Die Bewusstseinswissenschaften hatten von Anfang an ein Problem mit den Dualitäten in unserem Denken, die vermeintlich schwer vereinbar mit der Erfahrung von Einheit sind. Aber wir brauchen mindestens die Dualität von Geist und Materie, da sonst auch viele Krankheiten nicht geheilt werden können und der Mensch keinen Neuanfang initiieren kann.
Es kann keine endgültige Lösung des Mind-Body-Problems – weder theoretisch noch praktisch – geben, es muss immer wieder neu überdacht werden. Wer von großer Einheit unserer Erfahrungen und in Bezug auf Körper und Geist spricht, der ist nicht mehr frei und kann nicht mehr differenzieren und Differenzierungsphänomene bringen Klarheit. Sicher ist ein Gefühl der Einheit etwas Erhabenes und Würdevolles, aber sie ist nur der Ausgangspunkt für die Reflektion, die wir brauchen für Einsichten, Selbst- und Fremderkenntnis und auch für die eigene Individuation. Und hier ist es auch so, dass wir uns selbst lediglich in der Meditation relativieren, um dann als erweitertes Bewusstsein wieder bei uns selbst zu landen, um handlungsfähig zu bleiben und letztlich auch um unseren Lebensplan verwirklichen zu können. Keiner kann sich auf Dauer im leeren Raum aufhalten und dabei nicht verzweifeln. Es geht darum, verschiedene Fähigkeiten miteinander zu korrelieren, ohne dass sie ihre prinzipielle Eigenständigkeit verlieren. Wir können reines Bewusstsein werden, aber auch reiner Geist oder reiner Körper. Es ist unsere Entscheidung und die ist ein geistiges Phänomen. Wir können auch Entscheidungen gegen den Körper treffen, wenn unsere Instinkte und Vernunft versagt haben. Man denke nur daran, wie viele Menschen so unglaublich viel essen… Menschen können eben aus der Kohärenz, die wir in einem immerwährenden Prozess erschaffen müssen, herausfallen. Aber sie kommen auch wieder hinein, wenn sie sich eine Geistesfreiheit erarbeiten und so einen Willen bewirken, der sie zurückführt in die Homöostase. Allein durch Einheitserfahrungen gelingt das nicht. Vor allem auch für psychische Erkrankung ist es von größter Wichtigkeit, die Krankheit in ihrer Bedeutung zu verstehen und sie auch durch erkennende Reflektion aufzulösen. Bewusstmachung ist also erweiternde Einheitserfahrung und gedankliche Differenzierung, die bestenfalls das Primat des Geistes über den Körper erkennt. Das Inkohärente in dieser Welt muss in einer täglichen Übung in Kohärenz gebracht werden.
Einheit, Dualität und Pluralismus sind kein Widerspruch, wenn ich prozesshaft denke
Ken Wilber geht so weit, dualistisches Denken als krankmachend zu bezeichnen. Der theoretische Dualismus ist aber nur ein Anfang aller möglichen Unterscheidungstätigkeiten, die wir vornehmen müssen, um nicht zu verblöden. Die dialektische Kunst besteht darin, Einheit zu postulieren, ohne sie zu verabsolutieren und eine Differenzierungsfähigkeit zu kultivieren, die erst evolutionären Fortschritt möglich macht. Allein ein Gefühl von Einheit und Verbundenheit ist illusionär und verkennt, dass der Mensch sich positionieren muss, um gesund zu bleiben und letztlich auch selbstkompetent und autonom. Sicher, man kann den Dualismus auflösen, indem man behauptet, im Grunde seil alles Geist. Aber da gibt es noch die Energie und die Frequenzen, die Informationen enthalten. Wir brauchen die Erfahrung eines Quantenfeldes des Indeterminismus, um unsere Möglichkeiten zu erweitern, aber die müssen letztlich geistig reflektiert werden, sonst bleiben sie unwirksam, einfach nur ein vages Gefühl ohne bleibende Konsequenzen. Sicher, das Denken selbst spielt sich auf einer hochfrequenten Ebene statt und kann dadurch Stress erzeugen, aber es kann auch genau das Gegenteil bewirken, nämlich eine Energie freisetzen durch Erkenntnis in Kombination mit einer Handlungsfähigkeit, die etwas bewegt, so dass man sich und anderen helfen kann, ein besseres Leben zu führen. Um wirklich kreieren zu können, brauchen wir einen aktiven Geist, der sich nicht vom Körper (träge Masse) bremsen lässt oder sich im reinen Wohlgefühl auflöst.
In und durch die reflektierte Einheit erfasst der Mensch Komplexität
Bringen wir die Dinge also zusammen und verteufeln nicht den Verstand und die Vernunft und den Geist, sondern sehen das Zusammenspiel unseres Potenzials, uns erfahrungsmäßig zu dekonditionieren durch die Verbindung an einen universellen und spirituellen Geist oderKosmos, aber auch wieder in die Tiefe des Unterscheidens zu kommen, um uns zu erneuern und bewusst zu befreien von den falschen Programmierungen, von Problemen, die uns andere aufgebürdet haben und nicht die eigenen sind sowie von eigenen falschen Glaubenssätzen. Unsere Identität ist dieses Oszillieren zwischen Ganzheit und Vielheit, die wir in ihren besonderen und individuellen Ausprägungen erfassen möchten, um uns zu vervollkommnen. Wer behauptet, das Denken wäre ein Fragmentieren und ein Zerstückeln der Welt, der hat noch nicht verstanden, dass das Faszinosum darin besteht, das Mystische und Poetische mit dem Rationalen zu vereinen und das Transrationale als ein Auftanken zu begreifen, dieser Welt so klug wir möglich zu begegnen, ohne eben einen Einheitsdogmatismus zu beschwören, der auch seine Gefahren in sich birgt. Wer Komplexität auf diese Weise vereinfachen will, ist dem Leben und der Lebendigkeit nicht näher gekommen. Glück kann manchmal darin bestehen, dass ich etwas klar benennen kann, was zuvor noch dunkel und schleierhaft war. Der Schleier liegt nicht im Dualismus oder im Pluralismus, sondern in den Verabsolutierungen. Wir bewegen uns zwischen all den Möglichkeiten dialektisch und gewinnen so immer mehr Raum für unsere persönliche und auch allgemeine Entwicklung. Wir werden wach für eine Wirklichkeit, die sich nicht nur auf Naturwissenschaften beschränkt, denn deren Evidenz ist immer nur vorläufig.