Die Heilkraft des Fastens

Das Fasten war lange Zeit zu Unrecht umstritten. Aber der Mensch hatte in Vorzeiten nie ständig Nahrung zur Verfügung und alle Religionen betrachten das Fasten auch als spirituelle Erneuerung, als eine Besinnung auf das Wesentliche.  Es scheint so zu sein, dass der Körper diese Ruhezeit einer Nahrungskarenz braucht, um lange gesund zu bleiben oder wieder gesund zu werden durch die Autophagie (Reinigungsprozess) der Zellen. Angesichts der vielen und zunehmenden Erkrankungen im Alter erhält das Fasten eine neue Dimension der Aufmerksamkeit. Geistige und körperliche Energien zu erneuern ist also gar nicht so schwer, wie man denkt. Der Arzt und Psychotherapeut Rüdiger Dahlke ist der Auffassung, man könne sogar durch das Fasten die Demenz abwenden. Viele Krankheiten wären vermeidbar, wenn man dem Körper die Möglichkeit zur „Entschlackung“ geben würde, damit er zu einer physiologischen Homöostase zurückfindet.

Die Arte Dokumentation vom 06.03.2015 (Link siehe unten) erklärt die enorme Heilkraft des Fastens selbst bei schweren psychischen Erkrankungen. Die Studie des Psychiaters Juri Nikolajew könnte bahnbrechend werden, da Psychopharmaka Körper und Gehirn schädigen. Auch einer Humanisierung der Psychiatrie stünde nichts mehr im Wege.  Der Gerontologe Valter D. Longo hat herausgefunden, dass sich nach zwei bis drei Tagen des Fastens die Genexpression ändert und die Selbstheilungskräfte so aktiviert werden können. Der Körper ist in der Lage, ein physiologisches Gleichgewicht herzustellen, das durch verschiedene Ursachen aus der Balance geraten ist. Diese Homöostase erreicht kein einziges Medikament, das ja immer mit unerwünschten Nebenwirkungen verbunden ist. Die Heilkraft der Natur ist kostenlos und unproblematisch. Die meisten Menschen können davon profitieren und ihre Gesundheit auch präventiv befördern – geistige Klarheit inbegriffen. Das Gehirn wird robuster und leistungsfähiger.

Ein weiterer Aspekt ist die Entwicklung von mehr Bewusstsein für die eigene Gesundheit und für die Umwelt. Auch die Gesundheit anderer ist ein Anliegen derjenigen, die einen gesunden Weg eingeschlagen haben, um beispielsweise einen hohen Cholesterinwert zu senken, anstatt Statine einnehmen zu müssen. Auch der Blutdruck kann über das Fasten gesenkt werden, so dass heilender Einfluss genommen wird auf die vielen Herz-Kreislauferkrankungen. Im Fasten halte ich inne nicht nur in der vorösterlichen Zeit, sondern immer wieder mal im Jahr oder Monat, wenn die Beschwerden zunehmen und sich kein gutes Körpergefühl einstellt.  In Verbindung mit Yoga und Meditation lässt sich also ein besseres Lebens- und Körpergefühl bewirken. Wir nehmen bewusster wahr, was wir alles so zu uns nehmen, ohne uns Gedanken zu machen, was das für den Organismus bedeuten könnte. Aber es geht hier nicht um Genussfeind-lichkeit, sondern um mehr Genuss bezüglich dessen, was wir essen und trinken. Es stellt sich auch tiefe Dankbarkeit ein, dass wir nicht unfreiwillig hungern müssen. Diese Dankbarkeit darf nicht zu überflüssiger Nahrungszufuhr führen als einer Art Kompensationsleistung. Auch der Umgang mit Lebensmittel muss geübt werden und sollte auch in Schulen gelehrt werden.

Tatsache aber ist, dass wir mit der hohen Verfügbarkeit von Lebensmitteln die Übersicht über gut und schädigend verlieren.  Alles Fasten nützt nicht so viel, wenn es danach nicht zu einer bewussteren und ökologischeren Haltung führt.  Intervallfasten – also kein Essen für einen langen Zeitraum innerhalb von 24 Stunden – und der Verzicht auf eindeutig belastende Lebensmittel muss folgen. Vor allem aber muss Qualität vor Quantität gehen. Die Sättigungsgrenze darf nicht überschritten werden. Wer hierfür das Gefühl verliert, setzt Fett an, das den gesamten inneren physiologischen Haushalt schädigen kann. Krankheiten sind vorprogrammiert. Die können wir durch Selbststeuerung vermeiden. Ist es nicht ein Geschenk der Natur, auf so einfache Weise wieder zu Gesundheit und Wohlbefinden kommen zu können?

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Die Schwierigkeit mit dem Zölibat

Es verwundert, dass eine Kirche, die mit so vielen Vorwürfen des Kindesmissbrauchs konfrontiert ist, sich erlaubt, wiederverheiratete Geschiedene zu diskriminieren. Dieser moralische Missstand verursacht großes Unbehagen, wenn er nicht zum Austritt zwingt. Das Zölibat ist nichts für jeden und die Kirche beherbergt zu viele, die sich nicht an das Zölibat halten können. Dabei geht es ja nicht nur um die Ehelosigkeit, sondern um den Verzicht auf Sexualität. Kindesmissbrauch ist nicht als unreife Sexualität zu werten, sondern als Kriminalität, denn diese Menschen zerstören anderer Leute Leben durch ihre triebhafte Veranlagung. Der Nachwuchsmangel in der Kirche, was das Priestertum angeht,  führt zu einer unkritischen Auswahl der Kandidaten, die besser einen anderen Weg einschlagen sollten, denn das Zölibat hat auch wirklich seine Vorteile, wie uns die mehrtausendjährige Überlieferung lehrt.  Die Überwindung der eigenen Triebhaftigkeit setzt seelische und geistige Energien frei, die nicht nur glücklich machen, sondern auch anderen Menschen zugute kommen wegen einer höheren Empathiefähigkeit und Intuition.

Man wundert sich auch, warum nicht endlich Frauen zum Priesteramt zugelassen werden, wenn schon ein eklatanter Mangel an Männern aufgetreten ist, die sich zum Zölibat bekennen können. Nicht von einer eigenen Familie absorbiert zu werden und den Blick gezielter auf die Gemeinde richten zu können ist ein Vorteil und kein Nachteil.   Es werden andere Fähigkeiten entwickelt. Das Zölibat sollte nicht abgeschafft werden, aber die Auswahl an Kandidaten muss dringend überdacht werden. Es reicht nicht, an Gott zu glauben, sondern man muss sich selbst sehr gut kennen und in der Lage sein zu verzichten auf diese Organisationssexualität in einer Ehe. Um die Eignung festzustellen, sollte also jeder Priesteranwärter eine entsprechende Therapie machen müssen, damit sich Triebhaftigkeit nicht an Minderjährigen vergreift und so zu einem Verbrechen wird.

Geschiedene haben ihre Gründe, warum sie die Ehe mit einem Partner nicht fortsetzen können oder wollen. Es sind die Wenigsten, die eine Ehe aus Triebgründen beenden. Meistens sind es gegenteilige Entwicklungen, die zu Konflikten führen. Nicht alle Konflikte sind in einer Therapie lösbar, wenn sie Grundsätzliches beinhalten. Wir entwickeln uns ein Leben lang und manchmal wird man sich dadurch fremd und kann sich an Gemeinsames nicht mehr erinnern. Ein zölibatärer Priester darf sich hier nicht als Konservierer einer Ehe verstehen, sondern muss die Wege der Partner begleiten, auch wenn sie in eine neue Beziehung bzw. Ehe führen, denn in erster Linie geht es um die Gesundheit von Menschen und um ihr Wohlergehen. Krankheit ist ein hoher Kostenfaktor und mindert die Lebensqualität erheblich. Das kann niemand wollen. Ein Priester kann dafür sorgen, dass Menschen die Ehe ernst nehmen, aber dass sie dabei auch eben heil bleiben und sich nicht einer Moral unterwerfen, die ihnen schadet.  Durch diese Begleitung kann die Kirche  nur gewinnen, anstatt die Moralkeule zu schwingen, wo sie doch selbst innerlich schwerstens erkrankt ist: Verkrüppelte Menschen sind eine Gefährdung für die Gesellschaft.

Warum Descartes recht hat

Der lange philosophische Streit zwischen Dualismus und Materialismus (Daniel Dennett)  und biologischem Naturalismus als Korrelationsphänomen (John Searle), der aber nichts anderes als Materialismus ist, könnte wieder zugunsten des Dualismus (Descartes) von res cogitans und res extensa entschieden werden. Dass wir nicht wissen, wie mentale Phänomene auf physische wirken, heißt nicht, dass sie es nicht können. Warum sollten mentale Entitäten nicht physische Ereignisse verursachen oder gar in gewisser Weise überwinden, so dass sie gar nicht wirksam werden wie die Nonnenstudien gezeigt haben. Nonnengehirne wurden obduziert bei Feststellung von Alzheimer-Ablagerungen, die aber im Leben der Nonnen nicht zu Alzheimer geführt haben. Wir sind also nicht unser Gehirn, sondern weitaus mehr als ein physiologisches Korrelat.

Das Phänomen der Emergenz, d.i. die Überwindung eines bestimmten physiologischen Zustandes, zeigt deutlich, dass man durch bestimmte Rituale und Übungen wie Meditation und Kontemplation die Determinierungen hinter sich lassen kann. Wenn wir uns frei fühlen, dann ist ein Zustand erreicht, dem nichts in der physischen Welt zu entsprechen scheint als eben Freiheit von Festlegungen. Es ist auch empirische Alltagserfahrung, dass Informationen, Gedanken, Vorstellungen, Überzeugungen die innere Verfassung verändern können im positiven wie im negativen Sinne. Wie kann man also daran zweifeln, dass es eine Macht des Geistes gibt, der Einfluss nimmt auf unsere Physiologie und davon unabhängig existieren kann, was er muss, wenn er als eigenständige Kraft verstanden wird, der zu Verursachungen fähig ist. Scheinbar sind wir nicht vollständig materiell determiniert, sondern offen für derartige Einflussnahmen. Der Geist wirkt auf die Materie, konstruiert sie in gewisser Weise, wie Kant das Phänomen in seinem Idealismus begründet hat.

Jeder kann die Erfahrung machen, dass er bei längerer Konzentration in einen freien Zustand gerät, der dann zu vielen anderen Dingen befähigt und wir so willentlich in die Sphäre der Freiheit kommen. Eigentlich ist das tägliche Übung und ermöglicht, das Wirkungsspektrum des Geistes zu erhöhen. Auch der freie Wille, der nicht physiologisch determiniert ist, sondern ein Anfangen in Freiheit bedeutet, ist ein Indiz für das Primat des Geistes, das aber auch untergehen kann bei Krankheit, Schwäche und Nichtübung. Wir haben es also in der Hand, ob der Geist uns lenkt und das Denken oder unsere innere materielle Verfassung, durch die wir getrieben werden. Homöostase wäre dann der Einklang beider Entitäten, die nicht gegeneinander arbeiten, sondern ein harmonisches Gleichgewicht konstituieren. Viele Denker wissen, was das Denken in ihnen bewirkt und können sich ein Nichtdenken kaum vorstellen, da dies zu einem Vegetieren führen würde, das nicht mit Glück verbunden ist. Wir sind also dazu aufgefordert, unseren Geist zu betätigen, um höhere Glückszustände bewirken zu können.

Mentale Phänomene sind nicht auf physische Phänomene zurückzuführen. Mentale Krankheiten beruhen meist auf schweren Geist- oder seelischen Verletzungen. So kommt es zu einer Fehlregulation in der Neurobiologie als Reaktion auf eine schwere Verletzung durch andere oder Selbstverletzung durch unangemessenes Handeln. Es entsteht eine traumatische Rückkopplung, die aber nicht notwendig und kausal determiniert abläuft, sondern wieder entkoppelt werden kann durch den Wandel einer Erkrankung in einen konstruktive Auseinandersetzung und Umsetzung in etwas Affirmatives. Wem das gelingt, sein Trauma auf eine höher Ebene zu heben, der hat es überstanden und hat eine Chance auf Heilung und Freiheit von belastenden Erinnerungen. die als mentale Phänomene nicht mehr zu einem krankhaften physiologischen Prozess führen. Kraft meiner Einsicht, meiner Zuversicht und meines Willens entkopple ich diesen Prozess. Dafür muss ich die Verursachung durchschauen, um sie ändern zu können. Diese Macht des Geistes wird von Materialisten bestritten, da Geist keine unabhängige Instanz für diese Auffassung ist. Vieles spricht gegen den Materialismus wie eben die Heilung von mentalen Erkrankungen, die eine mentale Anstrengung ist und eben nicht identisch mit dem physiologischen Prozess sein kann. Diese Anstrengungen muss ein Gesundheitssystem unbedingt unterstützen und den Menschen nicht allein mit Medikamenten behandeln, die die geistige Energie erheblich einschränken und Heilung unmöglich machen.

Es handelt sich also nicht nur um einen Eigenschaftsdualismus (David Chalmers), sondern um einen Substanzdualismus im Sinne von Descartes, der nicht nur die Unsterblichkeit der Seele postuliert, sondern auch eine Annäherung an eine völlig geistige Existenz wie Gott in den Bereich des Möglichen rückt. Gott ist der Gipfel alles Geistigen mit der höchsten Transformationskraft aller spirituellen Erfahrungen über höhere Einsichten, die aber nicht als ein Wirken Gottes missverstanden werden sollten. Dass Gott nicht in unser Leben eingreift, hat die Hinrichtung von Jesus Christus bewiesen.

Internationalisierung

Die doch erschreckende Debatte um Renationalisierung ist Ausdruck einer  Hilflosigkeit gegenüber einem Wandel, der Komplexität und damit Entfaltung und Entwicklung im eigenen Land behindert. Innovation bleibt hier ein Schlagwort ohne Performanz. Positive Reformen weichen Repressionen, die den Rückschritt im Humanen salonfähig machen wollen. Wer so argumentiert, der verrät die internationale Idee der Anerkennung von Heterogenität und damit die Idee der Vielfalt, die nicht zur Einfalt verkommen darf. Der kleinste gemeinsame Nenner wird zur Falle. Diese Tendenz eines simplifizierenden Korsetts spüren viele und wollen die europäische Idee lieber aufgeben. Ein Europa, das über zunehmende strukturelle Gewalt etabliert wird, das muss zugrunde gehen. Europa kann nur überleben, wenn es nicht zu einer Innovationsblockade wird, sondern Entwicklung beschleunigt zum Wohle aller. Davon ist es aber weit entfernt. Es muss aushalten, dass  nicht alles vereinheitlicht werden kann und muss. Wir sind mehr denn je auf den Einfallsreichtum von Menschen angewiesen, da im Zuge der Digitalisierung die künstliche Intelligenz in vielen Bereichen mit den Leistungen von Menschen konkurriert.

Wenn ich den Rahmen für neue Ideen und Kreativität so stark einschränke wie es derzeit unternommen wird, sind wir nicht gut vorbereitet auf die kommende Entwicklung. Es gibt sie schon die staatlichen Übergriffe in das Leben von Bürgern – mehr als uns bewusst und lieb ist. Wir werden hier in Schach gehalten angesichts von internationalem Terror und globalem Elend. Nebenbei fängt man hier an zu manipulieren und zu regulieren, indem der Staat seine Befugnisse deutlich überschreitet.  Das geschieht schleichend und wird zu einem bösen Erwachen, wenn der Bürger hier nicht aufmerksam ist.  Wenn hier die demokratische und rechtsstaatliche Verfassung letztlich zur Disposition steht, dann kann ein Europa auch nicht wachsen. Wer die Vielfalt im eigenen Land nicht schätzen kann und sogar versucht, sie zu unterbinden, der hat doch die europäische Idee gar nicht verstanden. Bildung zu vereinheitlichen und sie zur Ausbildung zu schrumpfen ist der Versuch einer gefährlichen Regulierung, die den Entwicklungs- und auch den Evolutionsdruck der tieferen Einsichten in ein friedliches Funktionieren des Zusammenlebens  aussetzt. 10 Milliarden Menschen beispielsweise, die Fleisch essen wollen, werden begreifen müssen, dass diese Gier in den Hungertod führt, denn Tiere konkurrieren hier mit dem Menschen: Futtermittel für die Massentierhaltung oder vegetarische Nahrungsmittel für alle Menschen. Fleisch schädigt auch nachweislich die Gesundheit auf vielfältige Weise, aber die Massentierhaltung wird weiter angekurbelt und in die Entwicklungsländer exportiert. Ein Ende ist hier also nicht in Sicht.

Die Politik des Immer-weiter-So hat etwas Verdummendes und Erschreckendes zugleich. Wir opfern die Grundrechte, um ein System in Gang zu halten, das sich schon national deutlich unsolidarisch verhält und das auch noch als Tugend verkaufen will. Menschen werden informell abgespeist, um Verhältnisse gegen jede Veränderung zu rüsten. Der Dogmatismus hat viele Gesichter und viele Profiteure, die von ihrem begrenzten Wissensstand nicht ablassen wollen. An dieser Stelle sei auch das innovationsfeindliche Beamtentum erwähnt, das vor dem Staat buckelt und wichtige Erkenntnisse nur noch außerhalb von Institutionen thematisieren kann. Vor der Macht des Geldes kuscht so mancher schwache Geist, aber das sollte nicht diejenigen abhalten, die für humanere Verhältnisse werben bei Anerkennung von Anstrengungen, die sich der reinen Außenperspektive entziehen. Normierungen aller Art sind die Vorzeichen einer schwindenden Vielfalt, die wir im Großen nicht wollen können, wenn wir sie national im Keim ersticken. Wer sich diese Diskrepanz nicht deutlich macht, der verrät die europäische Idee vollständig und muss sich über Austritte nicht wundern. Gemeinschaft – und das ist der Irrtum – existiert nicht durch Gleichschaltung, sondern Wertschätzung der individuellen Bemühung, mehr Licht in ein sich verdunkelndes Dasein zu bringen.

Eine untadelige Partei?

Ist es nicht merkwürdig, dass ausgerechnet die konservative Partei so viel von Integration redet, die aber eine gesunde Integration von Inländern schon nicht schafft und von ihrem Lohndumpingkurs nicht ablassen will, sich nun das Projekt Ausländerintegration auf die Fahne schreibt. Wohl gemerkt, der AfD wollen wir keine Argumente liefern, aber diese Partei der offenkundigen Ausgrenzung von vermeintlich nicht Konformen im eigenen Land, die gnadenlose Selektion über informelle Ausgrenzung betreibt in Bezug auf Leistunswilligkeit und scheinbarer Leistungsunwilligkeit. Ausgerechnet diese Partei will sich nun der Integration von Menschen widmen, deren Werthaltung zunächst einmal eine andere ist als die des Westens. Und es hat sich auch herumgesprochen, dass unser Wohlstand auf deren Kosten stattfindet. Eine ganz schwierige Lage für Deutschland und den Rest der westlichen Welt. Viele Schief- und berufliche Bedarfslagen im eigenen Land ließen sich auch über entsprechend gute Bezahlung lösen.

Es könnte eine Chance sein, wenn man offener für heterogene, komplexe und selbstbestimmte Lösungen werden würde. Davon ist aber nun gerade diese Partei weit entfernt. Sie legt viel Wert auf Konformität und diffamiert jeden abweichenden Lebenslauf, unterwirft auch jeden, der aus einem Verband kommt, Kriterien, die nur in Bezug auf den Einzelnen Sinn machen. Jeder ist also selbst schuld, wenn er die Entfaltung eines anderen unterstützt und dabei zurückstecken musste. Der sieht sich auch noch der Kritik ausgesetzt, sich nicht durchgesetzt zu haben. Funktioniert so Gesellschaft? Verbände können sich auflösen, wenn auf Dauer keine Entwicklung aller möglich ist. Darf man dann die Herausgetretenen sanktionieren wegen Unterlassung? Sicher nicht. Aber Mitglieder dieser Partei beginnen sofort mit der Diskreditierung. Es gibt keine Toleranz, keine Einsicht in Zusammenhänge, kein Blick hinter die Fassaden. Es ist die reine Außenansicht, mit der Menschen beurteilt und abqualifiziert werden. Dieser Ausdruck genuiner Schwachheit wird immer wieder als Stärke verkauft. Das ist bequem und leistet sozialdarwinistischen Tendenzen Vorschub. Sie entsolidarisiert sich unter Bezug auf Sachzwänge.  Wie will ausgerechnet sie diese neuen Herausforderungen schaffen?

Ihr Programm funktioniert über die Denunziation – immer noch ein wirksames Mittel, um Menschen auf Linie zu bringen. Systeme können dann eine schädigende Virulenz entfalten, wenn die Kriterien ihrer Beurteilung nicht hinterfragt werden. Das setzt allerdings Denken voraus und vor allem Wohlwollen. Der Mensch regiert auf schlechte Absichten vehement. Wenn er die nicht rechtzeitig durchschaut, ist der Schaden auf seiner Seite. Man kann Menschen so fundamental schädigen, dass ihnen für alles Affirmative die Kraft fehlt, wenn sie diese archaischen und primitiven Prozesse nicht durchleuchten. Dass es dieses Ansinnen gibt, verraten ihre Vertreter immer wieder deutlichst. Sie schämen sich nicht einmal dafür. Sie haben nicht gelernt, das Eigene eines Menschen zu schätzen, sondern kaprizieren sich auf dessen Funktion. Das ist Instrumentalisierung, die eben nicht solidarisch ist im Sinne von Förderung der Interessen und Begabungen und damit eben auch der Individualität von Menschen. Dass die sich unterscheidet, müssen wir hier nicht eigens betonen. Darauf einzugehen und sie weder zu unterwerfen noch zu denunzieren ist die Kunst der Integration. Dafür bedarf es aber anderer Haltungen als die einer konservativen Partei, die auf Konformität drängt. Insofern steckt ein Potenzial in einer  möglichen Jamaika-Koalition, die nicht zum „Fluch der Karibik“ , wie die Zeit sie nennt, werden sollte.

Braunes Deutschland

Die Wahlergebnisse haben es wieder ans Tageslicht gebracht. Drittstärkste Partei im Lande ist die AfD, die Partei vor allem der doch sehr eigenartigen Männer. Obwohl alle anderen demokratischen Parteien sich sehr darüber entrüsten, sollten sie begreifen, dass dies ein Symptom ist für ein faschistoides Denken, das auch in anderen Parteien einen Nährboden hat.  Letztlich geht es insgesamt darum, Vielfalt und Heterogenität abzuschaffen. Auch unter dem Deckmantel von Wettbewerb und Konkurrenz ( sicher nicht Ausdruck von Wissenschaftlichkeit), wie sie auch in die Universitäten Einzug gehalten haben, versteckt sich so manche Sinnentleerung. Wer das Konkurrenzdenken im Land dermaßen anheizt, der muss sich auch nicht über eine AfD brüskieren. Hier im Land wird vieles übertrieben. Und wie hat man sich nach der Wende über die Gleichschaltung von Lebensläufen aufgeregt und sie nun zum beherrschenden Prinzip der Auslese gemacht. Wer und was alles im Land diskriminiert wird, um Menschen einzuschüchtern und so zur Aufgabe der Kritik oder in die Spur zu zwingen, ist beschämend. Die Ressentiments gegen Menschen werden größer auch innerhalb Deutschlands oder sind noch lange nicht überwunden. Einfache Lösungen bedeuten auch hier oft Menschenrechtsverletzungen. Aber das will keiner hören, wo es uns doch ach so gut geht.

Wenn ein Land es aber nötig hat, gegen Schwache zu opponieren und Menschen in schwierigen Lagen schwerstens zu belasten, dann kann es mit diesem Gutgehen nicht weit her sein, denn dies zieht meistens Toleranz nach sich  und eine Kultur des Verstehens statt des Aussonderns und des Angreifens. Es gibt kaum noch ein Verständnis für außergewöhnliche Lebenswege, wie sie in Kunst, Literatur und Kultur eben so üblich sind. Hier ist es der Widerstand gegen das Gewöhnliche, zu dem man eine kritische Haltung entwickelt. Dieses demokratische Korrektiv wird unterminiert, wenn Menschen zu stark in die Anpassung gedrängt und sperrige Wege einfach diskreditiert werden. Dies geschieht laufend und immer lauter. Da ist es kein Wunder, dass Menschen radikal werden und sich zur AfD bekennen. Der Nährboden dafür wurde von allen bereitet. Und Deutschland hatte schon immer Probleme mit der Toleranz und der Anerkennung von Vielfalt auch in Lebensläufen. Hier ist keine Entspannung eingetreten. Die alten nationalsozialistischen Mechanismen wirken insgeheim weiter und werden teilweise vor der Öffentlichkeit gerechtfertigt durch die Etablierung und Zementierung von schlimmsten Vorurteilen, die besonders das Establishment verbreitet und füttert. Von hier aus kann man keine Zweifel erwarten an dem, was Menschen zugemutet wird. Und wir erkennen die kulturelle Entwicklung eines Landes immer daran, wie es mit schwachen und kranken Menschen umgeht. Wobei gesagt werden muss, dass Schwäche kein Existenzial ist, sondern eine besondere Lage der Schutzbefohlenheit. Aus ihr kann man entkommen, wenn die Bedingungen dafür gut sind. bzw. geschaffen werden.

Man kann in diesem Land furchtbare Erfahrungen machen, initiiert oft von Männern, die Maßstäbe setzen, die lebensfern und inhuman sind.  Sie haben kein Problem damit, Menschen in Lebenskrisen in existenzielle Not zu bringen und wollen das im Nachhinein auch noch als Gerechtigkeit verkaufen. Jeder Mensch sollte ein Recht haben, sich zu regenerieren und selbst zu entscheiden, unter welchen Umständen er sich exponiert. Menschen – insbesondere Frauen – gezielt die Zukunft zu verbauen, kann nicht anders als primitivster Sozialdarwinismus verstanden werden. Hier ist wieder der Nazi, der alles kontrollieren und selektieren will in lebenswert und lebensunwert. Wo dieses atavistische Denken überall hineinwirkt, sollten wir kritischer untersuchen. Solange ein Land willentlich und absichtlich Opfer produziert, steht es in dem Verdacht, seine Geschichte nicht aufgearbeitet zu haben. Sinnlose und inhumane Regulierungen und Gesetze, die schon vielen Menschen die Existenz gekostet haben, sind eindeutig ein Zeichen für den Rückschritt im Humanen. Wer diese Fratze der Nation selbst gesehen hat, der wundert sich über ein solches Wahlergebnis eher nicht.

Eine Hypothese über den so wichtigen Präfrontalcortex

Wir sind damit konfrontiert, dass Politik zunehmend autoritärer wird. Das gilt dann aber auch für die Wissenschaften, die sich zunehmend abschotten gegen Kritik und neue Ideen. An neuen Ideen mangelt es eben auch der Politik. Einfallslosigkeit ist ein Syndrom dieser Zeit. Dabei steht so manche Theorie auf sehr wackligen Füßen. So werden weiterhin Dinge behauptet, die nicht hinreichend begründet sind und für die es wahrscheinlich nie einen Beweis geben wird. Dies gilt insbesondere für die Genthese in Bezug auf mentale Erkrankungen. Wir wissen, dass diese These zum Genozid geführt hat. Daran festzuhalten, obwohl vieles dagegen spricht, kann nur als Ausdruck dessen gewertet werden, keine neuen und affirmativen Behandlungen anzustreben, die Menschen wieder vollständig ins gesunde Leben integrieren können. Man will hier Kritiker vorschnell in die Ecke der Verschwörungstheoretiker stellen, anstatt zu überlegen, wo vor allem diejenigen Recht haben könnten, die es gut beurteilen können. Die Abwertung von Kritik ist ebenfalls Ausdruck eines sich zu autoritär gebenden Wissenschaftsselbstverständnisses und einer rücksichtsloser werdenden Politik. Neue Ideen beinhalten aber immer Fundamentalkritik und wurden eigentlich oft mit ihrer Entstehung auch in der Geschichte von Wissenschaft torpediert. Das Prestige von Wissenschaftlern steht auf dem Spiel und auch hier entwickelt man ungern eine Kultur der Fehlerkorrektur. Gute Gründe jedoch müssen zu einem Umdenken führen.

Wenn gute Gründe sabotiert werden durch Verweigerung des Diskurses beispielsweise sind wir an einer sehr gefährlichen Grenze angekommen. Wir dürfen auch nicht vergessen, dass Wissenschaft von neuen Ideen lebt, die dann evaluiert werden müssen. In Bezug auf mentale Krankheiten bewegt man sich schon viel zu lange auf eingetretenen Pfaden und begreift nicht, dass es hier so etwas wie einen informellen Genozid gibt. Diese Strukturen sind nicht überwunden und tiefe Skepsis sollte uns bleiben angesichts der Vorkommnisse vor über 72 Jahren. Wohin haben also Kraepelin und Konsorten geführt? Es sind Thesen, die nicht wahrer werden, wenn man sie immer wieder zitiert. Man unterlässt  heilende Therapien, wenn man eine Krankheit als genetisch abstempelt. Es wird also behauptet, man könne nichts anderes machen, als dagegen Tabletten schlucken, die den frühen Tod bedeuten. Und bedenken wir, dass Menschen mit mentalen Krankheiten rechtlich und medizinisch nicht gut behandelt werden. Eine Gesellschaft reagiert dann in der Folge atavistisch mit Ablehnung und Aggression. Das ist nicht so weit entfernt von den Gräueltaten der Nationalsozialisten.

Wenn wir bedenken, dass die meisten Todesfälle durch iatrogene Einwirkungen verursacht werden, sollten alle Maßnahmen ergriffen werden, die das Problem auf natürliche Weise lösen. Und hier sollten wir überlegen, ob nicht für alle mentalen Erkrankungen ein Ausfall oder eine Schädigung des Präfrontalcortex verantwortlich ist. Hinter fast jeder Erkrankung steckt eine Blockade oder ein Zusammenbruch eines Organs. Und ich behaupte, dass das evolutionsbiologisch jüngste Gehirn, der Präfrontalcortex, auch der anfälligste Teil ist.  Negative Umwelteinflüsse aller Art setzen ihm zu wie auch schwere Identitätsverletzungen. Es ist auch deutlich, dass mit diesem Zusammenbruch die Immunisierung gegen negative Informationen verloren geht. Diese Abwehr ist gestört, der Leidende fühlt sich überall betroffen und verliert so sein gesundes Selbstbewusstsein. Damit werden auch alle Bewusstseinsfunktionen eingeschränkt und es kommt zu Unordnungen in untergeordneten Zentren. Dieser Kontrollverlust zieht die Zerstörung der inneren Homöostase nach sich.  Eine Heilung von mentalen Erkrankungen sähe dann so aus, dass man den Präfrontalcortex wieder aufbaut und alles unterlässt, was ihn destabilisiert, also: Alkohol (Drogen aller Art), Sexualität, Stress, gedankliche Trägheit, Fernsehkonsum, überhöhte Nahrungsaufnahme etc. Sexualität hemmt den PFC und verschlimmert dadurch alle mentalen Probleme. Sie ist ein rein körperlicher Vorgang, der die geistige Kontrolle verdrängt. Wie auch das Fasten den Organismus heilen kann, so kann auch die Askese das Gehirn heilen. Psychopharmaka schädigen bzw. schwächen den PFC und machen so eine Heilung unmöglich, d.h. sie wird chronifiziert. Ein Entkommen aus diesem virulenten Kreislauf wird so sehr schwer.

Ich möchte auch die Hypothese dahingehend erweitern, dass ich davon ausgehe, dass es nur einen graduellen Unterschied von mentalen Erkrankungen gibt und nicht einen prinzipiellen. Eine Psychose (der Psychiatrieprofessor Jim van Os plädiert auch für eine Aufgabe der Bezeichnung „Schizophrenie“) beinhaltet so viele unterschiedliche Symptome, dass es nicht gerechtfertigt ist, sie eindeutig zu beschreiben. Eine nichtbehandelte Depression kann somit zu Halluzinationen führen, weil eben der Präfrontalcortex den Überblick verliert und die Neurotransmitter für dessen Aufrechterhaltung nicht mehr durchkommen und sich so in den Wahrnehmungszentren ansammeln. Wer schon immer zu gewalttätigen Phantasien neigt (oder gewalttätige Filme ansieht), wird auch entsprechende Halluzinationen haben. Wer romantisch veranlagt ist, sieht dann eben Engel und nette Menschen. Keine Krankheit hat genuin etwas mit Gewalt zu tun! Es ist meines Erachtens deutlich, dass in allen Fällen der Präfrontalcortex in Mitleidenschaft gerät durch schwerwiegende Verletzungen und schwere anhaltende Konflikte. Auch Gewalt und dysfunktionale Systeme können eine solche Schädigung hervorrufen. Gesunde Menschen suchen deshalb den Austausch, den aber oft Uneinsichtige und doch auch irgendwie Gestörte verweigern. Würden wir einsehen, dass man wirklich über alles reden kann, hätten wir keinen Krieg mehr. Dieser kleine harmoniesüchtige Herrscher (Präfrontalcortex) ordnet nicht nur die inneren Vorgänge, sondern er intendiert auch die Harmonie in der Außenwelt. Hören wir ihm also genauer zu.

Diese These hätte allerdings Folgen. Wir müssen unseren Umgang miteinander und das Wirken von Institutionen überdenken. Der Buddhismus rät daher zu mehr Rücksicht und Achtsamkeit und wo man nicht genau Bescheid weiß, da kommuniziert man gegen jede Art der Spekulation ins Unendliche. Erhabenheit und Überheblichkeit haben hier keine Chance. Wo Fragen gestellt werden, müssen sie auch beantwortet werden. Wir brauchen diese Orientierungen. Das Aussetzen dieser conditio humana (Kommunikation, Entwicklung) hat schwerwiegende Folgen, wie uns viele Menschen immer wieder berichten. Wir müssen uns alle fragen, was wir im Kleinen tun müssen, damit die Dinge auch im Großen gelingen. Wer sich nicht an die eigene Nase packt, der hat kein Recht, sich über andere zu beschweren. Der bewusstere Umgang miteinander verbietet destruktive Verhaltensweisen. Und wo ein Mensch nicht zur Einsicht fähig ist, da bleibt er auch in anderen Anteilen stecken. Alles wirkt zurück und wir merken, dass wir uns nicht entkommen können. Wäre es nicht ein Fortschritt zu begreifen, dass dieses so geniale Gehirn eben die Harmonie, die Welt der schönen und klugen Dinge will und das dann die Fähigkeit besitzt, sich selbst – auch den Organismus- zu heilen durch die Kraft eines eigenwilligen und doch auch mächtigen Gehirns, das aber angewiesen ist auf ein affirmatives Miteinander? Jeder sollte deshalb auf einer Suche nach positiven Lösungen insistieren. Die Selbstheilungskräfte liegen in uns, keine Tablette kann sie ersetzen, viele Medikamente machen sie sogar unmöglich. Wir sind aufgefordert, Lösungen zu finden, die aus den vermeintlichen Determinierungen herausführen. Eigentlich ist das eine Pflicht!

Auch wenn Joachim Bauer die oben erwähnte These nicht antizipiert, möchte ich auf sein Buch „Selbststeuerung“ hinweisen. Er belegt hier die Relevanz des Präfrontalcortex für unsere Gesundheit, die ohne Autonomie, Selbstbestimmung, Selbsterkenntnis und vor allem Selbstverwirklichung nicht möglich ist. Da wir hier ganz Mensch sind und auch irgendwie auch evolutive Schöpfung, muss der PFC gefördert und geschützt werden. Anders als Joachim Bauer bin ich der Meinung, dass nicht immer ein Du für das Erkennen des Selbsts notwendig ist, denn wir können zu uns selbst in Distanz treten, kommen bei Entwicklung von höherem Bewusstsein an alle unsere Programmierungen und Blockaden heran und können sie auflösen. Ein Du (in einer Therapie)  kann auch immer Verzerrung und Ablenkung vom Wesentlichen bedeuten. Wir sollten das Problem nicht kleinreden. Auf Kommunikation bleiben wir allerdings angewiesen. Sie führt heraus aus einem lähmenden Konventionalismus, der extrem konservativ ist.  Ganz in diesem Sinne plädiert auch Pierre Rosanvallon in „Gegendemokratie“ für mehr Demokratie, die auch den Präfrontalcortex herausfordert gegen Repression, Manipulationen und verdummende Propaganda.  Anders als Joachim Bauer halte  ich die Nichtentwicklung des Präfrontalcortex für eine Ursache des Nationalsozialismus und nicht die Unterdrückung von Trieben. Basisimpulse (die immer auch archaisch sind) sind auch viel simpler zu erfüllen (entsprechend simpel ist auch dann das ganze System) als die Impulse des PFC.

Joachim Bauer: Selbststeuerung. Die Wiederentdeckung des freien Willens. München 2015  1. Auflage

Pierre Rosanvallon: Gegen-Demokratie. Politik im Zeitalter des Misstrauens. Hamburg 2017

Gerechtigkeit

Ist es gerecht, Menschen, die selbst niemanden geschädigt haben, fundamental zu schädigen? Dies auch noch mit voller Absicht zu tun? Wer diese Frage mit ja beantwortet, muss sich gefallen lassen, dass man ihn einen asozialen und inhumanen Faschisten schimpft. Regelungen sind dazu da, um Menschen vor schädigenden Übergriffen zu schützen und nicht, um Prinzipien gegen Menschen willkürlich durchzusetzen. Diesen Schutz soll uns angeblich das Grundgesetz bieten. Die Realität sieht allerdings auch bundesrepublikanisch anders aus. Es ist erschreckend, wie sich Despotismus gegen jede Vernunft einschleicht, wenn Parteipolitik verabsolutiert wird durch zu lange Regierungszeiten. Das notwendige auch wissenschaftliche Korrektiv wird auf diese Weise schleichend ausgehebelt. Wer sein Denken einer Partei unterordnet, der sollte sich auch nicht mehr Philosoph nennen, denn dieser bleibt im Grunde seines Wesens skeptisch allen Maßnahmen gegenüber, die Menschen ganz offensichtlich schädigen. Wo Menschen nicht mehr human behandelt werden, ist das deutlich ein Versagen von Gerechtigkeit und nicht Ausdruck derselben. Wer dies nicht mehr unterscheiden kann, verdeckt seine eigene Asozialität hinter einer betont ausgrenzenden Gruppenbildung, die explizit Vielfalt negiert und Normierung im Sinne dieser Gruppe präferiert. Das ist mehr oder weniger primitive Parteipolitik, die sich nur vor Wahlen einem Diskurs stellt, die ja auch mehr und mehr zur Folklore entarten. Partei bedeutet ja, ich will und kann das Ganze nicht sehen und beurteilen. Also sind die jeweiligen Maßnahmen auch nie wirklich gerecht. Nur wer das Ganze im Auge hat, kann sich der Gerechtigkeit annähern. Gerechtigkeit ist ein Streitbegriff und kein dogmatischer. Es geht nicht um das Wohl von Gruppen, sondern um das Wohl aller. Wer das ausblendet, sollte sich der Befangenheit bewusst werden.

Dass gerade konservative Parteien Menschenleben normieren wollen und alles angreifen und leider auch zerstören, was dem scheinbar nicht entspricht, ist Ausdruck ihrer zutiefst im falschen Menschenbild verankerten Ungerechtigkeit. Und man will die Kritik, die Gegenstimmen nicht hören und boykottiert nicht nur Menschen in schwierigen Lebenslagen, sondern setzt auch den Diskurs darüber aus. Das sind zustiefst despotische Verhaltensweisen eines Herrschaftsdenkens, das sich immer wieder selbst als ungeheuer eingeschränkt und als Tatsachen ausblendend entlarvt. Natürlich lebt es sich so bequemer, unangenehme Fragen einfach abzuwürgen oder Menschen eben mundtot zu machen, die offensichtliche Dummheiten ans Tageslicht befördern. Wenn Parteipolitik bis in die Universitäten drängt und hier Interessen vorherrschen, die humane Lösungen verhindern, dann sollten alle Alarmglocken läuten. Angriffe auf die Demokratie sind schleichende Prozesse und die sind gefährlich, weil man sie viel zu spät bemerkt. Wir entrüsten uns über Erdogan, Putin und Trump, wollen aber nicht wahrhaben, dass sich im eigenen Land Kräfte etabliert haben, die populistisch Ungerechtes als Gerechtigkeit verkaufen wollen. Auch hier werden Menschenrechte Tag für Tag mit Füßen getreten und immer mehr Menschen ganz gezielt an den Rand gedrängt. Menschenrechte sind Individualrechte. Solange Menschen niemand anderen schädigen, müssen sie unter dem Schutz dieser Rechte stehen. Das aber versucht man mehr und mehr aufzuweichen.

Ein Herrschaftsdenken hat auch die Angewohnheit zu treten, damit andere nicht nach oben kommen, die dieses Denken kritisieren. Man bildet die Seilschaften von „Seinesgleichen“, um den Diskurs gar nicht erst aufkommen zu lassen, was wirklich gerecht ist und was nicht. Ist es gerecht, Menschen in schwierigen Lebenslagen zu Abschlüssen zu zwingen und auf den Arbeitsmarkt zu drängen? Sicher nicht. Der Mensch ist in solchen Situationen auf unseren Schutz angewiesen, damit er sich erholen kann, um seine Arbeitsfähigkeit zu erhalten, wie auch immer die aussehen mag. Die Glorifizierung des Angestelltenstatus ist deshalb schon dümmlich, weil nicht für alle Menschen Arbeit vorhanden ist. Und diese Lage wird sich verschärfen. Man beschwört in konservativen Kreisen den Fachkräftemangel. Wer aber wirklich Arbeit sucht, weiß, dass auch das reine Rhetorik ist. So hat 1993 beispielsweise die Universität München beschlossen, alle länger Studierenden zum Abschluss zu zwingen oder eben einfach rauszuschmissen bei externen Arbeitslosenzahlen von ca. 5 Millionen – die nicht gezählt, die nicht auf dem Arbeitsmarkt erscheinen. Das ist nicht nur nicht gerecht, sondern auch extrem dumm, denn Studierende können sich über Wasser halten, wird man „arbeitslos“, muss so oder so der Staat zahlen. Man fragt sich nun, was ein Staat davon hat, wenn er Menschen Integrationen nimmt, in denen man sich prinzipiell regenerieren kann, damit man dem Staat nicht zur Last fällt. Das System ist nicht durchdacht, zielt allein darauf ab, Menschen zu gängeln und ihnen die Selbstkompetenz zu nehmen. Es ist schlichtweg asozial. Und: Ist Asozialität gerecht? Sind wir schon so weit, nicht mehr zu merken, was wir da eigentlich an Widersinn veräußern?

In einem Klima der Unterdrückung und der gezielten Ausgrenzung wird dann auch viel gelogen, vertuscht und betrogen. Es gibt keine Kultur der Fehlerkorrektur, durch die Gerechtigkeit wieder in den Fokus rücken würde, sondern eine Kultur der Verabsolutierung von Schädigungsmaßnahmen, die niemandem nützen außer den ewig gestrigen und extrem kleingeistigen Prinzipienreitern des Man muss doch… Der deutsche Geist ist kein Geist der Freiheit und der Toleranz und lebt deswegen weiter in der Tradition des Dritten Reiches.  Wer angepasst ist, zählt eben dazu, wer ein Problem hat oder zweifelt, wird entsorgt. So einfach ist das mit der Gerechtigkeit in Parteien. Gerecht ist eine Lösung nur dann, wenn sie flexibel auf Situationen reagieren kann, wenn über die Verständigung die jeweilige Lage identifiziert wird. Die Demokratie lebt vor allem über die Kommunikation -eine conditio humana. Deswegen darf ich auch als Institution den Kontakt zu den Schutzbefohlenen nicht aufgeben. Wer Opfer billigend in Kauf nimmt, obwohl es gute und affirmative Lösungen gäbe, der gehört als Menschenschinder an den Pranger, denn es sind archaische und atavistische Motive, die vor allem Männer (Jäger und Krieger) uns als Normalität verkaufen wollen. Auf derart patriarchalisches Gehabe steht uns aber nicht der Sinn, denn die Diktatur ist hier nicht weit, die sich vor allem dadurch ausweist, dass inhumane Maßnahmen verabsolutiert werden. Das vollständige Versagen von Gerechtigkeit zeigt sich eben darin, dass Menschen in schwierigen Lebenssituationen von einem Staat geschädigt werden.

Der Gipfel der Perversion besteht auch darin, dass Menschen ihre zutiefst undemokratische Blockadehaltung als Tugend verkaufen wollen. Diese Haltung führt dann auch zu Kriegen. Wer die Kommunikation verhindert, ist ein Feind demokratischer Problemlösung und will den begründeten Widerspruch unterdrücken. Und es ist in einem Rechtsstaat nun einmal Konsens, dass, wer schädigt -. insbesondere als Staat -, für den Schaden auch aufkommen muss. Wenn auch hierfür das Bewusstsein seltsam verloren gegangen ist, muss das als Warnsignal gedeutet werden. Demokratie ist immer in Gefahr durch Intolerante, die den Menschen aus dem Auge verlieren. So geschehen auch in Bezug auf die deutsche Repression gegenüber Griechenland, die Menschen dort die Gesundheit und das Leben gekostet hat. In so einer Welt des rücksichtslosen Raubbaus lebt eben keiner gerne. Es ist auch hier die Schlacht des ach so heiligen Krieges im Namen einer falsch verstandenen Gerechtigkeit. Krieg ist es immer dann, wenn Menschen geopfert werden für vermeintliche Sachzwänge. Es sind Frauen, die potentiell Leben geben und deswegen auch primär Leben schützen. Entwicklung und Fortschritt im Humanen kann deswegen vor allem durch Frauen initiiert werden gegen das falsche Selbstverständnis vieler Männer, sich selbst als Initiatoren zu verstehen. Auch zerstörerische Ungerechtigkeit ist daher in erster Linie männlich. Jeder Mensch in schwierigen Lebenslagen muss mit dem Schutz durch den Staat rechnen können. Wenn man dies beherzigen würde, gäbe es viel weniger kranke Menschen in diesem Land.

Wenn Menschen erkranken, dann will man die Verantwortung für die Verursachung nicht übernehmen und versucht den Betroffenen auch noch zu aller Schädigung hinzu genetische Defekte zu unterstellen. Die sind aber weder bewiesen, noch spricht etwas dafür, dass es so ist, aber sie werden weiterhin behauptet, um sich auch vor entsprechenden Therapien zu drücken. Schuld daran sind vor allem diejenigen Ärzte, die Heilung nicht bewirken können und den Grund dafür dem Patienten zuschieben möchten. Natürlich sind auch die Interessen von Pharmafirmen im Spiel. Solch naturalistische Determinationen verhindern wirksame Therapien und heilsame Lösungen von Problemen. Die Verursacher von Schädigungen wollen die Schuld nicht eingestehen und haben ein großes Interesse daran, Menschen einzuschüchtern. Das hat eine politische Dimension und betrifft das Miteinander von Menschen, das immer rücksichtsloser wird und immer mehr Menschen schädigt. Davon wollen gewisse Interessengruppen  nichts hören. Wird ein Mensch geschädigt, wird die interne Homöostase schwer angegriffen durch Leid, Schmerz und Stress. Wieso muss man hier die Gene bemühen? Auf Sabotage folgt der Boykott. Interessengesteuerte, unbewiesene und sogar mehrfach widerlegte Behauptungen sind einfach nur Ausdruck von Machterhalt. Der Wille zur Macht ist aber durchschaubar. Die Demaskierung von verblödender Indoktrination bleibt eine wichtige demokratische Funktion  für mehr Gerechtigkeit.

Defizitäre Theorien

Wir stecken schon lange in der Krise, was die Behandlung von mentalen Erkrankungen betrifft. Ein Grund liegt darin, dass wir defizitäre Theorien nicht aufgeben wollen, die den Menschen betreffen. Ludwig Binswanger hat zurecht darauf hingewiesen, dass sowohl Freud als Heidegger defizitäre pathologische Paradigmen zu Anthropologien entwickelt haben, aus der sie Existenzialien ableiteten.  Der Mensch ist aber nicht in erster Linie ein unbewusstes Triebwesen noch ist er in diese Welt geworfen. Solche Zuschreibungen vermitteln ein verfehltes Dasein und taugen nicht für eine affirmative ontische und ontologische Beschreibung menschlicher Befindlichkeiten. Binswanger postulierte deswegen seine Daseinsanalyse, die sich ja am gelungenen Leben orientieren muss und nicht am verfehlten. Heidegger schwebt mit seiner Behauptung in der Gefahr, faschistoid zu werden, indem er Sinnentleerung zum Existenzial stilisiert. Und das Fundament ( „Unterbau“) unseres Lebens ist nicht der Trieb, wovon Freud eben noch überzeugt war. Wir wollen alles darauf zurückführen und determinieren den Menschen auf eine völlig untergeordnete Partial-„Leistung“, die unser Menschsein kaum erfasst.

Eine positive Anthroplogie definiert den Menschen dahingehend, dass sie beschreibt, wozu der Mensch fähig ist, welche Macht er über sich selbst besitzt gegen die Behauptung, er sei nicht Herr im eigenen Haus. Sein vorherrschendes affirmatives Existenzial ist sein Seinkönnen im Sinne einer Teleologie des Daseins. Wir sind entworfen auf die Verwirklichung unseres ganzen Menschseins hin, aber nicht geworfen. Wir wollen die vielen realen Abweichungen von dieser These nicht unter den Tisch fallen lassen, aber auch darauf aufmerksam machen, dass viele falsche Theorien über den Menschen, viele schlechte Verhaltensweisen von Menschen mitbewirken. Wenn ich behaupte, der Mensch sei in seinem Innersten triebhaft und aggressiv, wird er nicht viel dafür tun, diese defizitären Lagen zu überwinden, sie sogar als conditio humana verstehen. Auch die These, das menschliche Leben sei zum größten Teil von unbewussten Motiven geprägt, ist meines Erachtens nicht richtig. Jeder, der Bewusstseinsarbeit betreibt, weiß, dass er Zugang zu seinem Inneren hat. Und je mehr er hierin fortschreitet, um so besser geht es ihm. Wir können auch nicht wirklich Gott erfahren, wenn wir nicht bei uns selbst ankommen. Triebe und damit verbundene negative Emotionen sind allerdings ein Gegenspieler bewusster Erfahrung von Welt und ihrer Zusammenhänge. Das Zurückgeworfensein auf sein defizitäres Selbst verhindert Objektivität und beschränkt das intellektuelle Fassungsvermögen. Sexualität ist meines Erachtens auch ein Gegenspieler des Präfrontalcortex, der für Bewusstseinsprozesse zuständig ist. Wer diesen Teil des Gehirns stärken will, sollte deshalb asketisch leben – zumindest für die Zeit der Heilung von mentalen Krankheiten, für die man tiefe Einsichten braucht. Der Präfrontalcortex ist der Ort der Entwicklung gegen Funktionen der Reproduktion und der reinen Anpassung, die nicht so sehr einem gesunden Gehirn entspricht, wie wir das heute allgemein im Darwinschen Sinne propagieren. Wir halten diese Anpassung für Gesundheit. Aber meines Erachtens will sich das Gehirn lebenslang entwickeln, womit Veränderung zum Daseinsprinzip wird. Psychoneuroimmunologisch gesehen sind Selbsterkenntnis und Bewusstsein der beste Schutz gegen Angriffe von außen.

Eine Gesellschaft wie die deutsche ist alles andere als gesund, was auch die Gründung einer neuen Partei, die sich „Gesundheitsforschung“ nennt, bezeugt. Wir sind dabei, unsere Standards anderen Ländern wie Griechenland aufzudrücken, ohne uns zu fragen, was dieser hohe Krankenstand bedeutet. Sicher kommt hier ein Leiden am Leben zum Ausdruck. Die Repressionspolitik, die sich auf menschenfeindliche Paradigmen stützt, hat heute viele Gesichter. Es wird nicht mehr gefördert und unterstützt im Sinne einer Stabilisierung intrinsischer Motivationen, sondern es wird ausgesondert und ausgeschlossen. Alles, was sich nicht einordnet, wird sabotiert. Und wieder besonders primitiv und atavistisch: Männer schädigen Frauen. Es läuft so vieles schief und viele sehen, dass dem so ist. Menschen wollen sich auch in ihren Berufen entwickeln können, damit sie lange gesund bleiben. Wenn wir begriffen haben, dass unser bewusstes Gehirn den Ton angibt, müssen wir Existenzialien anders deuten. Ein unpassendes In-der-Welt-Sein kann zu Störungen vielerlei Art führen. Es sind nicht die Gene, die zu mentalen Krankheiten führen, sondern die falschen ontischen Bedingungen und ontologischen Zuschreibungen und natürlich die Verletzungen durch andere. Wir leben nicht in einem offenen Entwicklungssystem in Anerkennung unseres Gehirns, sondern in einer Zeit der Vernachlässigung desselben. Menschen haben enorme Selbstheilungskräfte durch dieses so konzipierte Gehirn. Wir müssen aber auch die Voraussetzungen schaffen, sie auch nutzen zu können. Und der Mensch als einzelner kann sich entscheiden, ob er lieber dem Präfrontalcortex folgt oder eben seinen Trieben. Beides zugleich ist wohl nicht gut vereinbar. Wir bleiben seltsam stecken und hier bleibt dann auch nur die Anpassung. Und Entwicklungsstau führt dann wieder zu Trieben – ein archaischer Kreislauf. Wo das Leben im Gegenteil im Fluss ist, gibt es keinen Trieb. Die Möglichkeiten der Evolution im Denken und der Selbstheilung existieren aber bereits in uns, wir haben es nur nicht gelernt, sie zu aktivieren.

Mit dem Präfrontalcortex verbunden ist auch die Individualisierung, die weder Egoismus noch Vereinzelung bedeutet, sondern Entfaltung der Genexpression und damit der Einzigartigkeit von Menschen, die mit ihren besonderen Fähigkeiten eine Gesellschaft befördern. Unser gesamtes Ausbildungssystem benotet und bewertet nur die Anpassung an die Verhältnisse. Kreativität und Produktivität werden oft sogar unterbunden. Wer schon in der Schulzeit andere Bücher liest als die vorgeschriebenen, beweist Eigenwilligkeit und sollte deswegen auch seine intrinsische Begabung erhalten können, denn er hat nicht die Absicht, Sachbearbeiter zu werden. Eigeninitiative wird zu oft sanktioniert und damit unterminiert. Wir sind kein Land der Kreativen und auch kein Land des guten Lebens. Wir sollten uns Gedanken machen, warum wir gerade hier in Deutschland unsere Seelen immer wieder schinden und uns zum Maßstab der Dinge machen. Eine Rentner- und Konzernpartei ist hier sicher nicht die Rettung.

Husserls phänomenologische Methode, die zu den Sachen selbst führt und diese beschreibt, muss auf den Menschen angewendet werden vor allem in Bezug auf Therapien, wenn man nicht in der Lage ist, die Bewusstseinsarbeit in die eigenen Hände zu nehmen. Im individuellen Leiden wurde man ein Opfer des Lebens, das andere uns vorschreiben, die sich wiederum keine Gedanken gemacht haben, was wirklich zählt. Innehalten sollte man nicht nur im Kloster. Jeder kann sich die Frage stellen, was für ihn in diesem Leben Bedeutung hat und was nicht. Er hat aber nicht das Recht, seine Einschränkungen anderen aufzubürden. Gesellschaft ist Vielfalt und nicht Einfalt. Und uns fällt auch nur viel Gutes ein, wenn wir den Raum dafür schaffen und zu Entdeckern werden anstatt zu Konsumenten, die zu viel essen und sich manipulieren lassen. Leider lebt davon unsere Wirtschaft, die das Korrektiv der Spiritualität  ersetzt.

Ludwig Binswanger: Grundformen und Erkenntnis menschlichen Daseins. Zürich 1942

Michel Onfray: Anti Freud. Die Psychoanalyse wird entzaubert. München 2011

Ökofeminismus

Die Kritik an der Institutionalisierung von Männlichkeit hat noch keine Tradition, da das Bewusstsein für feministische Orientierungen besonders auch in den Wissenschaften noch nicht deutlich genug ist. Sandra Harding betont, man sei keine Männerhasserin, wenn man diese androzentischen Denkmuster kritisiert und entlarvt. Androzentrische Theorien wissenschaftlicher Erkenntnis müssen stärker bezüglich ihres Nutzens für die Gesellschaft und die Politik hinterfragt werden. Ein feministischer Blick auf die Dinge kann aus den Sackgassen herausführen, in die wir alle hineinmanövriert wurden. Es geht angesichts der Probleme nicht mehr in erster Linie um ein Mitmachen, sondern um ein Andersmachenkönnen. Diese Fähigkeit muss kultiviert und gefördert werden.

Im Fokus des Interesses sollte die Gesundheit stehen. Wie wir denken und handeln, hat einen großen Einfluss auf unser Wohlbefinden. Die hohen Erkrankungszahlen zeigen, dass Verhältnisse etabliert wurden, die die Gesundheit angreifen. Unser jetziges System zwingt viele Menschen zu ungesunden Verhaltensweisen. Vorsorge und Fürsorge sind elementare Haltungen, die in allen Bereichen eine Rolle spielen sollten, denn sie führen zu Kooperation und mildern die männlichen Konkurrenzparadigmen, die vor allem der Hierarchisierung einer Gesellschaft dienen. Die aber macht keinen Sinn. Wir sehen zunehmend den Einfluss der Bürger auf Meinungsbildungs- und Wissensprozesse. Die Generierung von Wissen ist nicht länger allein die Aufgabe von Institutionen, deren Partikularinteressen oft die Bedürfnisse von Menschen ignorieren. Was als wissenschaftlich, objektiv und rational angesehen wird, bestimmen auch immer noch Männer. Ob diese oft männlichen Definitionen auch zielführend sind im Sinne einer gelingenden Verständigung über die Verbesserungen unserer sozialen, gesundheitlichen und ökologischen Lagen, muss hier dringend in Frage gestellt werden. Unsere Gesundheit hängt von einer gesunden Umwelt ab und auch das gesunde Alter ist eine Frage der Prävention.

Kann ein feministischer Blick diese Perspektive eröffnen, diese Welt wieder humaner und gesünder zu machen? Überall setzen sich gewalttätig männliche Prinzipien und Paradigmen durch, infiltriert von männlichen Ideologien und Theorien, die ganz offensichtlich keine Heilung ermöglichen und einen Rationalitätsstandard vertreten, den man eigentlich nur als einseitig, simplifizierend und damit als unzutreffend bezeichnen kann.  Der Verabsolutierung eines männlichen Leistungsstrebens, das ja vielfältige Konsequenzen hat, sind selbst Frauen auf den Leim gegangen. Die Mechanisierung des eigenen Lebens ist ein Verrat an den tieferen Reflexionen, für die Frauen einen wichtigen Beitrag leisten können. Einem gesunden Gedeihen in der Natur entspricht die volle Entfaltung, die zu einem verantwortlicheren Menschsein befähigt. Wir wissen, dass unsere Art zu leben, in die wir alle hineinzwängen, nicht globalisierbar ist. Hier spätestens sollten wir hellhörig werden und nach neuen Konzepten suchen für ein qualitatives Wachstum, von dem alle profitieren könnten, wenn wir auch die Vielfalt der Lebenswege anerkennen. Der individuelle und verantwortungsvolle Beitrag ist höher zu bewerten als die Anpassung an ein System zunehmender Unterdrückung, Ausbeutung und Schädigung der Gesundheit sowie der Umwelt.

Der heutige Feminismus muss sensibilisieren für die vielen Absurditäten heutigen Daseins. Man kann erst sagen, dass es den Menschen gut geht, wenn sie ein Leben führen können, das nicht unweigerlich in die Krankheit führt, weil vermeintliche Zwänge dies so mitsichbringen. Es ist klar, dass sich der Mensch gegen dieses Bombardement von Giftstoffen materialer und ideeller Art auf Dauer nicht immunisieren kann. Irgendwie sind wir dabei, uns selbst abzuschaffen und begreifen die Anzeichen verschiedenster Fehlentwicklungen nicht.  Krankheit im Alter ist  kein Schicksal. Wer die Aufmerksamkeit hat, auf die Signale seines Körpers zu achten, der kann schwere Erkrankungen verhindern. Eine Politik, die individuelle Vorsorge sanktioniert, orientiert sich eindeutig an falschen Maßstäben. Der Verlust der Gesundheit ist eine persönliche Katastrophe und ein volkswirtschaftlicher Schaden. Es ist offensichtlich, dass die feministische Perspektive die ganzheitlichere ist und deswegen den (Selbst-) Heilungsprozess befördern kann.

Auch der Rentendruck hat zu einer falsch verstandenen Emanzipation geführt. Frauen sollten in all ihren Entscheidungen ernst genommen und nicht in ein männliches Korsett gezwängt werden. Dies muss auch auf jeden Fall sozial abgesichert sein. Und hier wären wir wieder bei einem bedingungslosen Grundeinkommen, das jeden individuellen Lebensentwurf der bewussten Teilhabe und vor allem die  intrinsischen Motivationen ermöglicht, die nicht alle zertifiziert und benotet werden müssen. Die Digitalisierung kann auch einen Freiraum schaffen für mehr Kreativität und Produktivität. Hier sind Frauen besonders gefragt, herauszustellen, wie ein menschlicheres Miteinander aussehen könnte jenseits enger Grenzen von Angestelltendasein und Familie. Veränderungen sollten auch nicht weh tun oder Menschen schädigen. Das Wohl aller im Auge zu behalten bedeutet eben auch, keine Opfer zu generieren. Auch das ist ein verachtenswertes männliches Paradigma, dem wir als Frauen entschieden widersprechen müssen. Frauen sollten sich für die Möglichkeit lebenslanger Entwicklung bei Achtung individueller Fähigkeiten einsetzen. Gesundheit bedeutet auch, den eigenen produktiven Weg zu finden, um gesellschaftlich wirksam zu werden. Dies kann nur in einem  ökologischen Wirtschaften geschehen. Und: „Männer verkörpern nicht das ideale Menschenbild“ stellt nicht nur Maria Mies fest.

Frauen müssen sich 23 Jahre nach dem Erscheinen von Hardings Buch fragen, was sie für die Transformation der Inhalte von Wissenschaften beigetragen haben. Zu vielen Frauen ging es darum, in einer Männerwelt und in einem Männerdenken zu bestehen. In den Wissenschaften bedeutet diese Haltung eine Blockade des Erkenntnisfortschritts. Dass Männer vor allem immer wieder Männer zitieren und die soziale Definition damit extrem prägen, darf nicht länger hingenommen werden. Der wissenschaftliche Diskurs ist immer noch ein eindeutig patriarchaler. Dies hat Auswirkungen auf eine Politik, die über Etablierung von Konkurrenzsystemen an Ungleichheit interessiert ist. Wenn ich als Frau den Wissenschaftsbetrieb nicht verändern kann und nicht die gesellschaftlichen und politischen Zusammenhänge begreife, ist das auch immer als Verrat an der Sache zu bewerten. Es geht nicht darum, dieselben wissenschaftlichen Karrieren wie Männer zu machen mit denselben Inhalten. Wir sehen, dass solches Denken nicht zu mehr Gesundheit, Wohlergehen  und Glück geführt hat. Wer sich ausruhen will auf denkerischer Tradition, hat den feministischen Auftrag nicht verstanden. Dass Männer in Frauen aus eher narzisstischen Gründen ein Pendant suchen, sollten Frauen durchschauen. Das ist nicht die Basis für Fortschritt und Entwicklung.

Westliche wissenschaftliche Rationalität ist in erster Linie männlich, orientiert auch am Positivismus. Wissenschaft lässt sich aber keinesfalls auf formale oder naturwissenschaftliche Aussagen beschränken. Feministische Kritik am Ethnozentrismus des Westens ist eine Kritik an einem in vielerlei Hinsichten beschränkten Denken. Konventionalistisch zu denken ist aber immer noch die Eintrittskarte in die wissenschaftliche Welt. Diese Selbstgefälligkeit hat soziale Folgen, denen sich auch die Wissenschaft heute stellen muss. Es muss für Soziologen und Philosophen immer darum gehen, vermeintliches Wissen kritisch zu hinterfragen. Skeptizismus ist auch in Bezug auf die Medien angesagt. Und es gibt keinen Grund, einem Mann zu vertrauen, der den gesunden Menschenverstand für sich gepachtet haben will. Frauen sind definitiv in einer anderen Lage als Männer und wir haben es nicht geschafft, sie auch entsprechend zu würdigen, für welche Lebensform sie sich auch entscheiden. Die Entwertung der Frau ist nicht beendet und sie wird von Männern betrieben, die nicht in der Lage sind, ihre eigenen Paradigmen zu hinterfragen. Deshalb werden wir auch noch lange statussymbolträchtige und umweltvernichtende Autos auf den Straßen sehen. Potenzial- und Regenerationsvernichtung auf vielen Ebenen statt Offenheit für neues Denken. Und: Wer potenziell Leben gibt, der hat auch einen besseren Bezug zu lebendiger und gesunder Vielfalt. Wie alle unsere Fähigkeiten muss auch diese kultiviert werden, damit diese Welt besser beleuchtet wird.

Sandra Harding: Das Geschlecht des Wissens. Frauen denken die Wissenschaft neu. New York 1994

Maria Mies/Vandana Shiva: Ökofeminismus. Neu Ulm 2016