Rationalität und reduktionistisch-materialistisches Denken in den Wissenschaften haben uns an den Rand des Abgrundes gebracht. Sogenanntes interdisziplinäres Querdenken wird heute diffamiert. Möglicherweise kann ein integrales Zeitalter und Denken die Transformation einer Gesellschaft bewirken
Der Kommunikationswissenschaftler und Philosoph Claus Eurich betont die Notwendigkeit der Verbundenheit, der Geschwisterlichkeit für ein „Interbeing“, das uns befähigt, die Herausforderungen der Zukunft auch durch Suffizienz zu bewältigen. Der Mensch ist dabei, das Leben auf diesem Planeten zu verdrängen und schädigt sich damit extrem selbst. Gut ist, was dem Leben dient und destruktiv, was Leben vernichtet. Danach müssen wir das Fleischessen aufgeben, da es massenhaft Lebewesen vernichtet und das Prinzip der Gewalt vorherrscht. Jeder Mensch erzeugt ein Feld um sich – entweder der Gewalt und Destruktivität oder der konstruktiven Lebendigkeit in Respektierung aller Lebewesen und Pflanzen auf dieser Erde sowie der Achtung der Natur für einen liebevolleren Umgang miteinander in Verbundenheit. Gescheiterte Diskurse beruhen meistens auf einer fehlenden konstruktiven Haltung dem Leben gegenüber. Auch wenn etwas scheitert im Leben, kann das durch integrales Denken ein enormes Wachstumspotenzial beinhalten für die Reifung des Menschen. Wo alles glatt läuft, existiert dieser Reifungsdruck nicht und das Leben läuft eben so dahin. Auch im Yoga ist die Ahimsa- die Gewaltlosigkeit- ein hoher Wert. Aber wir sind auch in Filmen und in der Literatur mit viel Gewalt konfrontiert und das befördert unser positives Feld nicht. Dieses negative Feld führt zu einem negativen Universalfeld, das gefährlich werden könnte, wenn wir unser eigenes Gewaltpotenzial nicht hinterfragen in unserer Alltäglichkeit. Destruktive Diskurse sind der Anfang vom Ende und führen nicht zu Lösungen und gute Verständigungen. Rechthaberei und Machtansprüche bzw. Dogmatismen können Kommunikation unmöglich machen. Hier muss sich jeder fragen wo er eigentlich steckengeblieben ist.
Der Wert der Verbundenheit und Geschwisterlichkeit
Ist es nicht wichtiger, in guter Verbindung zu bleiben, als seine begrenzten Einsicht zum Maßstab zu machen, die dann Fortschritt und auch Heilung verhindern die wir alle nötig haben aufgrund einer eher verletzenden Kollektivität, die immer mehr ausgrenzt und sich selbst falsch versteht. Der Kampfmodus ist wirtschaftlich und manchmal auch politisch gewollt, aber eine integrale Gesellschaft kann dagegenhalten und neue Maßstäbe des Interbeings und des Friedens formulieren und umsetzen, was vor allem über die Bewusstseinswissenschaften heute geschieht, die sich nicht an die herkömmlichen Wissenschaften anbiedern sollte, um nicht ihr ureigenes Veränderungspotenzial zu verraten und zu verfehlen. Hier geht es um integrales und interdisziplinäres Denken, das sich nicht auf eine Linie zwingen lässt, aber den Werten der Liebe allem Lebenden gegenüber verpflichtet ist. Schlecht ist, was dem Leben schadet, was die Lebendigkeit unterbindet aus einer moralischen Überheblichkeit und/oder aus schlechter Destruktionslust heraus. Diese Schädigungen sind mittlerweile auf vielen Ebenen sichtbar und zerstören unsere Lebensgrundlagen. Eine geschwisterliche Zukunft wird uns wieder die Augen öffnen für den gegenseitigen Gewinn über Verbundenheiten eines intensiveren Zusammenlebens samt seiner damit implizierten Möglichkeiten. Noch ist die Masse der Bevölkerung ichbehaftet und destruktiv organisiert und das sollte uns das Fürchten lernen. Solche Destruktivitäten wirken überall hinein und vergiften unser Leben. Auch die drei Geistesgifte: Gier, Hass und Unwissenheit versucht der Buddhismus zu überwinden. Sie sind noch der Motor der derzeitigen Gesellschaft trotz sogenannter Bildung. Das stimmt bedenklich.
Für neue Lösungen bedarf es viel Kreativität und Kooperation
Angstfelder und Felder des Leidens, die überall erzeugt werden, können nicht konstruktiv werden. Wir brauchen dafür einen Raum der stresslosen Kontemplation in der positiv-energetischen Gegenwart, um zu besseren und ethischeren Handlungen zu gelangen. Tolstoj wusste, dass, solange es Schlachthöfe gibt, es Schlachtfelder geben wird. Wir müssen das Todbringende gänzlich aufgeben, um ein konstruktives Universalfeld der Kooperation und des Lebens zu schaffen, damit dieser Planet und auch Menschen wieder heilen können und sich erholen von den Spaltungen in Politik und im Miteinander. Konstruktiver Diskurs ist immer befreiend und inspirierend. Wer Verständigung unmöglich macht, trägt viel zum destruktiven Feld seiner eigenen Aura bei und schädigt sich vor allem selbst. Diskurs ist immer Ausdruck von Lebendig- und Beweglichkeit. Der Geist wird hier gefordert und zum Wachstum animiert. Alles Nichtmessbare wird heute als nichtexistent betrachtet und schon allein das ist ein Todesleben, denn die Wirklichkeit ist so viel reicher und geistig lebendiger, als der Normalverstand wahrhaben möchte. Auch darin liegt das Potenzial für Heilung der Seelen, die in aller Anpassung den eigenen lebendigen Grund verloren haben und nun zwanghaft ihr Glück in dem suchen, was uns als vermeintlich sinnvoll angeboten wird: Sexualität, Konsum, Ablenkungen, Prestige etc. – alles auf den Körper Bezogene und weniger auf den Geist und die Seele, die aber unsterblich uns zu einem anderen Leben mahnen, das im möglichen integralen Zeitalter neu entdeckt und ausdifferenziert werden sollte. Die integrale Zeit begreift, dass alles miteinander verbunden ist und jeder einzelne sein Feld bereinigen sollte von Destruktivität und Morbidität, damit das Ganze gesünder und lebensdienlicher wird.
Claus Eurich: Aufstand für das Leben. Vision für eine lebenswerte Erde. Via Nova Verlag Petersberg 2016.
Claus Eurich: Die heilende Kraft des Scheiterns. Ein Weg zu Wachstum Aufbruch und Erneuerung. München Via Nova Verlag Petersberg 2006
Michael Andrick: Im Moralgefängnis. Spaltung verstehen und überwinden. Frankfurt am Main 2024