Rechtsradikalismus

Wieder einmal hat ein Radikalisierter einen Anschlag auf Juden in Halle verübt. Wir sind fassungslos, aber eben auch aufgefordert nachzudenken, wie diesem gewalttätigen Extremismus begegnet werden muss. Es wird immer wieder deutlich, dass für die Menschen vor allem im Osten Deutschlands, aber auch im Westen zu wenig getan wird. Dabei geht es nicht um eine Dauerförderung, sondern um konstruktive und friedvolle Selbstermächtigungsstrategien, die durch das Sozialsystem teilweise unterminiert werden. Dass Menschen keine Hoffnung haben aufgrund eines zu geringen Einkommens, aufgrund von Zwängen in Bezug auf berufliche Integration, die dem Einzelnen und seinen Interessen und Fähigkeiten nicht gerecht wird sowie aufgrund fehlender Institutionen, die nicht bevormunden, sondern Angebote unterbreiten, die dem Einzelnen entsprechende Integration wieder möglich machen. Es ist und bleibt die Aufgabe, für den Einzelnen eine optimale Lösung zu finden. Das müsste auch ein wohlhabender Staat leisten. Angst, Zwänge und Dequalifizierung sind Gemeinschaft gefährdende Parameter. Eine neue Dynamisierung wäre ein Anfang gegen verhärtete Fronten.

Die Selbstgefälligkeit der Politik, die  nach Terroranschlägen wieder so tut, als hätte sie doch das Menschenmögliche getan, um Menschen zu motivieren und zu integrieren, wirkt angesichts auch der Schließung der Universitäten für die Öffentlichkeit zynisch.  Das elitäre Selektionsgehabe von Universitäten, die immer stärker eindimensionalisieren, ist Symbol für einen gesellschaftlichen Prozess der Desintegration breiter Bevölkerungsmassen, die sich selbst aufgegeben haben oder eben Feindbilder suchen, um ihrer Frustration Ausdruck zu verleihen. Eine Politik, die viel zu wenig auf die Komplexität einer Gesellschaft und einer Wirklichkeit reagiert, muss sich also selbst befragen, wo sie dauerhaft versagt. Menschen ohne Hoffnung greifen andere Menschengruppen ideologisch und faktisch an. Der Hass ist die Entladung von Resignation in Verbindung mit Aggression gegen einen Staat, der Reformen der Desintegration eingeleitet hat und nun auch zur Rechenschaft gezogen werden muss gegen eine nationalistischen Gruppenidentifikation mit etwas, das es gar nicht gibt.

Es ist  nicht richtig zu behaupten, dass seien eben schlechte Menschen, die nichts können und eben destruktiv sind. Das ist nicht die ganze Wahrheit, denn ein Mensch, der seine Aufgabe gefunden hat, sich gebraucht fühlt und genügend Einkommen hat für die Teilhabe an Gesellschaft, Kultur und Bildung, der wird auch nicht gewalttätig gegen andere. Nicht jeder kann aus dem Nichts etwas machen, deswegen muss ein Klima der Motivation und der Bereitstellung eines höheren Grundeinkommens gewährleistet sein. Wenn der Rechtsradikalismus verschwinden soll, muss der Staat Geld ausgeben für Menschen, die ihren Halt längst verloren haben und denen es egal ist, was man von ihnen denkt. Sie empfinden sich mehr oder weniger als Versager, was auch am politischen Narrativ liegt. Auch die zunehmende Normierung von Lebensläufen trägt nichts zur Lösung bei. Brüche im Leben dürfen keinesfalls diskriminiert werden, sondern können auch als Chance begriffen werden.

Es soll keine Entschuldigung sein, aber die Wurzeln des Rechtsradikalismus liegen in einem Staat, der sich als gut und gerecht geriert, es aber faktisch schon lange nicht mehr ist und der notwendige Reformen angesichts globaler Probleme immer wieder aufschiebt bzw. unterlässt.  Es ist einfach zu sagen, dass es eben solche faschistischen Gruppierungen gibt, die sich nicht belehren lassen. Bieten wir Ihnen doch einfach mal ein Programm an, das sie nicht abschlagen können.  Da es eine beträchtliche Anzahl Radikalisierter gibt, darf ihnen kein Forum der Aufmerksamkeit gegeben werden, sondern Angebote gegen den Hass, der nicht selten Ausdruck eines tief sitzenden Minderwertigkeitsgefühls der Ausgrenzung ist.

Auch die Gruppenidentifizierung verleiht diesen Menschen alternativ ein Gefühl der Macht, weil sie die Selbstermächtigung längst verloren haben. Sie arbeiten nicht mehr konstruktiv, weil sie ihr Bemühen als aussichtslos betrachten. Dagegen kann ein Staat besonders im Osten von Deutschland, aber auch im Westen viel tun. Weltoffenheit bedeutet eben auch eine innerstaatliche Offenheit der Systeme für mehr (freie) Bildung und Teilhabe, die in vielen Hinsichten institutionell nicht mehr gegeben ist. Es ist ein sehr ernstes Problem, das nicht gelöst wird, indem man lauthals (CDU) gegen durchaus gefährliche Menschen kämpft (und sie zu Verfolgten macht), sondern die Ursachen dieser Entgleisung und Kriminalität angeht. Das wäre eine sehr wichtige Aufgabe. Rechts- und Linksradikalismus sind ein Ausdruck dafür, dass die Politik versagt hat.

siehe auch unten: Theodor Adorno: Aspekte des neuen Rechtsradikalismus (Vortrag)

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