Rechtskonservativismus

Konservative haben oft ein negatives Menschenbild und sehen die menschliche Freiheit und den freien Willen als etwas zutiefst Suspektes – zumindest hinsichtlich der Allgemeinheit. Deshalb misstrauen sie auch der Demokratie. Überall, wo repressive Gesetze erlassen werden, ist ihre Handschrift erkennbar. Sie halten den Menschen für faul, schlecht und dumm, nehmen sich aber als selbsternannte Elite davon aus. Eigentlich enthält ihr Verhalten diktatorische Neigungen, denn sie betrachten primitiverweise Zwang, Gewalt und Sanktionen als Mittel der Lösung von Problemen, anstatt zu fördern, zu motivieren, zu unterstützen und zu überzeugen und vor allem die Gesundheit nicht zu beschädigen. Zu allem fehlen ihnen offenbar die intellektuellen Voraussetzungen.

Wir wissen alle, dass diese Welt kein Paradies ist, aber man darf sich nicht hinreißen lassen, Menschen zu schädigen, solange sie nicht kriminell geworden sind. Es ist deutlich, dass gerade die Rechten das Land spalten durch eine miese Propaganda in Menschen, die „das Ding am Laufen halten“ – so Frau Karrenbauer – und Menschen, die vermeintlich nichts leisten. Die vollständig fehlende Differenzierung ist den Rechtskonsverativen und den religiösen Fundamentalisten bzw. Dogmatikern gemeinsam. Beide stellen oft falsche Zusammenhänge her und falsche Ursache-Wirkungsverhältnisse selbst gegen den Papst (!), um Menschen hinsichtlich der Notwendigkeit von Repressivität und Gewalt gegen Menschen zu manipulieren. Sie geben simple (populistische) und dumme Antworten auf komplexe Sachverhalte. Das schadet Menschen sehr. Man will auch nicht einsehen, dass dieses Verhalten so schädigt, dass Menschen ihre Gesundheit verlieren und damit oft ihre Arbeitsfähigkeit. Dass sich die nun auch noch einen christlichen Anstrich geben, verwundert doch sehr. Eigentlich kann man sagen, dass der Rechtspopulismus in Deutschland den Konservativen zu verdanken ist, denn man will andauernd verächtlich Schuldige produzieren.

Tatsache ist, dass Deutschland kein gesundes Land ist und keine wirkliche Toleranz für Vielfalt (auch der Arbeit) vorhanden ist. Es ist nicht nur der nine to five-job, sondern auch die vielen anderen Anstrengungen, die gesunden Fortschritt bewirken und erwirken wollen. Aber man polarisiert lieber und diskreditiert die meist gesundheitlich schwer angeschlagenen 2,5 Millionen Menschen ohne Anstellung  (wohlgemerkt von ca. 83 Millionen Menschen insgesamt!). Was stimmt also mit diesen „Konservativen“  nicht? Keine konkrete Anstellung zu haben ist nicht gleichbedeutend damit, keine Arbeit zu haben. Arbeit generiert Sinn und Bedeutung. Jeder Mensch braucht diese Identifikation. Und dass nicht jedes Ding am Laufen gehalten werden sollte, zeigt ja die Resistenz in der Einsicht gegenüber eines extrem zerstörerischen Verhaltens in Bezug auf diese Erde und ihre endlichen Ressourcen. Diese Rücksichtslosigkeit setzt sich dann fort in schlimmen Ressentiments denjenigen gegenüber, die solche Haltungen in Frage stellen und zu einem bewussteren, gesünderen und nachhaltigerem Leben mahnen. Die Ignoranz der Probleme, die gerade das laufende Ding erzeugt, ist symptomatisch für eine konservative Politik, die sich nicht ändern will und damit kriminelle Unternehmen auch noch hofiert.

Es sind in diesem Milieu die oft brutalen Außenansichten von Situationen und Menschen, die noch an den Nationalsozialismus erinnern. Dieses Gedankengut lebt hier manchmal doch recht lauthals weiter. Diejenigen, die gerechtere Modelle andenken, werden hier verlacht und verleumdet. Politik muss nicht primitiv sein, ist es aber, wenn das Menschenbild nicht korrigiert und viel zu wenig integriert wird aufgrund von massiven Vorurteilen. Und ohne Gesundheit ist schwer etwas zu erreichen. Fragen wir uns also, wie wir ein gesünderes und verständnisvolleres Klima schaffen können. Mit den Rechtskonsverativen wird dies nicht gelingen, denn die haben ein großes Interesse entgegen ihrer Behauptungen an Spaltungen, Desintegration und Hierarchisierungen. Sie bezeichnen selbst kranke Menschen als arbeitsscheu. Hitler lässt grüßen! Und warum zahlen nicht die vielen Milliardäre in Deutschland den Sozialstaat, denn ihr Reichtum beruht auf der Ausbeutung von Menschen – das wäre hier nur ein Griff in die Portokasse. Der Nationalsozialismus lebt dort weiter, wo Zwang, Gewalt, Ausgrenzung und Abschottung, Schädigung von Menschen und Diffamierung als die Mittel der Lösung betrachtet werden.

Tatsachen, Wahrscheinlichkeiten versus Meinungen und Vorurteile

Immer wieder muss darauf hingewiesen werden, dass Meinungen und Vorurteile keine Tatsachen sind und sogenannte Wahrscheinlichkeiten oft nur auf heillosen Unwahrscheinlichkeiten beruhen. Selbst in gebildeten Kreisen bedenkt man nicht diese wichtigen Unterschiede, die zu diversen Populismen führen gegen die klärende Intention des Differenzierens, das uns im Alltag offenbar eher schwer fällt. Wir begnügen uns schnell mit Vorurteilen, Unterstellungen und fragwürdigen Ideologien, anstatt nachzudenken, ob das alles so in Ordnung ist, also überhaupt stimmen kann. Sicher, wir haben das Bedürfnis, uns zu äußern, aber wir sollten das möglichst direkt tun, denn wir erhalten so eine Richtigstellung der vielen falschen Annahmen. Es ist die Korrektur, die der Diskurs ermöglicht und damit lösungsorientiert ist.

Alles Indirekte ist lösungsvermeidend. Hier wird deutlich, der Sender möchte auf seinen Vorurteilen und Unterstellungen bestehen und sie zu Wahrheiten stilisieren, die sie nicht sind. Ein Mangel an Reflektionsvermögen verbirgt sich auch dahinter, denn die Aussagen könnten ja durch andere revidiert werden und man müsste neu denken. Aber das passt dem Ideologen nicht und so versteckt er sich hinter indirekten Mitteilungen, die viel über seine eigene Verfassung verraten, aber nichts über den Gemeinten aussagen. Die Vermeidung des Direkten ist ein Ausdruck von Hinterhältigkeit, die solche Menschen dann auch in anderen Zusammenhängen gerne an den Tag legen und somit Menschen vorsätzlich schaden. Das Indirekte ist also kein Weg zur Wahrheit, sondern die Haltung, die zu unlösbaren Konflikten und Streitereien führt und damit den Unfrieden etabliert. Alles Indirekte, weil es nur den Sender überhöht, der sich hier hoffnungslos selbst überschätzt, kann also nicht als Philosophie gelten, denn es führt die vorsätzliche Verdunkelung (maya) und nicht zum vollkommenen Wissen des brahma zumindest als Intention. Daran müssen wir uns messen lassen, was wir als Denkende dazu beitragen. Verfehlen wir diesen Anspruch, diskreditieren wir auch diese Berufung, Wir gelangen zum höchste Wissen über die Einsicht, über das denkende Wissen, das sich aber immer dann in Bewegung setzen muss, wenn gegen den höchsten Auftrag verstoßen wird. Hier müssen wir in den Dialog gehen, mag er auch noch so unangenehm sein. Dieser Dialog will nicht Beziehung schaffen, wo sie nicht gewollt ist, sondern möchte die Verzerrungen auflösen, die entstehen, wenn Tatsachen nicht von Meinungen und Vorurteilen geschieden werden.

Sicher, es ist unangenehm, wenn man Vermutungen direkt ausspricht, aber eine Situation wird dadurch immer auch geklärt. Man vermutet einiges und schließt vieles zurück, aber Wissen ist das nicht. Wir müssen also offen bleiben für jede Form der Korrektur, auch der Selbstkorrektur, wenn Vermutungen zu scheinbaren Wahrheiten mutieren. Bei sehr guter Introspektion und Selbstkritik offenbart sich der eigene Schatten. Den sollte man kennen und sich fragen, ob man aufgrund von Vermutungen verurteilt oder eben offen bleibt für Richtigstellungen. Alles Indirekte verzögert die Wahrheitsfindung erheblich und behindert auch Heilungsprozesse vehement. Aber auch daran hat nicht jeder ein Interesse. Soll der andere doch leiden und krank bleiben, ich stehe auf jeden Fall so besser da und dokumentiere durch die Verweigerung direkter Rede:  „Ich habe doch gar nichts damit zu tun…“

Das Unwahrscheinliche wird nicht wahrscheinlicher, wenn ich die Gegenrede eigentlich nicht hören will. Man steckt den Kopf in den Sand und meint, nun hätte man gesprochen und Widerrede sei nicht erlaubt. Der Hintergrund solchen Verhaltens ist wenig sympathisch und eigentlich menschenfeindlich. Es wundert hier nicht, wenn diese Misanthropie sich auch im restlichen Denken zeigt und seine seltsamen Blüten treibt. Der Wille zur Verletzung ist stärker als der Wille zur Versöhnung. Und damit wird es für so Geschädigte  auch nicht möglich, solchen Menschen zu vergeben, da sie keine Einsicht zeigen. Hier bleibt nur das Bedauern auch darüber, dass tiefes Denken nicht das Ziel solcher Menschen ist, denn dafür müssen wir Gesicht zeigen und nicht in die falsch verstandene spirituelle Haltung abgleiten, die vermeintlich vor allem schützt. Sie vermag aber nur denjenigen zu schützen, der das höchste Wissen anstrebt und die Wahrheitsfindung nicht blockiert – gerade dann nicht, wenn für andere viel davon abhängt oder -hing. Die Zeit, die das kostet, kann man sinnvoller verbringen.

Völlig Einsichtslose sollte man schlichtweg vergessen und sie Ihres Berufes nicht für würdig erachten, der offenbar keine Berufung ist, denn der zur Wahrheit Berufene ist ihr inniglichts verpflichtet in allen seinen Handlungen. Wer sich nur detailverliebt dem akademischen Betrieb verschrieben hat, der hat keinen Zugang zum Ganzen des göttlichen Wissens, das den tiefen Wandel bewirkt zum bedingungslosen Selbstsein in Verbindung mit höchster Weisheit. Somit wäre alles Indirekte Ausdruck der fehlenden Erleuchtung, eines Mangels an Licht. Und wer befürchtet, er würde “ das Auge des Adlers“ (Thomas von Aquin) verlieren, dem sei versichert, dass Beobachtung eine Haltung ist, die man nicht einbüßt, wenn man in den Dialog tritt. Und der verhindert die Sabotage.

Antisemitismus

Anlässlich der Wiederausstrahlung des Films Holocaust nach 40 Jahren sollte man den Hintergrund des Antisemitismus beleuchten, denn das Prinzip der Fremden- und Andersfeindlichkeit ist absolut nicht überwunden. Menschen ziehen es vor, aus narzisstischen, bequemlichen und hedonistischen Gründen in ihren Blasen zu leben, anstatt sich geistig (und körperlich) zu bewegen. Sicher, man sucht seinesgleichen, aber man muss offen bleiben für den Diskurs, um eine Dialektik der Aufklärung zu ermöglichen. Letzte Wahrheiten wissen nur ganz wenige, die Meisten müssen sich über das, was ist und was werden soll, verständigen. Das Leben in Blasen ist nichts anderes als die Glorifizierung der Nationalstaatlichkeit, die ausgrenzen will und wegen eigener Nichtauthentizität und Defizienz andere zu hassen beginnt. Dieser Hass vergiftet die Sphäre derer, die immer die Verständigung suchen – nicht aus einem Beziehungswunsch heraus, sondern um des Fortschritts willen, wie man miteinander umgehen sollte, damit Menschen sich entwickeln können, nicht erkranken, sich nicht oder anderen das Leben nehmen. Bewusst Spannung zu erzeugen durch Ignoranz schafft ein Klima des großen Unbehagens, das die Resilienz schwächt. Menschen hegen auch gegen andere Hass, weil sie die Wahrheit sagen, weil sie eventuell authentischer und klüger sind. Auch Neid auf eine sehr erfolgreiche und offene Kultur, die eine beeindruckende charismatische Wirkung hat wie die des Judentums, spielt eine große Rolle.  Und bedeutsamer  als jeder materielle Erfolg ist eben das Charisma, das wir auch von Jesus Christus kennen. Gegenüber diesen Menschen ist der Neid sicher und das gilt für die gesamte geistig nicht gut entwickelte  Menschheit.

Das Charisma einer selbstbewussten Religion wie das des Judentums ist heute gerade wegen des Holocausts ein ganz besonderes und zur Demut zwingendes, was archaische Regression bedeutet. Jeder Rückzug in die eigene Enklave birgt ein hohes Risiko zum Feindbilddenken und zur Projektion des eigenen Hasses auf andere. Hier liegt die Entstehung von Vorurteilen und Unterstellungen. Man glaubt, genug über den anderen zu wissen, ohne ihn zu kennen. Unterstellungen indirekt zu veröffentlichen ist nicht nur extreme Feigheit, sondern auch der Wille zur Nichtverständigung und damit Bezeugung der Interesselosigkeit an Lösungen. Menschen, die solches Verhalten zur Tugend machen wollen, kann man ruhig als Kriegstreiber bezeichnen, die vordergründig von Frieden reden, aber sich hintergründig in Kriegsstimmung befinden gegen einen diffusen Feind, der das eigene Selbstverständnis und die Selbstzufriedenheit  in Frage stellt. Es ist nur ein kleiner Schritt zur hoffnungslosen Selbstverherrlichung des Herrenmenschen, der sich über andere erhebt und sich gegen den Einfluss kultureller Vielfalt sträubt. Diese Haltung durchzieht alle Schichten der Gesellschaft bis heute.

Juden, Roma, Oppositionelle, Behinderte und mental Kranke, sogenannte „Arbeitsscheue“ (meistens Kunst- und Kulturschaffende) wurden im Dritten Reich Opfer der vernichtenden Endlösung. Ein zutiefst heidnischer (Nichtanerkennung göttlicher Wahrheit) und atavistischer Rückfall in vorzivilisatorische Zeiten. Auch das Christentum hat das nicht verhindern können, weil auch hier Machtstrukturen über Menschlichkeit gestellt wurden. Die Nichtbearbeitung des Schattens, also fehlende Introspektion führt zur negativen Projektion auf das Unbekannte, das nicht neugierig macht und als Bereicherung erlebt wird , sondern als Bedrohung empfunden wird. Letztlich verbirgt sich dahinter ein Leben, das nicht zur vollen Entfaltung fähig ist in seinem jeweiligen Sosein. In vielen Fällen wird es abgelehnt oder überhöht in seiner defizitären oder auch ungewollten Struktur. Normenunterwerfung und totale Normenablehnung haben dieselbe Wurzel, nämlich die Unfähigkeit, sich in einem heterogenen Umfeld zu bewähren und Konflikte durch Annäherung an die Wahrheit zu entschärfen. Es ist Aufgabe, ganz bei sich anzukommen, denn hier liegt die Voraussetzung für Toleranz und zumindest marginaler Verständigung für Wachstum und Entwicklung. Diese Phänomene werden besonders dort behindert, wo das eigene Selbst nicht voll entfaltet ist, d.h. nicht in die eigene Wahrheit gekommen ist.  Wir leben in Zeiten, in denen das im Rahmen von Gesetzlichkeit möglich ist.  Das hält eine Gesellschaft in Bewegung und in Resonanz. Können wir nicht in diese Schwingung geraten, die alles belebt und regeneriert, kommt es zur Verhärtung und zur Ausgrenzung. Wer Kritik nicht erträgt und zulässt, wird hinterhältig und bösartig. Und wer meint, es lohne sich nicht, sich mit Andersdenkenden auseinanderzusetzen, der muss sich auch als zutiefst undemokratischen Menschen kritisieren lassen, denn Demokratie lebt vom Diskurs, vom Ringen um die besten Lösungen für alle Menschen.

 

 

Die Synthese des Yoga

Sri Aurobindo thematisiert in seinem genialen, hoch spirituellen und tiefen Werk den Heilungsweg zur göttlichen Vollkommenheit in einer monotheistischen Verbindung von Christentum, Hinduismus und Buddhismus. Sein Denken ist auch gleichzeitig eine Überwindung jedes kleinlich fundamentalistischen Glaubens hin zu einer Öffnung zum universalen Wissen, das nichts relativiert, sondern eben hoch differenziert um der Wahrheit willen. Dieser Weg ist nur möglich, wenn der Mensch sich von seinen ichzentrierten Begierden befreit, d.h. in der Askese lebt für die Überwindung seines Egos und einer damit verbundenen Selbstsucht. Die Unterscheidung von Ich und Selbst ist dabei von höchster Bedeutung, denn die Entfaltung des Selbsts ist aus gesundheitlichen und aus Wissensgründen notwendig und steht im Gegensatz zur reinen Ichdurchsetzung, die dominieren will und sich nicht von einer universalen und göttlichen Macht führen lässt. Individualisierung hat also eine negative und eine äußerst positive Konnotation und kann nicht prinzipiell abgelehnt werden, wie dies im Christentum der Fall ist. Aurobindo schreibt: „Die supramentale Macht…  ersetzt das in sich gespaltene Ringen der individuellen Natur sowie die Leidenschaft und das Kämpfen des abgesonderten Ego durch das stille, tiefe, harmonische und frohe Gesetz der universalisierten Person in unserem Inneren durch die Normen unseres zentralen Wesens und Geistes, der ein Teil des höchsten Geistes ist.“ (S. 219)

Für diese Universalisierung ist aber eine Entfaltung des Selbsts notwendig, die aber keine isolierte Form der Entwicklung ist, weil im Austausch mit göttlicher Macht und Wissen stehend.  Aurobindo macht auch immer wieder aufmerksam auf die Überwindung beschränkten Denkens und Handelns, das sich aus Begehren und Bedürfnissen speist und nicht zur vollen Wahrheit gelangt, die auch immer entgrenzend und damit heilend ist, d.h. aus jeder Isolation herausführt. Leiden verursacht Verwirrungen und  Verdunkelungen aus Unwissenheit oder aus Vergessen um die göttliche Macht der Befreiung. Und die tiefe Verletzung des höchsten Wissens durch menschliche Beschränktheit ist eine Gefahr, der man nur entkommen kann, wenn man Menschen nicht zu stark idealisiert oder Erwartungen an Menschen knüpft im Hinblick auf ihre Befähigung zum Dialog, die spirituell nicht entwickelt sind. Die feste Verankerung im supramentalen Bewusstsein  ist ein lebenslanger Prozess, der immer wieder erneuert werden muss, eigentlich tägliche Aufgabe ist. Und hier geht es nicht um vordergründige Frömmigkeit oder eine erstarrte Ethik, sondern um die Einsicht in das von Gott ermöglichte Wissen auch über die Welt. Das höchste Bewusstsein ist deswegen auch fähig, Einsichten zu gewinnen durch aufmerksame Wahrnehmung und durch Intuition unter Absehung egoistischer Interessen. „Das supramentale Wirken …wird gewiss weder die Normen des individualisierten Egoisten noch die irgendeines organisierten Gruppen-Mentals befriedigen.“ (S. 220)

Es ist schwierig, als junger Mensch auf der Höhe dieses höchsten Bewusstseins zu bleiben, wenn andere in Begegnungen eingeschränkten Theorien anhängen und Vorschriften nicht hinterfragen.  Dazu sind wir immer aufgefordert gegen jeden Versuch zu generalisieren, was nicht identisch mit  universellem Wissen ist. Bedürfnisse und Begehrungen sind nur dann die Motive, wenn göttliche Erleuchtung nicht erfolgt ist. Die Höhe spirituellen Wissens schon früh zu erreichen kann zu Problemen führen, da Menschen in jungen Jahren selten befähigt sind, sich auf dieser Höhe des Wissens mit anderen auseinanderzusetzen und aus selbstsüchtigen Gründen auch diese Auseinandersetzung verweigern. Sie verletzen, beschränken und blockieren die spirituelle Entwicklung so schwer, dass der junge Spirituelle schweren Schaden nehmen kann.  Aurobindo geht auf dieses Problem nicht näher ein, weil er die göttliche Macht für unantastbar hält. Da aber auch das höchste Wissen sich noch festigen muss, ist der spirituell Suchende auch immer gefährdet, den Gewalten der Welt ausgesetzt zu sein, wozu auch das Nichthandeln gehört, d.h. die Unterlassung von Verständigung über den Weg zum höchsten Bewusstsein. Die Enttäuschung über ein begrenztes und beschränktes Bewusstsein in anderen kann schwere Schäden verursachen. Sich der Welt auszusetzen ist lebensgefährlich für einen anfänglichen Weg ins supramentale Wissen.

Aurobindo sagt auch deutlich, dass der Mensch nicht passiv erleuchtet wird, sondern dass dieser Weg Arbeit ist, aber auch spontan eintreten kann durch erworbene Erkenntnisse und dann seinesgleichen sucht. Findet er sie nicht, kann sein Weg zerbrechen. Der Weg zum höchsten Bewusstsein ist aber dennoch ein individueller, auch wenn er initiiert wird. Wir blicken im universalen Wissen hinter die Fassaden und sind hier auch der Wahrheit verpflichtet, d.h. wir müssen die Dinge benennen und uns darüber verständigen vor allem auf dem Weg in die Vollkommenheit des Daseins, das sich dadurch auszeichnet, dass es von allem Leiden befreit und zu einem freien Fluss der Energien fähig ist, was ein Teil des Effektes aus der Yogapraxis ist – des Hatha- wie des Rajayogas. Das supramentale Wissen bleibt skeptisch gegenüber speziellem Wissen und überschreitet die Grenze der Selbstdarstellung von Menschen hin zur Seelenschau, ist hier also nicht verfehlend und verkennend (meistens durch Begierden aller Art). Es geht also nicht um Selbstüberwindung, sondern um die Erhöhung des Selbsts zur vollen Entfaltung für die Öffnung zum supramentalen Wissen gegen allzu menschliche Unwissenheit und damit verbundener Missverständnisse.

Das rechte Verständnis ist ein Zuhören und Antworten; nur dann kann die ursprüngliche Wahrheit wieder ins Licht rücken und der Mensch erscheint als das, was er ist und was er war und ist von allem Leid befreit. Schuld ist dann ein Hindernis, wenn sie nicht eingesehen und korrigiert wird. Das Leiden durch schwere Verletzung des spirituellen Weges durch Unerleuchtete hört mit dem Wissen auf, dass nichtspirituelle Menschen nicht hinter ihre eigene Fassade schauen wollen. Die Wahrheit hat hier selten eine Chance und das Blendwerk der Eitelkeiten verstellt das tiefste Verstehen, das Begehrungen und Bedürfnisse längst als nicht tragende Phänomene begriffen hat., denn sie berauben das Dasein hinsichtlich seiner Fülle bis zum Verlust des Sinns. Eine Transformation des Inneren unter göttlicher Führung ist ein Heilungsweg, den jeder gehen kann ohne fremde Hilfe. Alles Störende und Verstörende muss im Sinne des Karma-Yogas bewältigt werden für den freien Fluss der Energien. Verletzungen somatisieren sich und können über eine konzentrierte Hatha-Yopapraxis aufgelöst werden. Die erworbene Macht über den Körper führt zum höchsten Glück der Freiheit und Gesundheit. Das Jnana-Yoga des Wissens durch Askese ist die Hauptaussage der Gita. Hier wird alles Weltliche überwunden und alles Verletzenden losgelassen in der Einsicht über die Beschränktheit des gewöhnlichen Daseins.

„Wenn nun ein Kollektiv oder eine Gruppe aus solchen Menschen gebildet werden könnte, die die supramentale Vollkommenheit erlangt haben, würde gewiss eine göttliche Schöpfung Gestalt annehmen. Eine neue Erde käme hernieder, die ein neuer Himmel sein würde. Eine Welt supramentalen Lichts könnte hier mitten in der zurückweichenden Finsternis dieser irdischen Unwissenheit erschaffen werden. “ (S. 221)

Sri Aurobindo: Die Synthese des Yoga. Bellnhausen 1972

 

 

Lebenswandel gegen gesellschaftliche Spaltungen

 

Es dauert oft Jahre und Jahrzehnte, bis man unerlöste Menschen entlarvt und enttarnt hat. Das damit verbundene Unvermögen der Unerlösten müssen andere austragen und werden hier nicht selten krank. Manche halten die Klugheit für die höchste Tugend, sind aber selbst nicht in der Lage, wirklich klug zu handeln. Eines der dümmsten Verhaltensweisen ist es, Dinge nicht auszusprechen, den Dialog zu verweigern, denn der schafft Klarheit und gute Orientierung, vor allem aber nimmt er dem Anderen nicht die Würde. Hintergrund hier ist fehlende Einsicht, sind fehlende Erkenntnisse auch in Bezug auf das eigene Selbst. Wir Menschen brauchen die gute Verständigung, den offenen Dialog für bessere Orientierungen. Wer eine Dauerbruchstelle schafft, der macht sich schuldig und muss sich auch die entsprechenden Vorwürfe gefallen lassen. Wir haben es nicht nur mit Gleichgesinnten zu tun, die Welt ist divers, aber wir dürfen den Dialog nicht aufgeben. Dieses höchst defizitäre Verhalten ist Ursache für viele Missverständnisse und Zerwürfnisse, die Menschen dann unnötig belasten. Wer die Wahrheit liebt, der verständigt sich. Wer aber schon die eigene Wahrheit nicht erträgt, lässt andere für seinen Mangel büssen. Einbildung ist meistens das Gegenteil von Bildung. Die Dialogverweigerung ist eine sehr dunkle Schattenseite solcher Akteure und neigt zur Unterstellung des eigenen Abgrundes auf andere. Dahinter verbirgt sich ein aggressiver Vernichtungswille, eine Negation des Anderen, wodurch davon Betroffene zurecht in Panik geraten. Am Anfang war das Wort und das ist auch in schwierigen Lagen Gottes Wille. Wer den Dialog verweigert, ist kein Christ, sondern eine gestörte Seele, die negative Tatsachen schaffen will, auch wenn die unangemessen sind. Meistens betrachtet sich dieses rigide Mangelwesen selbst  als äußerst konsequent. Faktum hier ist, dass es in der Tat sehr verletzende Konsequenzen hat. Niemand möchte im kantischen Sinne so behandelt werden. So etwas tut man nicht einmal seinem ärgsten Feind an.

Die bigotte und spießige Biedermännerwelt (seltener ist es die Biederfrau!) lässt vermutlich keine Wahrheitssprache zu, denn man möchte etwas sein, was man eigentlich nicht ist und das Aufrechterhalten einer Fassade, ja einer Lebenslüge führt zu sehr störenden Verhaltensweisen der Ignoranz auch im Politischen. Menschen wird versichert, wenn sie nur fleißig arbeiteten und konsumieren, werden sich auch alle anderen Probleme von selbst lösen. Dass das gefährliche Demagogie ist, sollte uns angesichts der globalen und ökologischen Katastrophen endlich bewusst werden.  Das Ding am Laufen zu halten reicht heute für die Selbstvergewisserung nicht mehr aus. Und viele Berufe führen zu einem seltsamen Verderben des Charakters. Menschen bemerken den schleichenden Betrug, die Zerbrechlichkeit ihrer Gewissheit und projizieren ihre Ängste in andere hinein, die zu Feindbildern stilisiert werden. Diese enorme Schwäche führt zu massenhaften Spaltungen in der Gesellschaft, die die Politik oft noch unterstützt. Wozu sich also noch verständigen, wo doch für manchen klar zu sein scheint, wer es wert ist und wer eben nicht. Der Mensch geriert sich zum Richter über andere, anstatt sich auseinanderzusetzen über das, was ist und was wahrscheinlich kommen wird – persönlich, gesellschaftlich und politisch.  Die Sensibilität ist längst verloren gegangen und die Normopathie treibt längst ihre giftigen Blüten.

Jesus Christus hat uns gelehrt, den Balken im eigenen Auge zu sehen und nicht nur den Balken bei anderen. Wir sind beschränkte Menschen mit sehr beschränkten Einsichten, deshalb müssen wir uns verständigen und dürfen auch kritisieren, was uns negativ  erscheint und einfach nicht gewollt werden kann. Indem wir kritisieren, nehmen wir den Anderen noch ernst. Verweigern wir den Diskurs, verletzen wir elementar und halten den Unfrieden in Gang. Solche Menschen haben kein Interesse an Lösungen. Ihre sichtbare Unerlöstheit ist ihr Schicksal, das sie anderen aufbürden, ohne dass Reifung und Weisheit je an diese Stelle treten würden. Sie wissen vermeintlich, wo es sich lohnt und wo eher nicht. Eigentlich spielen sie keine besondere Rolle, aber sie wollen demütigen gegen jeden affirmativen Versuch. Sie wollen den Diskurs nicht, weil sie einsehen müssten, wo sie sich selbst andauernd täuschen. Wandel geschieht nur unter besonderen Bedingungen wie meistens in einer Offenbarung. Uns bleibt also nichts anderes übrig, als solche Menschen, die sich von einer völlig veralteten Politik beweihräuchern lassen, zu marginalisieren. Das widerstrebt zwar jedem gut entwickelten Menschen, aber das Unschädlichmachen solcher Zeitgenossen durch das Erkennen ihrer eigentlichen Bedeutungslosigkeit ist eine elementare Fähigkeit. Sie behindern Wachstum und Entwicklung, weil sie selbst keine Entwickelten sind, was sich immer auch deutlich zeigt. Wer glaubt, dass Gott die Selbstaufgabe will, der widerspricht der Liebe Gottes, die an keine Bedingung gebunden ist. Wer in Gott lebt und den heiligen Geist erfährt als das, was er ist nämlich als Freiheit. Liebe und Glück, der kann auch die horizontalen Verstörungen und Fehlinterpretationen auch der Bibel auflösen und sich vertikal sicher und gut verorten. Wir sind hier in der Lage, die Wahrheit zu äußern und die Illusionen und Lebenslügen aufzugeben.  Es ist das Ende der Instrumentalisierungen und Verfremdungen, sie haben keine Macht mehr über uns. Gottes Schutz ist unsere Sicherheit und die Diebe im Tempel gehen dann meistens von selbst.

Seltsame Übereinstimmungen

Bei längerem Nachdenken offenbart sich ein Zusammenhang, der vordergründig als paradox erscheint: Heidentum, also irrationaler Atheismus, hat viel gemeinsam mit religiösem Fundamentalismus, denn beide Ansichten weisen auf einen beschränkten und hoch determinierten Verstand hin. Ulrich Schnabel äußert das Problem in Bezug auf den religiösen Fundamentalismus, der die Bibel wortwörtlich nimmt, wie folgt: “ Doch wer solche Erzählungen wortwörtlich nimmt und sie nicht als metaphorische Berichte von schwer fassbaren Erscheinungen versteht, begeht denselben Fehler wie viele Fundamentalisten. Beide reduzieren Religion auf ein System von dogmatischen Lehrsätzen, an die man strikt zu glauben hat. Sie verkennen jedoch das eigentliche Wesen der Religion als einer Kraft, die den Menschen gerade über diesen Horizont der eigenen, beschränkten Erkenntnisfähigkeit hinauszuführen versucht“ (S. 23). Das ist eine elementare Erkenntnis bezüglich des Sinns von Religion als einer Möglichkeit, Differenzen zu erkennen, sie aber nicht dafür zu nutzen, Menschen zu verdammen oder auszugrenzen, sondern die Hoffnung auf Wandel und Veränderung wach zu halten. Nächstenliebe beispielsweise ist der Dialog, auch andere an eigenen Einsichten teilnehmen zu lassen. Dies gilt besonders für tiefe religiöse Erkenntnisse, die wir als Erleuchtung bezeichnen.

Das Unterscheidende zwischen Heidentum und Religion liegt darin, dass der Eine sich selbst verherrlicht und der Andere sich aus Ichschwäche vor „idealisierten Autoritäten der Eigengruppe“ (S. 138f) unterwirft. Die Gemeinsamkeit wiederum liegt im Misstrauen und in der Feindseligkeit gegenüber Andersdenkenden. Strenge Vertretung eines Glaubenssystems und dessen Ahndung bei Übertretung ist zutiefst unchristlich und trägt damit heidnische Züge. Es ist zu vermuten, dass beide Orientierungen eigentlich von spirituellen Einsichten keine Ahnung haben und deswegen dogmatisch und ausgrenzend reagieren. Ihr Urteil ist das letztgültige, Zweifel an der eigenen Wahrheit werden so eliminiert. Dieses Fehlen von spirituellen Erfahrungen der Emergenz und der Transzendenz wirkt sich dann entsprechend trennend und verfehlend aus. Man kann fast sagen, dass die Wahrheit nicht durchscheint, wenn ich nicht in der Lage bin, den höchsten Standpunkt einzunehmen. Das Leben bleibt seltsam flach und ideologisiert sich gegen andere Ideologien.

Es geht nicht um einen unbegründbaren Mystizismus, sondern um Erfahrungen von Einheit und Sinn. Von hier aus können ungute Verstrickungen und Ärgernisse aufgelöst werden. Auch der Nährboden für Traumata kann hier überwunden werden. Ich durchschaue die Defizite bei anderen wie die eigenen und bin in der Lage, mich der Wahrheit anzunähern, ohne dass mich das aus der Bahn wirft. Ich löse ungute Zusammenhänge auf durch ihre Erkenntnis, die den Wandel einleitet. Für diesen Wandel benötige ich diese spirituelle und religiöse Energie, die mich zu einem authentischen Menschen macht, der sich als wirksam erlebt. Man muss also ganz zu sich gekommen sein, um wieder Abstand von sich zu erlangen. Das Leugnen einer höheren Macht und Energie hat aber dieselben Konsequenzen wie das Erleben eines Gottes als Richtender und Strafender: Das geistig-seelische Wachstum ist eingeschränkt. Das eigene Denken wird absolut gesetzt und ist von nun an maßgeblich. Kein Dialog kann daran wirklich etwas ändern, wenn die Erfahrung höherer Zusammenhänge fehlt. Beide schätzen die Realität falsch ein und lassen andere unter dem Mangel an Einsichten leiden. Volle Entfaltung ist hier eben nicht möglich, die ja erst tiefere Erkenntnisse zulässt für Reifung und Wachstum. Dafür brauche ich die Transformation über die Emergenz. Ändern kann ich nur etwas, indem ich genau erkenne, was ist. Auch die Kraft für das Unveränderliche erhalte ich in erster Linie über die spirituelle Orientierung, die keine Dogmen kennt, aber dafür die unbegrenzte Weite der Vernunft erfahrbar macht gegen alle weltlichen Konditionierungen.  Wer diesen Raum der inneren Freiheit nicht erfährt, bleibt eben Heide und Fundamentalist. Beiden fehlt die Einsicht in das Wesen des Glaubens.

Ulrich Schabel: Die Vermessung des Glaubens. München 2010, 1. Auflage

Emergenz

Der heutige Konsens hält den Dualismus Descartes für vollständig überholt. Demnach sind Körper und Geist eine Einheit, der Geist nur ein Epiphänomen neuronaler Strukturen. Somit wären Geist und Körper identisch. Der Materialismus hat Folgen, denn dem Geist wird keine eigenständige Macht zugeschrieben. Wenn man den Geist heilen will, behandelt man lediglich den Organismus. Diese Reduktion hat etwas Inhumanes und enorm Resignatives, ja etwas bedenklich Profanes. Der Mensch wird nicht mehr als Individuum mit eigener Lebensgeschichte und eigenen Erfahrungen betrachtet, sondern als Fall einer ohnehin fragwürdigen Diagnose. Also wird man dem Menschen an sich nicht gerecht und kann auch mentale Erkrankungen nicht heilen, denn dafür muss ich das persönliche und sehr individuelle Problem eines Menschen kennen. Das dürfte einleuchten.

Es ist bisher nicht bewiesen worden, dass der Mensch in einer Sphäre der Emergenz organische Bedingtheiten nicht überwinden kann, wie dies vermutlich aber bei Spontanheilungen geschieht. Wir hätten also nicht nur ein Empfinden von Freiheit und Energie, sondern das wäre dann eben die  innere Freiheit von Determinierungen und damit von allerlei Erkrankungen. Es geht hier um eine vertikale Orientierung der Transzendenz, die wir als Verbindung zu etwas Höherem bzw. Göttlichem wahrnehmen. Alle Religionen streben auf diesen Zustand der Emergenz hin. Er ist erreichbar durch eine Reihe von Maßnahmen, die jeder anwenden kann, allerdings unterscheiden die sich von Religion zu Religion oder Weltanschauung. Diese Form der höchsten Ordnung und auch der stoischen Reorganisation ist nicht dem Zufall zuzuschreiben, sondern eben bestimmter Methoden der Disziplinierung bzw. der Askese, weil ihr eine hohe  ordnende Energie zukommt gegen die Zerrüttungen durch unterschiedlichste Emotionen. Hier kennen sich vor allem Buddhisten gut aus. Die horizontalen Ärgernisse können durch eine vertikale Ausrichtung relativiert werden und selbst Traumata können überwunden werden: Es handelt sich um verletzende Prägungen, die das Gehirn in schwere Unruhen versetzen können.

Der Alltagsverstand ahnt meistens wenig von den Emergenzmöglichkeiten des Menschen. Deshalb brauchen wir Tage der Kontemplation, um diese Möglichkeit von Freiheit, Glück und Gesundheit zu erreichen. Emergenz kann also eine Homöostase bewirken, ist aber nicht die Folge einer Homöostase. Weil aber kranke Menschen diese Emergenz erfahren können, spricht sie gegen die These einer Identität von Geist und Körper. Es ist eine durchweg spirituelle Erfahrung höchster Energien, die auf den Organismus zurückwirken. Religion ist also nicht nur ein soziokulturelles Phänomen, sondern beinhaltet eine Heilungskraft, die wir als Selbstheilung bezeichnen. Dafür muss ich das horizontale Durcheinander verlassen können, mich herausnehmen aus den Dingen des verstörenden Alltags. Das ist der Grund, warum einige Menschen in Klöster eintreten. Sie wollen ihre Emergenz erhalten, so dass es zu einer Art Evolution des Bewusstseins kommt, durch das wir neue Erkenntnisse und Einsichten gewinnen, vor allem aber unsere Urteilskraft weiter entwickelt wird. Ich selbst habe es in der Hand, ob mein Geist organisch determiniert bleibt oder ob ich ihn sukzessive herauslöse und mich in dieser inneren Freiheit  als innere Burg mit Öffnung nach oben geborgen fühle und zu einem Urvertrauen zurückfinde, das im Laufe des hektischen und auch rücksichtslosen Lebens verloren geht.

Emergenz macht das Leben erträglicher und es finden sich oft gute Lösungen für alte Probleme. Wir bezeichnen diese Fähigkeit als Macht und Vollkommenheit Gottes. In diesem Zustand der völligen Emergenz mögen sich Jesus Christus und andere Heilige befunden haben. Wir können lernen, uns selbst in diesen Zustand zu versetzen, indem wir uns beschränken in Gier, Begierde und anderen Emotionen, die nicht selten zu Illusionen und sogar zu Halluzinationen führen (starke Aktivierung der rechten Gehirnhälfte). Wer aber die Wahrheit liebt, der bleibt skeptisch gegenüber den doch oft extremen Schwankungen des menschlichen Gemüts. Um Dinge verändern zu können, muss ich sie durchschaut haben bei einem gut funktionierenden Urteilsvermögen. Auch kann der Mensch sich selber ändern durch die hohe Transformationskraft in emergenten Zuständen der Komplexität. Über die vertikale Orientierung kann der Mensch sich selbst aus dem Sumpf ziehen, was nicht länger als ein unmögliches Münchhausen-Syndrom verschrien ist und sich hier der Mensch in Abhängigkeit zu anderen Menschen begeben müsste. Mit der vertikalen Bewegung ist auch zugleich ein Abstand zu den subjektiven Regungen gegeben. Ich bin so in der Lage, mich selbst zu objektivieren und kann hier über die Bewusstseinsarbeit an mein Innerstes herankommen und es verändern. Wer die Welt ändern will, ohne sich selbst zu ändern, der läuft gegen eine Wand und wird krank an den bestehenden Verhältnissen. Und die eigene hohe innere Beweglichkeit verändert auch immer äußere Bedingungen.

Der Skandal Psychiatrie

Der Fall Mollath hätte eigentlich zu einem Umdenken in psychiatrischen Kreisen führen müssen, aber nichts hat sich geändert. Die Psychiatrie verabreicht Menschen seltsame Diagnosen, die oft die Wahrheit des Betroffenen verfehlen. Wer psychisch erkrankt, ist Opfer geworden von Ungerechtigkeiten, Formen der Gewalt und von Stress. Man kann das gar nicht oft genug thematisieren. Eine mentale Krankheit entsteht nicht aus dem Nichts und schon gar nicht sind die Betroffenen selber schuld. Die Frage der Schuld und der Schuldigen muss aber beantwortet werden, um den Kern der Erkrankung zu ergründen. Was oberflächlich oft als Wahn bezeichnet wird, ist nicht selten der Versuch, Gerechtigkeit herzustellen und auf Vergehen anderer hinzuweisen wie auch auf das Verschulden einer Psychiatrie, die Menschen über Rechtsverletzungen zur Einnahme von Medikamenten zwingt, aber kein einziges Problem löst. Das reine Wegdrücken von Symptomen ist nicht deren Heilung.  Man sollte dringend darüber nachdenken, Menschen mit mentalen Erkrankungen zu Hause zu behandeln, da Einweisungen in Kliniken nur die Traumata verschlimmern und die schlechten Erfahrungen vermehren. Ein mental kranker Mensch hat das Vertrauen ins Leben verloren. Er gewinnt es durch erneute Gewalt gegen ihn nicht zurück. Menschliche Zuwendung des Verständnisses könnten ihn auf den gesunden Weg zurückbringen.

Mehr Sensibilität ist gefordert, anstatt Menschen zu stigmatisieren oder zu dämonisieren. Eine sogenannte Psychose ist der Versuch einer Heilung. Also muss man sich diese Symptome auch genauer ansehen, um diesen eher verdrehten Prozess eines Heilungsversuches in einen gesunden zu verwandeln. Die Eigenkräfte sollten mobilisiert  und nicht unterminiert werden. Das leistet die derzeitige Psychiatrie überhaupt nicht. Sie belastet die Betroffenen mit dubiosen Diagnosen, ohne sich dem Problem anzunähern. Inhalte werden als wirres Zeug abgetan, anstatt den Kern der Wahrheit hinter den Symptomen zu analysieren. Dieser Befreiungsimpuls wird regelrecht verweigert, man ignoriert alle Inhalte. Der Patient verlässt die Klinik dann mit allen alten ungelösten Problemen, die sich durch Einweisungen nur chronifizieren. Das Herausreißen aus dem Alltag verursacht ein neues Trauma, das Menschen auf Dauer schädigen kann, denn der Kranke erlebt diese Übergriffe nicht als gerecht oder angemessen. Sie sind es auch nicht, sondern schwere Verletzungen der Rechte und der Würde.

Es gibt nichts Zweifelhafteres als psychiatrische Gutachten, durch die sich Ärzte profilieren, aber dem Betroffenen nicht gerecht werden. Das Denken eines Menschen kann vorübergehend beeinträchtigt werden, wenn ein Problem auf Dauer weiter besteht und die Bearbeitung verweigert wird, weil der Geisteszustand angezweifelt wird. Aber jeder Mensch hat gesunde Anteile, an die appelliert werden kann und die befördert werden müssen, damit die Heilungsenergie wieder initiiert wird. Eine Strategie der Ermutigung, des Empowerments wird aber nur selten eingesetzt. Der Zusammenbruch des kompensierenden Denkens heißt nicht, dass dieser Mensch vollkommen alle Geisteskräfte verloren hätte. Sie sind überlagert von vorherrschenden Gedanken, die nicht mehr untergeordnet werden können. Die Ordnungsfunktion geht also verloren. Die ist aber reaktivierbar, wenn man sich denn auf den Patienten einlassen würde, anstatt ihn einfach mit Medikamenten zuzuschütten, so dass er nichts mehr von seiner Problematik spürt. Die arbeitet aber weiter in ihm und verschafft sich in der nächsten Krise wieder Gehör. Wann also wird eine Psychiatrie überflüssig oder humaner, so dass ein Patient mit mehr Wissen über sich selbst und über seine Problem entlassen wird? Dazu bedarf es hoher therapeutischer Kompetenz, den Kern des Problems ansprechen zu können, so dass das Bewusstsein für die Problematik nicht ständig verschwindet und virulent bleibt. Eine Psychiatrie wäre verpflichtet wie alle anderen Dienstleistungsinstitutionen auch, Erfolge zu liefern in Bezug auf die Klärung von Problemen und nicht wie bisher Probleme einfach zu überdecken und die Betroffenen durch diese Verweigerung zu stigmatisieren.

Die Psychiatrie ist der Gradmesser für die Humanität einer Gesellschaft. Damit ist es nicht weit her. Darin liegt auch der Grund, warum es mental kranke Menschen so schwer haben, wieder gesund zu werden. Eigentlich ist die Psychiatrie ein Fall von unterlassener Hilfeleistung. Die Antipsychiatriebewegung ist ein wichtiger Impuls gegen eine institutionalisierte Psychiatrie, die Krankheiten von Menschen sanktioniert, anstatt humane und affirmative Lösungen anzudenken und umzusetzen. Heilung ist in den westlichen Ländern eher selten, in anderen Kulturen aber häufiger, da man hier nicht mit Einweisungen und Medikamenten reagiert. Das sollte zu denken geben und endlich Menschen befähigen und ausbilden, die sich den Problemen wirklich annehmen möchten und können aus einer  tiefen Menschenliebe heraus. Die Menschenfeindlichkeit in der Psychiatrie ist mehr als offensichtlich und so reagiert eben auch die schlecht unterrichtete  Gesellschaft mit enormen Vorurteilen und mit archaischen Ablehnungen. Letztlich ist der sogenannte Wahn nur die auf die Spitze getriebene symbolische Vernunft. Mental kranke Menschen sind keine Psychopathen, sondern Menschen, die einen offenen Dialog brauchen, um ihre Dilemmata zu überwinden, was auch das erfolgreiche Modell aus Finnland umsetzt (Westlappland Open Dialogue Project) gegen den westlichen und gewalttätigen bzw. schädigenden Mainstream. Neuroleptika und damit verbundene Zwangseinweisungen sind übrigens eine deutsch-französische Erfindung, die im Begriff ist, die ganze Welt zu verseuchen.

Peter R. Breggin: Giftige Psychiatrie. Auer, Heidelberg 1996

http://www.offener-dialog.de/materialien/der-film-/index.html

Seikkula, Jaako / Alakare, Birgitta / Aaltonen, Jukka: „Offener Dialog in der Psychosebehandlung – Prinzipien und Forschungsergebnisse des West-Lapplandprojekts“, in: Volkmar Aderhold / Yrjö Alanen / Gernot Hess / Petra Hohn (Hg.): „Psychotherapie der Psychosen – Integrative Behandlungsansätze aus Skandinavien“, 2003, S. 89–102.

Freiheit

Dass es immer noch Leugner der Freiheit gibt auch im Bereich der Neurowissenschaften, ist eigentlich kaum verständlich, denn wir haben aus der Medizin immer wieder die Bestätigung, dass über willentliche Maßnahmen der Organismus verändert werden kann. In der Folge heißt das auch, dass selbst der Körper nicht durchgehend determiniert ist, obwohl er den Gesetzen der Kausalität unterliegt. Schon Kant wusste um die Kausalität aus Freiheit, die den Menschen zum Menschen macht, indem er sich entscheiden kann, zum Beispiel etwas für seine Gesundheit zu tun. Wir sind selbst in der Lage, über die Epigenetik Einfluss auf die Genexpression zu nehmen. Der innere Arzt ist also in uns angelegt und der Widerspruch zwischen res extensa und res cogitans ist nicht so groß, wie wir ständig denken. Der Organismus ist dann ein offenes System, wenn ich mir der Freiheit bewusst werde, auf ihn einwirken zu können und Vorgänge dadurch beeinflussen kann. Gesundheit ist also an dieses Geistbewusstsein von Freiheit gekoppelt. Und für dieses Bewusstsein kann ich täglich etwas tun, damit diese Einflussnahme weiter zunimmt. Ohne Freiheit wäre das kaum möglich. Und die Willenskräfte unterliegen auch dieser Übung, Freiheit als Aufgabe zu verstehen. Freiheit ist also mit unserem Denken, mit dem Geist  verschränkt, durch den ich die Macht der Freiheit erkenne und ausübe.

Aber das wäre nur die halbe Wahrheit. Auch unser Glücksempfinden hängt von einem Bewusstsein der Freiheit ab. Wer sich nur Zwängen ausgesetzt sieht, der verliert jedes Glücksgefühl.  Der Mensch braucht also einen inneren Raum der Freiheit, in den niemand eindringt, den niemand zerstören oder verletzen kann. Wer sich diesen inneren Raum sichern kann, der bleibt auch in schweren Zeiten gesund. Hier in Verbindung mit einer höheren Energie  zu sein schützt vor der Angst, nicht freiheitlich handeln zu können. Sicher, es gibt Pflichten, aber die dürfen nicht diese innere freiheitliche Verfassung tangieren. Dessen scheint sich die Politik nicht immer bewusst zu sein, wenn sie Zwänge auf Menschen ausüben will und Menschen unterstellt, sie würden sonst nichts mehr tun. Es gilt aber angesichts dieser freiheitlichen Verfassung,  den Menschen  zu respektieren und intrinsische Konzepte zu erarbeiten, die dem Einzelnen gerecht werden. Wer sich nicht mehr als frei empfindet, wird krank, kann seine Probleme nicht mehr kompensieren und verliert seine natürlichen Kräfte und auch Selbstheilungskräfte.  Freiheit und Energie hängen eng zusammen und müssen vor allem dort gestärkt werden, wo sie bezweifelt werden. Wer sich als unfrei erlebt, verliert in gewisser Weise sein gesundes Menschsein. Innere Freiheit ist an keinen konkreten Raum gebunden und kann auch Teil eines tiefen Glaubens sein, eben als Schöpfung frei zu sein und sich auch weiter befreien zu können von Belastungen aller Art, um zu höchster Energie der Transformation zu kommen und damit auch immer zu sich selbst. Ein Selbstsein, um mit anderen zu sein und für andere da zu sein: Ohne Ich kein Wir.

Es grenzt nicht an Wunder, wenn Menschen hohe Energien entwickeln und sich aus determinierenden Problemen wieder herausarbeiten. Auf ein Wunder haben wir keinen Einfluss, es unterliegt der Gnade. Wir möchten aber wissen, wie wir aus eigenem Vermögen der Schwerkraft entkommen können. Emergenz ist die Überwindung des determinierten Selbsts und für diese Emergenz brauchen wir die Freiheit. Viele Krankheiten könnten allein durch ein Bewusstsein dieser Freiheit wieder geheilt werden. Das kann kein anderer Mensch für uns leisten, das müssen wir selbst vollziehen. Deshalb ist es so wichtig, Freiheit als etwas zu erkennen, was Heilung ermöglicht. Wer dazu spirituelle Energie mobilisieren kann, hat es leichter, denn nichts steht zwischen Mensch und Gott bzw. dem Geist Gottes, der zu meinem Geist wird, wenn er sich als frei begreift. Diese göttliche Energie bedeutet Glückseligkeit, also die Erkenntnis von Sinn und Hoffnung gegen die vielen Irrtümer und gegen das Unvermögen von Menschen, die ihr Freiheitsbewusstsein verloren haben. Niemand kann mich also zwingen, etwas zu tun, was ich nicht mit meinem Gewissen vereinbaren kann. Dieses Gewissen braucht eine heilige Dimension und die findet der Mensch im spirituellen Denken, das sich seiner Freiheit ganz bewusst ist und dadurch genesen kann. Diese Freiheit erarbeiten wir uns täglich und auch immer wieder, wenn sie unterzugehen droht. So ist es einer der höchsten Wahrheiten zu sagen: Ich bin frei und ich kann mich jeder Zeit zu einem Neuanfang entscheiden, wenn das alte Korsett zu eng und zu beschwerlich geworden ist.  So kann man auch Fehler, die man als Mensch nun einmal macht, auch leichter verkraften. Sie verlieren ihre Virulenz angesichts der Freiheit durch Einsicht auch gegen dubiose Gefühle, die oft in die Irre führen, denn die sind eben sehr subjektiv. Freiheit ist auch die Fähigkeit zu objektivieren, verschiedene Perspektiven einzunehmen und die Beschränktheiten anderer nicht zum eigenen Problem werden zu lassen. Der freiheitliche Geist bewegt sich aus solchen Gefängnissen heraus und möchte initiieren und nicht in unerlöste und dunkle Gedankengebäude einsperren.

Der voll und ganz entfaltete Mensch lebt also mit einem erlösten Körper, dessen Bedürfnisse dem Geist keine Vorschriften mehr machen. Den Körper erlösen kann nur der Geist.

Thomas von Aquin: De beatitudine (Über das Glück). Hamburg 2012

Antistressverordnung

Der Psychoneuroimmunologe Christian Schubert hat den Zusammenhang von schweren Erkrankungen und Stress erforscht.  Er analysierte soziokulturelle Veränderungen und Ereignisse wie z.B. die Finanzkrise, die das Immunsystem von Menschen negativ beeinflussen können über sogenannte Top-down- und Bottom-up-Prozesse. Der systemtheoretische Ansatz bezeugt die Wirkung von komplexen Systemen auf weniger komplexe Systeme und umgekehrt. Wie Wahrnehmung auf unser Denken einwirkt, ist weiterhin ungeklärt. Die Tatsache, dass es eine Korrelation gibt, ist aber unbestritten. Bei Stress als mentalem Zustand spielt die Erfahrung der Ohnmacht eine große Rolle. Erlebe ich Prozesse und Entwicklungen als nicht beeinflussbar, entsteht existenzieller Stress, der Gehirn und Körper erheblich schädigt. Die Psychosomatik geht davon aus, dass Körper und Geist eine Einheit bilden und nicht zwei voneinander getrennte Entitäten sind, die aufeinander wirken. Den Dualismus hat man aufgegeben, weil man nur über die Quantentheorie erklären kann, wie der Geist auf den Körper wirken könnte. Das scheint vielen nicht auszureichen bzw. es wird bestritten, dass wir ein Quantengehirn hätten. Deshalb wurde der Dualismus angezweifelt. Sind Körper und Geist aber eine Einheit, ein wesensmäßiges Ganzes, dann kann man nicht erklären, wieso über Meditation, d.h. über eine freie und willentliche Maßnahme,  das Gehirn verändert werden kann. Ich muss also eine unabhängige Kraft voraussetzen, die auf den Körper einwirkt. Dass es so ist,  hat Richard Davidson weitgehend bewiesen. Damit steht die Identitätstheorie im Verdacht, etwas zu vereinfachen, was doch komplexer ist.

Ob nun eine Identität von Typen oder von Token (Identität der Vorkommnisse, wie Donald Davidson annimmt) ist dabei egal. Die Identitätstheorie hat ihre Mängel. Descartes hatte deswegen von unterschiedlichen Entitäten (res extensa und res cogitans) gesprochen, die aufeinander einwirken, aber eben auch eine  spezielle geistige Energie und ein Vermögen voraussetzt, das beeinflusst und verursacht, d.h. das nicht determiniert ist. Freiheit ist unter den Bedingungen der Identität kaum denkbar, denn der Körper ist weitgehend determiniert und kann nur durch den Geist initiiert werden, nicht aber wieder durch körperliche Ereignisse und Vorgänge. Meditation kann auf die Entzündungsprozesse durch Stress auf den Körper Einfluss nehmen wie auch alle Gefühle des (geistigen) Glücks, wie es sich  im Flow manifestiert, der bis in die Epigenetik hineinwirkt. Wir sind nur dann in der Lage, unseren Körper zu steuern, wenn wir dem Geist dafür die Macht geben und diese Mächtigkeit auch entsprechend befördern. Das gelingt nur unter Stresslosigkeit. So lässt sich Resilienz auch trainieren, ist also  keine angeborene Fähigkeit. Die Identitätstheorie lässt keinen Raum für den freien Willen, durch den wir Dinge realisieren und uns selbst und unsere Einstellungen verändern. Aber dieses Zusammenwirken ist eben anfällig und wird durch Stress außer Kraft gesetzt.

Die IG Metall wie auch die Linken und die Grünen wollen eine Umsetzung einer Antistressverordnung, weil zu viele Menschen durch Stress und vor allem durch existenziellen Stress zum Teil schwer erkranken. Diese Einwirkungen sind kaum zu steuern und können das gesamte organische und mentale System aushebeln. Der Mensch sollte intrinsisch motiviert sein gegen eine unverantwortliche Zulassung von Stressoren, die den Arbeitenden antreiben sollen, Höchstleistungen zu bringen. Will ich, dass Menschen gut und zuverlässig arbeiten, muss ich sie eigentlich nur entsprechend gut bezahlen und motivieren, anstatt ein Angstsystem zu etablieren, das Menschen an den Rand des Nervenzusammenbruchs bringt. Existenzieller Stress ist auch nicht durch Bewusstseinsarbeit reduzierbar, da hier eine Grenze überschritten wird. Die Grundlagen des Seins dürfen nie zur Disposition stehen und damit wäre dann auch ein rechtlicher Schutz vor Existenzbedrohungen eine Notwendigkeit.  Der Mensch kann sich gegen Stress nicht immunisieren. Darauf muss die Politik auch gegen wirtschaftliche Interessen endlich Rücksicht nehmen und Menschen vor schweren Schädigungen schützen, so dass Stressverursachung ein einklagbares Vergehen wird. Stress ist eine Form von struktureller Gewalt und muss deshalb in einer Gesellschaft als das zu Vermeidende begriffen werden, denn die Folgen wie Arbeitsunfähigkeit sind für den Betroffenen wie für die Gesellschaft schädlich. Fortschritt im sozioökonomischen Bewusstsein erlangen wir aber nur über Rechte, die den Einzelnen in seiner Gesundheit bestärken und schützen.

Christian Schubert, Madeleine Amberger: Was uns krank macht, was uns heilt. Aufbruch in eine neue Medizin. Münderfing 2016