die Ohnmacht, in die Verzweiflung, machen niemanden zum Opfer, sondern ebnen wir ihm einen Weg in eine bessere Zukunft. Das ist Achtung, die eben zur Achtsamkeit führt und das ist mehr als nur Respekt, den man sich verschaffen will, weil man sich für besser hält und eigentlich nur recht haben will in seinen oftmals völlig falschen Deutungen. Skepsis ist angesagt auch und vor allem sich selbst gegenüber. Wenn ich mich zur Offenheit durchringen kann gegen die Erstarrung, begreife ich den doch tiefen Konsens, der uns befreit und heilt. Hier zeigt sich, ob ich Menschenfreund bin oder Misanthrop, der überall das Schlechte wittert und unterstellt, dann auch  Repressionen für angebracht hält. Diese Haltung widerspricht der Buddhanatur und der Gottebenbildlichkeit des Menschen.

Mind-cure-Bewegung

William James thematisiert in Die Vielfalt religiöser Erfahrung die Möglichkeit einer Heilung durch spirituelle Erfahrungen und Verhaltensweisen. Diese Heilung ist meistens durch eine Befreiung von schwerwiegenden Problemen gekennzeichnet. Wer durch Verletzungen mit einer mentalen Krankheit belastet ist, kann über verschiedene Methoden der Selbsterkenntnis und der Einsicht in die Gewinnung spiritueller Energie zu Gesundheit und Glück kommen. Krankheiten – besonders mentale – determinieren sehr stark und mindern dadurch die seelische Energie, die aber für die Heilung gebraucht wird. „Das einzige, was sie (die religiöse Erfahrung) unzweideutig bezeugt, ist, dass wir die Vereinigung mit etwas, das größer ist als wir selbst, erfahren und in dieser Vereinigung unseren größten Frieden finden können (S.501).

Der Anschluss an die spirituelle Sphäre kann gelernt werden wie viele heilsame Einstellungen. Dafür muss ich wissen, wer ich bin und was ich leisten kann und was nicht. Ich muss das Fremde abschütteln, um zum Eigenen zu kommen und von dort aus das Leben wieder ganz und heil aufzubauen. Verletzer müssen erkannt und überwunden werden. Dagegen kann man sich immunisieren, so dass der innerste Raum wieder frei wird. Das Selbst muss hierfür nicht unbedingt überwunden oder gar aufgegeben werden, es reicht, dass ich es relativieren kann, um es dann aber zu festigen. Der Bau einer inneren unerschütterlichen Festung hilft, die Traumata zu erkennen und hinter sich zu lassen. Schädigende Fremdansichten werden so eliminiert und erneuert durch die Wahrheit des eigentlichen Selbsts, das zu sehen nur ganz wenigen möglich ist. Die meisten doch sehr profanen und oberflächlichen Menschen urteilen, ohne zu wissen und ohne zu verstehen. Dem sollte man sich nicht aussetzen.

Die spirituelle Sphäre ist die des Guten und Schönen. Ich orientiere mich also nicht länger an dem Negativen, das manche Menschen verbreiten, sondern an den positiven Möglichkeiten des Seins. Ich weigere mich, ein Teil misogyner und misanthropischer Weltanschauung zu werden, die eben keine Heilungsimpulse enthält, sondern richte mich nach den affirmativen Angeboten, die mich in meinem Sosein bestätigen und entlasten. Diese Botschaft kommt von einem höheren gütigen Wesen, dem ich mich anvertrauen kann gegen die Sabotage des allzu weltlichen Lebens. Finde Gott in Dir und Deine Widersacher bleiben vor der Tür.  Der Schlüssel ist die Liebe, von der diese Menschen nichts verstehen, weil ihnen die unmittelbare Nähe zu Gott fehlt. Diese Unverbundenheit ist der Grund ihrer Schädigungen. Wir können Sie nur zur wahren Umkehr einladen, ein Teil einer Gemeinschaft zu werden, in der man sich schätzt und sich auseinander setzt im verstehenden Dialog.

Zu einer Heilung gehört auch immer die Potenzialentfaltung, jede Art von Gewalt sich selbst gegenüber ist zu vermeiden. Für diese Entfaltung ist die Selbsterkenntnis unabdingbar.  Wer Individualisierung als Vereinzelung verteufelt, hat nicht begriffen, dass sich Gesellschaften nur entfalten und entwickeln, wenn sich der Einzelne weiterentwickelt. Und unser Gehirn will sich lebenslang entwickeln. Wo das nicht mehr möglich, grassieren Alzheimer und viele psychische Störungen. Und Bewusstseinsarbeit kann jeder für sich leisten, dafür braucht man keinen Therapeuten. Jeder ist der Spezialist seines eigenen Seins, das sich genuin sinnvoll integrieren will.

Mindethik

Es sollte tägliches Programm sein, sich zu fragen, ob man ein Leben führt, das so verträglich ist, dass man ein gutes Gewissen haben kann. Niemanden zu schädigen ist dabei oberstes Gebot. Darüber hinaus sollte auch die Natur bedacht werden und alles, was in ihr lebt. Wie verhalte ich mich dem gegenüber? Welche Rechte nehme ich mir heraus, wo blende ich konsequent die Folgen meines Handelns aus (indem ich beispielsweise die Umwelt schädige). Wo lebe ich in Unfrieden mit einem anderen Menschen? Das alles sind Belastungen, denen wir uns aussetzen, die viel Energie verbrauchen, aber keine zurückgeben. Solche Ausbeutungen kann sich auf Dauer keiner leisten.

Deshalb ist es wichtig, jeden Tag einen Einklang mit anderen und der Welt/Natur um uns herum herzustellen. Damit schaffen wir mehr Bewusstsein für die kosmischen Energien, die harmonisch auf uns einwirken, um uns das Leben zu erleichtern. Glück und Freiheit sind nicht einfach da, man muss sie sich erarbeiten. Wenn wir verletzt wurden oder selber verletzen, determiniert uns das sehr stark und wir blockieren so viel Energie, die aber für die Harmonisierung des Umfeldes und für die Heilung gebraucht wird. Durch tägliche Bewussstseinsarbeit, Meditation und Überwindung egoistischer Motive (Askese- auch wegen der Zunahme an seelischer Energie) gewinnen wir den Freiraum, der uns heilt und uns auch in Verbindung bringt mit den Kräften der Natur und mit Gott. Werden wir also achtsamer und bedenken, dass positive Emotionen in ein Flow führen, durch das wir kreativ und produktiv werden und uns so aus der Enge in die Weite arbeiten, in der uns alles in einem besonderen Glanz erscheint. Solche Erfahrungen sind spirituell und verändern unser Leben nachhaltig. Verzeihung und Versöhnung werden möglich gegen Verhärtung und Verzweiflung.

Wir leben nicht geist- und gehirngerecht. Der Geist und das Gehirn wollen sich lebenslang entwickeln. Dieses Potenzial darf nicht behindert werden, es entstehen sonst (mentale) Krankheiten. Potenzialentfaltung ist kein Luxus, sondern eine Notwendigkeit, der wir uns bewusst werden müssen. Entwickeln wir unsere Fähigkeiten voll, bereichern wir dadurch die Gesellschaft. Das wusste schon Goethe im 18. Jahrhundert. Hoch Individualisierte helfen anderen bei deren Individualisierung, um das Zusammenleben komplexer und intensiver zu gestalten. Wer sein Potenzial entfaltet hat, wird kein Schädiger, er verhält sich rücksichtsvoll allen Ressourcen gegenüber, die sein Leben sichern und schützen. Nur der Nichtentfaltete, Ausgebeutete beutet dann eben auch andere und die Natur aus. Ein kranker virulenter Kreislauf.

Die Mindethik befasst sich mit den mentalen Bewusstseinsleistungen, die wir kultivieren müssen, um die Gesundheit zu erhalten und das Miteinander erträglicher zu gestalten. Sie hilft auch bei der Abrenzung von Unerträglichem, das wir nicht integrieren können oder wollen, weil es den eigenen Werten widerspricht. Hier hilft aber der Diskurs, der ja nicht immer in einem Konsens mündet, sondern eben auch zu einer Trennung führen kann. Überfordern wir uns also nicht. Den seligen Einheitsbrei gibt es nicht und manchmal hat man mit jemandem etwas zu bereinigen, zu lösen auch gerade im Hinblick auf den Glauben. Wahrer Glaube führt ja nicht in die Erhabenheit, sondern zu tiefer Demut bezüglich unseres Nichtwissens.

Wir haben mehr Einfluss auf unseren Organismus und auf mentale Leistungen, als uns bewusst ist. In der Yogalehre der Veden wird dieser Einfluss thematisiert. Wir sind die Gestalter unserer Verfassungen, wir können unsere Stimmungen beeinflussen und regulieren. Hier unterliegen wir keiner Determination. Wer die Einsicht in diese Freiheit gewonnen hat, der kann sich selbst heilen von den schlimmsten Verletzungen und Schädigungen. Er wird autonom und Herr über sich selbst. Das wird oft bestritten von materialen Reduktionisten. Wer aber den freien Willen bestreitet, der negiert den Menschen als Gottes Schöpfung. Wir können uns sogar gegen uns selbst entscheiden (ob das sinnvoll ist, ist eine andere Frage). Wenn wir frei werden wollen von negativen Erfahrungen, können wir Gott erkennen und uns dem Licht zuwenden, das aus der Verzweiflung herausführt. Nicht alles macht deswegen Sinn, aber wir können unseren Weg weitergehen.